Nach 15 Jahren habe ich wieder mein erstes MMORPG gespielt und es sofort bereut

Nach 15 Jahren habe ich wieder mein erstes MMORPG gespielt und es sofort bereut

Im Jahr 2007 wurde das MMORPG Last Chaos veröffentlicht. Unser Autor Mark Sellner war bereits in der Beta-Version dabei und kehrt nun, 15 Jahre später, zu seinem allerersten MMORPG zurück – und bereut es sofort.

Für gewöhnlich nehmen sich die meisten Gamer zwischen den Jahren ein Spiel vor, das sie schon lange auf ihrer Liste haben und nun endlich die Zeit haben, es zu zocken. Da ich jedoch gerade nichts zu tun hatte und die meisten MMORPGs auf dem Markt bereits gespielt habe, habe ich etwas Verrücktes getan: Ich habe Last Chaos installiert.

Das MMORPG habe ich etwa 2007 zum Release in Asien gespielt. Nun bin ich nach knapp 15 Jahren wieder dorthin zurückgekehrt, wo alles angefangen hat – mein erstes MMORPG überhaupt. Wie fühlt es sich an, das Spiel 15 Jahre später wieder zu entdecken?

Last Chaos ist ein MMORPG, von dem ich mich wundere, dass es überhaupt noch läuft. Derzeit wird das Spiel von Gamigo im deutschsprachigen Raum und von Aeria Games in den USA vertrieben. Allerdings hatte ich bereits Kontakt mit dem Spiel, lange bevor es eine deutsche oder amerikanische Version gab.

Ich erinnere mich vage daran, dass mein Onkel damals begeistert zu meinem Vater kam und ihm von einem tollen neuen Spiel erzählte. Es hieß Last Chaos und da ich damals noch keinen eigenen PC hatte, verbrachte ich Stunden damit, meinem Vater einfach nur beim Spielen zuzuschauen.

Das Spiel lief damals nur mit einem Fan-Patch auf Englisch und die Server standen, soweit ich mich richtig erinnere, in Malaysia. Die Verbindung war entsprechend schlecht. Tools wie ExitLag gab es damals noch nicht.

Irgendwann war mein Vater genervt davon, dass ich ständig hinter ihm stand, während er spielte, und nachdem ich genug gebettelt hatte, bekam ich zu Weihnachten meinen ersten PC geschenkt. Auf diesem war Last Chaos Malaysia inklusive des englischen Sprach-Patches vorinstalliert. Das half mir jedoch nicht viel, da ich mit 11 Jahren noch kein Englisch konnte. Dennoch habe ich mich riesig darüber gefreut.

Last Chaos verband ich also sehr lange mit positiven Erinnerungen – meine ersten Schritte in MMORPGs, mein erster Charakter, der langsam aufstieg und das erste Mal, dass ich mit Freunden gemeinsam online spielte.

Ich habe das Spiel etwa drei Jahre lang gespielt und war immer mit voller Begeisterung dabei, obwohl es im Rückblick betrachtet eher ein durchschnittliches MMORPG war. Als ich in Malaysia bereits das maximale Level erreicht hatte, wurde angekündigt, dass Gamigo das Spiel auf Deutsch veröffentlichen würde.

Ich habe die erste Beta-Version der deutschen Version gespielt und nach dem offiziellen Release noch etwa 20 Stunden. Irgendwann zwischen 2009 und 2010 habe ich meine Last Chaos-Zeit jedoch endgültig beendet und bin zu anderen MMORPGs gewechselt. Bis heute.

Aller Anfang ist Fetch

Der erneute Einstieg in das Spiel gestaltete sich schwieriger als gedacht. Ich lud den Client herunter, der immer noch in 800×600 Auflösung angezeigt wird. Da ich mir sicher war, dass mein alter Account nicht mehr existiert, wollte ich einen neuen erstellen.

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Überraschenderweise stellte ich jedoch fest, dass mein Konto noch existiert. Ich setzte mein Passwort zurück und erhielt kurz darauf eine E-Mail von Gamigo – auf Polnisch und im Spam-Ordner. Aber immerhin war ich innerhalb weniger Minuten im Spiel und konnte loslegen.

Ich erstellte einen Charakter, eine Schurkin, die ich schon damals mochte. Die Klassen im Spiel sind übrigens geschlechtergebunden, aber das störte mich persönlich nicht. Ich war positiv überrascht, dass es mittlerweile deutlich mehr Klassen gab als früher und sogar eine Art Premium-Klasse.

Den Schattenpriester kann man nur erstellen, wenn man bereits einen Level 90 Charakter auf dem Account hat. Schade, denn der Schattenpriester sah am interessantesten aus.

Nachdem ich mich eingeloggt hatte, empfahl mir das Spiel einen Server, den ich akzeptierte. Außerdem bot Last Chaos mir ein Tutorial an, was neu war. Natürlich sagte ich sofort ja und wurde in ein Anfänger-Gebiet teleportiert.

Die Enttäuschung begann bereits dort. Nach meiner nostalgischen Freude darüber, dass die Animationen immer noch genauso schlecht aussahen wie damals und sich an den Sounds nichts geändert hatte, wurde es spannend.

