Neue Haltungsform-Kennzeichnung von Milch und Milchprodukten

Neue Haltungsform-Kennzeichnung von Milch und Milchprodukten

In der modernen Landwirtschaft steht die Tierhaltung zunehmend in der Kritik. Eine Forderung, die häufig geäußert wird, ist die artgerechte Tierhaltung. Viele Verbraucher möchten beim Kauf tierischer Lebensmittel dazu beitragen, dass die Tiere unter besseren Bedingungen gehalten werden. Leider ist es jedoch schwierig, leicht verständliche und verlässliche Informationen über die Haltungsbedingungen der Tiere zu finden.

Seit 2019 gibt es bei verpacktem Frischfleisch von Schweinen, Rindern, Hühnern und Puten eine Haltungsform-Kennzeichnung. Bei Eiern ist die Angabe der Haltungsform der Legehennen sogar gesetzlich vorgeschrieben. Bei konventioneller Milch und daraus hergestellten Produkten wie Joghurt und Käse gab es bislang jedoch nur vereinzelte Angaben zur Tierhaltung.

Kennzeichnung von Milch und Milchprodukten: Das soll sich nun ändern

Die größten deutschen Handelsunternehmen haben zum Jahreswechsel 2021/2022 angekündigt, ab 2022 auch Milch und Milchprodukte mit der Haltungsform zu kennzeichnen. Dabei wird die 4-stufige Haltungsform-Kennzeichnung verwendet, die bereits für Frischfleisch genutzt wird. Das System wurde um Kriterien für die Haltung von Milchkühen erweitert.

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Quelle: www.haltungsform.de, Gesellschaft zur Förderung des Tierwohls in der Nutztierhaltung mbH

  • Haltungsform 1 “Stallhaltung”: Die Tiere werden ausschließlich im Stall gehalten, eine ganzjährige Anbindehaltung ist möglich.
  • Haltungsform 2 “StallhaltungPlus”: Die Kühe dürfen nicht das ganze Jahr über angebunden sein. Es handelt sich entweder um eine Haltung im Laufstall oder um eine Kombinationshaltung, bei der die Kühe zeitweise frei bewegt werden können. Zudem muss ab Stufe 2 eine Kuhbürste im Stall vorhanden sein.
  • Haltungsform 3 “Außenklima”: Die Kühe haben Kontakt mit dem Außenklima, entweder durch eine nach außen offene Stallseite oder durch ganzjährigen Weidegang an mindestens 120 Tagen im Jahr. Im Stall wird mehr Platz gefordert als in Stufe 2 und es sind keine Anbindehaltung und gentechnikfreies Futter vorgeschrieben.
  • Haltungsform 4 “Premium”: In dieser Stufe haben alle Kühe ganzjährig Auslauf im Freien. Zusätzlich zum Weidegang wird ein ganzjährig nutzbarer Laufhof vorgeschrieben. Das Futter muss gentechnikfrei sein und vorzugsweise vom eigenen Betrieb oder aus der Region stammen. Diese Stufe umfasst sowohl Biomilch als auch konventionell erzeugte Milch, sofern die Tierhaltung die Anforderungen erfüllt.
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Statt Transparenz im Milchangebot nur heiße Werbeluft

Die Handelsunternehmen versprechen vollmundig, dass die Haltungsform-Kennzeichnung eine vollständige Transparenz schaffe und Verbrauchern ermögliche, bewusst Milchprodukte mit einem höheren Tierwohl-Niveau zu wählen. Die Realität sieht jedoch anders aus. Das Angebot in den Geschäften ist nach wie vor intransparent.

Es gibt zwar vereinzelt Bio-Trinkmilch, die mit Haltungsform 4 gekennzeichnet ist. Doch bei Bio-Produkten ist die Haltungsform-Kennzeichnung am wenigsten notwendig, da Bio die einzige gesetzlich definierte Tierhaltungsform ist, die bereits durch das EU-Bio-Label erkennbar ist. Es wurde auch eine konventionelle Weidemilch mit Haltungsform 3-Label gefunden, bei der die Kühe mindestens 120 Tage im Jahr Weidegang haben.

Es wäre viel wichtiger, Transparenz über die Haltungsbedingungen der Milchkühe bei den übrigen konventionellen Milch- und Milchprodukten herzustellen. Häufig werden die tatsächlichen Haltungsbedingungen durch schöne Werbung verschleiert. Mit der Haltungsform-Kennzeichnung könnte sich herausstellen, dass vermeintlich “beste Milch von glücklichen Kühen” tatsächlich der Haltungsform 1 oder 2 entspricht. Es bleibt jedoch unklar, wann dies umgesetzt wird, da die Händler nur ihre Eigenmarken kennzeichnen möchten und einige Handelsunternehmen nur Trinkmilch, nicht aber Produkte wie Joghurt und Käse.

Die “Haltungsform”-Kennzeichnung ist kein Tierwohllabel

Eine Haltungsform-Kennzeichnung ist zwar eine gute Hilfe bei der Auswahl von Milchprodukten aus verbesserter Tierhaltung, garantiert jedoch nicht, dass es den Tieren tatsächlich besser geht. Mehr Platz im Stall, Kuhbürsten, Außenklima-Kontakt oder gar Weidegang allein sagen nichts über die Gesundheit und das Wohlbefinden der Tiere aus.

Für verlässliche Aussagen zum Tierwohl wären verhaltens- und gesundheitsbezogene Kriterien erforderlich, die systematisch in der Tierhaltung und am Schlachthof erhoben und ausgewertet werden. Solche Erhebungen sind jedoch nicht im Rahmen der Haltungsform-Kennzeichnung vorgesehen.

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Staatliche Tierwohlkennzeichnung muss verbindlich werden

Es ist entscheidend, dass die seit langem angekündigte verbindliche staatliche Tierwohlkennzeichnung schnell eingeführt wird. Eine solche Kennzeichnung ist verbindlicher als freiwillige Initiativen der Wirtschaft und berücksichtigt das Tierwohl entlang der gesamten Prozesskette, von der Haltung der Elterntiere über die Mast bis hin zur Schlachtung. Dabei werden auch verhaltens- und gesundheitsbezogene Kriterien berücksichtigt.

Die Anforderungen dieser staatlichen Kennzeichnung sollen deutlich über dem gesetzlichen Mindeststandard liegen. Mittelfristig sollte eine verbindliche europäische Kennzeichnung eingeführt werden, um Transparenz über das gesamte Angebot herzustellen und auch importierte Produkte einzubeziehen. Nur so können Schlupflöcher für Billigfleisch oder Käfigeier geschlossen werden, die kaum jemand auf dem Teller haben möchte.