Nicht schlecht von sich denken: Warum man im Spiegel schöner aussieht als auf Fotos

Nicht schlecht von sich denken: Warum man im Spiegel schöner aussieht als auf Fotos

Spiegel sind allgegenwärtig. Sie hängen in Badezimmern, bedecken Fahrstuhlwände und sind sogar als praktische Klappvarianten in Handtaschen zu finden. Doch das Bild, das wir täglich darin sehen, entspricht oft nicht dem, was wir auf Fotos von uns erkennen. Warum ist das so?

Der Blick in den Spiegel als Selbstschutzkonzept

Bevor wir das Haus verlassen, werfen die meisten Menschen mindestens einmal einen Blick in den Spiegel. Das ist auch wichtig, denn dabei geht es nicht nur darum, sich selbst anzusehen, sondern auch eine schnelle Bewertung vorzunehmen. Dies gibt uns eine gewisse Sicherheit, bevor wir uns in die Welt hinaus begeben.

“Wir tun im Grunde genommen unser ganzes Leben lang alles dafür, um unsere Persönlichkeit zu schützen”, erklärt Nadine Kmoth gegenüber n-tv.de. “Ein Teil dieses Selbstschutzkonzepts besteht darin, auch nicht allzu schlecht von uns selbst zu denken.” Der Blick in den Spiegel ist Teil dieses Konzepts, genauso wie das allmorgendliche Kämmen, Stylen und Schminken bei Frauen oder das tägliche Rasieren bei Männern.

Wir drehen uns vor dem Spiegel hin und her, neigen den Kopf oder verziehen den Mund, bis das Bild, das wir von uns sehen, zumindest als “in Ordnung” bewertet werden kann. Unsere Körpersprache passt sich also unseren Erwartungen an. Das Spiegelbild ist variabel und darüber hinaus seitenverkehrt. Das Bild, das wir im Spiegel sehen, speichern wir als unsere wahre Abbildung ab. Doch es gibt noch weitere Gründe.

Die seitenverkehrte Wahrnehmung

Da kein Mensch zwei identische Gesichts- oder Körperhälften hat, sehen wir im Spiegel immer eine seitenverkehrte Version unserer vermeintlichen Schokoladenseite. Bei Fotos ist dies anders. Sie zeigen uns in identischer Form. Da wir das nicht gewohnt sind, entsteht nicht nur Verblüffung, sondern wir bewerten uns sogar als “falsch aussehend”. Das Spiegeln von Fotos könnte hierbei zu einer erheblichen Verbesserung der Wiedererkennung beitragen.

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Psychologen haben außerdem herausgefunden, dass wir uns im Laufe der Jahre nicht nur an unseren Anblick gewöhnen, sondern diesen auch positiver bewerten. Je häufiger wir uns im Spiegel sehen, desto besser wird unser Urteil darüber – zumindest im mittleren Lebensalter. Dieser Effekt wird als “Mere-Exposure-Effekt” bezeichnet und wurde erstmals von Robert Zajonc beschrieben. Als US-amerikanischer Psychologe lieferte er den Beweis dafür, dass wir Bekanntes angenehmer und sympathischer empfinden als Unbekanntes. Dies gilt übrigens nicht nur für unser Selbstbild, sondern auch für Musik, Menschen und alltägliche Dinge wie Fotos.

Der starr gefangene Moment

Egal, ob spontane Schnappschüsse oder sorgfältig vorbereitete Bewerbungsfotos – wir erkennen uns auf Bildern oft kaum wieder und manchmal schockiert uns sogar unser Anblick. “Fotos sind Momentaufnahmen, die im Gegensatz zum Spiegelbild nicht mehr von unserer Körpersprache beeinflusst werden können”, erklärt Kmoth.

Besonders bei Fotos, die andere von uns gemacht haben, stimmt unser Selbstbild selten mit dem überein, was wir sehen. Dies liegt nicht nur an schlechtem Licht oder einem ungünstigen Aufnahmewinkel. Bei der Bewertung solcher Fotos liegt der Fokus vor allem auf den Unterschieden zwischen unserem Selbstbild und dem, was wir sehen. Unsere Nase erscheint viel länger, unsere Falten viel tiefer und unser Mund schief, ganz anders als wir dachten. Freunde oder Bekannte können das Gezeter über diese Fotos meistens nicht nachvollziehen und behaupten, dass wir darauf ganz normal und wie immer aussehen.

Selfie-Liebhaber wissen es besser

Die Unzufriedenheit mit unserem Aussehen auf Fotos gilt natürlich nicht für die heranwachsende Selfie-Generation. Die Fotos, die vor allem junge Menschen seit einigen Jahren von sich selbst machen und veröffentlichen, unterliegen ebenfalls dem Gewöhnungs- oder Mere-Exposure-Effekt. Zudem werden aus einer Vielzahl von Smartphone-Bildern nur die besten ausgewählt und veröffentlicht. Ähnlich wie beim morgendlichen Blick in den Spiegel wird solange probiert, gedreht und geübt, bis der richtige Winkel, die beste Pose oder das vorteilhafteste Profil getroffen wird. Übung macht auch in diesem Bereich den Meister.

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Übrigens raten Forscher dazu, Bewerbungs- oder Profilbilder lieber von anderen auswählen zu lassen. Sie argumentieren, dass der Blick von Fremden auf Fotos genauer ist als unser eigener. Kleine Unterschiede können wir oft selbst nicht mehr gut erkennen. Und diese können entscheidend dafür sein, wie andere uns wahrnehmen.