Das Tutorial bestand aus einer Handvoll Quests, die nicht schlimmer sein konnten. Zuerst musste ich 10 junge Füchse töten, dann 10 Füchse, dann 10 junge Wölfe, dann 10 Wölfe, dann 10 alte Wölfe. Ihr erkennt das Schema.

Nach Abschluss des Tutorials war ich etwa Level 10 und kehrte in die Stadt zurück, die immer noch relativ voll ist. Das Spiel ist allgemein belebter als viele neue Spiele, aber niemand schien mit mir reden zu wollen.

Es fiel mir jedoch auf, dass die meisten Charaktere, die ich traf, bereits ein sehr hohes Level hatten. Andere Low-Level-Spieler wie mich konnte ich nirgendwo finden. Später bestätigte mir ein erfahrener Spieler, dass die meisten Spieler von damals immer noch dabei sind und neue Spieler Mangelware sind.

Positiv fiel mir jedoch auf, dass es unzählige Quests gab, die mich zwar nicht sonderlich herausforderten, mich aber beschäftigten. Das gesamte User-Interface sieht heutzutage schöner aus und es wurden im Laufe der Jahre viele Mechaniken hinzugefügt.

Frühzeitig stieß ich auf meinen ersten Solo-Dungeon, in dem ich am Ende gegen einen Balrog kämpfen durfte. Zu diesem Zeitpunkt war mein Charakter Level 16 und die Kämpfe waren angenehm herausfordernd. Das Spiel war definitiv nicht zu leicht, zumindest am Anfang.

Mit der Zeit wurde das Questen und Grinden jedoch so monoton, dass es nicht viel mehr zu sagen gibt. Ich nahm immer wieder dieselben Quests an, sammelte Geld, das ich dann für Heiltränke ausgeben musste. Neben dem Monster-Töten gab es im Low-Level-Bereich des Spiels einfach nichts zu tun. Daher habe ich meinen Ausflug in Last Chaos mit Level 36 und nach etwa vier Stunden beendet. Ich war relativ gelassen, vielleicht ein wenig ernüchtert. Die wahre Enttäuschung kam dann später.

Nachhause kommen – in eine hässliche Wohnung

So wollte ich meinen Ausflug in Last Chaos aber nicht enden lassen. In Guild Wars 2 hatte ich kürzlich wieder Kontakt zu einem Kumpel, mit dem ich vor Jahren bereits Last Chaos gespielt hatte. Er erzählte mir, dass er das MMORPG immer noch aktiv spielt.

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Für diesen Artikel war er so nett, mir seinen Account für etwa fünf Stunden Spielzeit auszuleihen. So hatte ich die Möglichkeit, in das Endgame des alten MMORPGs hineinzuschnuppern. Auf dem Account befanden sich eine Schurkin, eine Elfin und ein Schattenpriester, alle auf der maximalen Stufe 190. Sie waren alle perfekt ausgerüstet. Laut seinen Angaben steckten etwa 1.000 Stunden Spielzeit in diesem Account.

Endlich wieder als Schurkin mit Maximalstufe zu spielen, fühlte sich für einen Moment wie nachhause kommen an. Allerdings stellte ich kurz darauf fest, dass die Erinnerungen an das Spiel viel schöner waren als das Spiel selbst.

Umfangreiche Skill-Bäume, verschiedene Attributskombinationen, alternative Waffen – im Endgame spielen all diese Dinge keine Rolle. Die Charaktere, die er mir gab, funktionierten alle nach demselben Muster: Angriffs-Geschwindigkeit.

Und zwar so viel davon, dass die Animationen lächerlich schnell waren. Der Charakter führte etwa vier Angriffe in der Zeit einer einzigen Angriffsanimation aus, das konnte einfach nicht gut gehen. Es wirkte auch albern, dass ich dank verschiedener Buffs schneller laufen konnte als auf meinem Reittier.

Ich dachte mir, dass eine Schurkin möglicherweise anders gespielt werden kann. Beim Schattenpriester, einer Art Dunkel-Elfen-Magier, erwartete ich beeindruckende Zauber. Aber auch der Schattenpriester wurde am besten mit 1 bis 2 Fähigkeiten für Kontrolle und schnellen Auto-Angriffen gespielt.

Am erschreckendsten war die Tatsache, dass sich das PvE-Endgame des Spiels in den letzten 12 Jahren nicht verändert hat. Nicht einmal der Ort hat sich geändert. Ich kämpfte immer noch in derselben Pyramide gegen dieselben Zombies und suchte nach besserer Ausrüstung. Nur ist jetzt alles 100 Level höher als früher.

Sobald man die perfekte Ausrüstung hat, gibt es im PvE einfach nichts mehr zu tun. Das wahre Endgame findet also im PvP statt, wie mir mein Kumpel bestätigte. Das PvP funktioniert jedoch bestenfalls rudimentär.

Es gibt regelmäßige Schlachten um eine Burg, an denen ich leider nicht teilnehmen konnte. Diese Schlachten scheinen das Highlight des Endgames zu sein. Ansonsten beschränkt sich das PvP auf Open-World-Player-Kill und eine Arena in einer Stadt, in die man einfach hineingeht und dann für PvP aktiviert wird.

Das war es. Abgesehen von neuen Begleitern und einigen neuen Klassen kamen keine neuen Karten oder Gebiete hinzu. Ich war nicht nur ernüchtert, sondern auch enttäuscht darüber, wie wenig sich ein Spiel in über einem Jahrzehnt weiterentwickeln kann.

“Im Grunde genommen ist das ganze Spiel irgendwie kaputt”

Nach meiner Endgame-Session habe ich noch eine Weile mit meinem Freund Timo gesprochen, der mir seinen Account zur Verfügung gestellt hatte. Insgesamt hat er viele Accounts auf verschiedenen Servern und über 10.000 Stunden in das MMORPG investiert.

Er erzählte mir, dass das Spiel vor allem darunter leidet, dass es kaum neue Spieler gibt. Außerdem hat Last Chaos ähnliche Probleme wie New World zum Start: Duplizierer, die Geld und Gegenstände klonen und dadurch die Wirtschaft im Spiel zerstören.

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Vor zwei Wochen gab es auch eine Server-Zusammenlegung, die unglücklich verlief. Auf dem einen Server war die Wirtschaft bereits am Boden, während der andere Server noch gut lief. Die Zusammenlegung sorgte dafür, dass alle Spieler des zweiten Servers plötzlich pleite waren.

Gamigo hat nichts angepasst oder ausgeglichen. Während Timo vor dem Transfer noch 4 Milliarden Gold hatte und sich alles leisten konnte, sind ordentliche Endgame-Items jetzt über 100 Milliarden Gold wert. Die Spieler sind verständlicherweise verärgert über dieses Vorgehen.

Fragwürdig ist auch, dass die neuen Begleiter, der Elefant und der Jaguar, erst mit dem Transfer auf den Server kamen. Sie waren zuvor nur auf einem der beiden Server verfügbar. Die Stimmung in der Community ist gedrückt und viele Spieler haben das Handtuch geworfen.

Last Chaos leidet auch unter massiven Pay2Win-Problemen. Während ich in meinen vier Stunden nur Level 36 erreicht habe, erzählte mir Timo, dass man mit genügend Wissen und Geld problemlos Level 120 in weniger als 30 Minuten erreichen kann. Wenn er sich richtig anstrengt, schafft er das maximale Level in etwa zwei Tagen.

Das bedeutet, dass der gesamte Level-Prozess des Spiels irgendwie nutzlos ist. Das wäre in Ordnung, wenn das PvP genug bieten würde, aber das tut es ebenfalls nicht. Gerade die Phasen, in denen Last Chaos im Vergleich zu anderen Spielen gut abschneidet, wie die Level-Phase und die Solo-Dungeons, sind im späteren Spiel völlig irrelevant. Schade.

Die Erinnerungen waren schöner und jetzt sind sie zerstört

Es fällt mir schwer, ein abschließendes Fazit zu ziehen, denn ich hatte Spaß in Last Chaos, jedoch aus den falschen Gründen. Als neuer Spieler kann ich euch leider nicht empfehlen, in Last Chaos einzusteigen. Inzwischen gibt es viele Spiele, die dasselbe besser machen.

Die Wirtschaft im Spiel ist so zerstört, dass ihr als neuer Spieler niemals wirklich gute Dinge erschwingen könnt. In den ersten Spielstunden habe ich mein ganzes Geld für Heiltränke ausgegeben. Von neuen Waffen konnte ich nur träumen.

Für Rückkehrer macht die Nostalgie des Spiels zunächst Spaß, bis man hinter den Level-Prozess blickt und sieht, wie kaputt alles ist. Es ist in Ordnung, das Spiel zu erkunden und zu sehen, wie es sich im Laufe der Jahre verändert hat, aber für mich persönlich hätte ich lieber nicht hineingeschaut.

Last Chaos hatte einen besonderen Platz in meiner Erinnerung – viele positive Erinnerungen an ein Spiel, das ich in meinen Gedanken besser gemacht habe als es ist. Es ist zu lange her, um zu behaupten, dass das Spiel früher besser war. Vermutlich war es das nicht. Dennoch fühlte es sich in meinem Kopf besser an, und genau dieser Teil ist jetzt weg.

Ich bereue es, in die Welt von Last Chaos zurückgekehrt zu sein, weil ich gute Erinnerungen durch negative ersetzt habe. Obwohl es eine Zeit lang Spaß gemacht hat, wieder zurückzukehren und die Orte zu sehen, an denen ich vor vielen Jahren viele Stunden lang gespielt habe, ist es nun vorbei.

Ich wünsche allen Spielern, die noch Spaß an dem Spiel haben, dass sie diesen auch weiterhin haben, aber für mich war es das. Egal wie gut es damals war und dass ich nur wegen Last Chaos in die Welt der MMORPGs eingetaucht bin – Mach’s gut, Last Chaos. Auf Nimmerwiedersehen.