Der Behandlungsraum von Marie Schlesinger in Hamburg erinnert an eine Praxis für Physiotherapie für Menschen. Hier liegt ein Behandlungstisch mit einer Matte darauf, ein Balancekissen liegt auf dem Boden, und in der Ecke steht ein großer Sitzball.
Osteopathie geht vom ganzheitlichen Zusammenspiel aller Körperteile aus
Der Übergang zwischen Physiotherapie und Osteopathie ist in der Behandlung häufig sehr fließend, erklärt Marie. Während die Physiotherapie darauf abzielt, Funktions- oder Bewegungseinschränkungen beim Hund wiederherzustellen oder zu erhalten, Schmerzen zu lindern und Bewegungsabläufe zu schulen oder zu harmonisieren, betrachtet die Osteopathie Körper und Geist als noch stärker vereint.
“Osteopathie geht vom ganzheitlichen Zusammenspiel aller Teile des Körpers aus. Dazu gehören Knochen, Muskeln, Sehnen, Bänder, Organe und jede einzelne Zelle des Körpers. Außerdem bilden Körper, Geist und Seele eine untrennbare Einheit”, erklärt Marie.
Wenn eine Funktionsstörung oder eine Spannung in einem Teil dieses Ganzen vorliegt, kann eine Krankheit entstehen. In der Osteopathie sucht der Therapeut oder die Therapeutin mit den Händen nach diesen Störungen oder Spannungen und gibt mit sanften Techniken den Anstoß zur Selbstheilung des Körpers. “Als Osteopathin sind meine Hände mein wichtigstes Werkzeug”, sagt Marie.
Die Osteopathie wird bei Hunden mit funktionellen Störungen angewandt, wie unspezifischer Lahmheit, Bewegungsunlust, Unwilligkeit ins Auto zu springen oder einem unrunden Gang. Aber auch bei nachweisbaren Erkrankungen wie Ellbogendysplasie, Hüftdysplasie, Arthrose oder Spondylose kommt die Osteopathie zum Einsatz. Sie kann diese Krankheiten nicht heilen, aber lindern. “Hier kann das strukturelle Problem nicht behoben, aber der Körper soweit unterstützt werden, dass die Lebens- und Bewegungsfreude erhalten bleibt”, so Marie.
“Auch nach Unfällen oder Operationen ist die Osteopathie eine tolle Möglichkeit in der Regenerationsphase.”
Um sich wohler zu fühlen, darf der Hund in der Praxis frei herumlaufen
Vor jeder Behandlung führt Marie Schlesinger ein Anamnesegespräch mit dem Hundehalter. Dann hat der vierbeinige Patient die Möglichkeit, sich frei in der Praxis zu bewegen, um erst einmal anzukommen. “Dadurch kann ich häufig die Tierarztatmosphäre aus meinen Räumlichkeiten herausnehmen”, so Marie. Im Anamnesegespräch geht es unter anderem um die Lebensumstände des Hundes, den Grund des Besuchs und die vorangegangene Krankengeschichte. Anschließend folgt eine Ganganalyse auf einer geraden Strecke, im Schritt und Trab. “Die Ganganalyse ist ein sehr wichtiges Werkzeug der Osteopathie für Hunde, um mir ein Bild davon zu machen, wo die Probleme liegen oder ob der Grund des Besuchs bereits Auswirkungen auf andere Körperregionen hat”, erklärt Marie.
Im nächsten Schritt erfolgt ein Tastbefund, um die Anatomie des Hundes kennenzulernen. Dabei wird unter anderem die Muskulatur untersucht, um Verspannungen festzustellen und die genaue Bemuskelung zu beurteilen. Basierend auf den Ergebnissen der Ganganalyse und des Tastbefunds wird eine individuelle Behandlung durchgeführt. Gegebenenfalls erhalten die Besitzer auch Hausaufgaben, um die Behandlung außerhalb der Praxis zu unterstützen.
Vor und nach der Behandlung
Vor der Behandlung sollten die tierischen Patienten nicht unmittelbar gefressen und auch keinen großen Spaziergang gemacht haben. “Dadurch werden die Muskeln und Gelenke bereits erwärmt und bewegt, sodass eine Befundung häufig nicht mehr klar vorgenommen werden kann”, sagt Marie Schlesinger.
Nach der Behandlung darf der Hund noch einen kleinen Spaziergang zum Lösen machen. “Viele Besitzer berichten, dass ihre Tiere im Anschluss an die Behandlung dann aber tief und fest schlafen. Die folgenden drei Tage sollten Bewegungseinschränkungen vermieden werden, da der Körper Zeit braucht, um sich an die neuen Gegebenheiten anzupassen.” In Maries Praxis kommen Hunde aller Rassen, jeden Alters und auch Katzen. Sie hat beobachtet, dass bestimmte Rassen gehäuft mit denselben Beschwerden oder Erkrankungsbildern in die Therapie kommen, wie bereits erwähnt: Ellbogendysplasie, Hüftdysplasie, Arthrose oder Spondylose.
Besonders Labrador Retriever mit HD (Hüftdysplasie) und Bulldoggen aller Größen, wie Französische Bulldoggen und Old English Bulldoggen, sowie Hunde mit kurzen Beinen und langen Rücken (Dackel, Shih Tzu) leiden häufig unter Rückenbeschwerden oder haben oft Bandscheibenvorfälle. Marie empfiehlt Hundebesitzern, nicht erst zum Osteopathen zu gehen, wenn der Hund bereits Beschwerden hat.
“Sinnvoll ist es, mit seinem Hund auch vorbeizukommen, wenn er langsam in das fortgeschrittene Alter kommt. Lieber vorbeugen als Schaden beheben.”
Die Akzeptanz der Osteopathie unter Tierärzten nimmt weiter zu. Viele Tierärzte bieten diese Behandlungsmethode bereits an. Marie Schlesinger sagt: “Osteopathie und Physiotherapie finden immer mehr Anklang bei Tierärzten. Immer häufiger arbeiten Tierärzte auch aktiv mit uns Therapeuten zusammen. Schön ist es, wenn man den Tierarzt kennt, das erleichtert die Zusammenarbeit und schafft Vertrauen auf beiden Seiten.”
Kosten der Osteopathie für Hunde
Eine Erstbehandlung kostet zwischen 50 und 80 Euro, Folgebehandlungen liegen bei 30 bis 60 Euro. Die Kosten können je nach Standort des Therapeuten variieren. Wenn der Therapeut auch Tierarzt ist, erfolgt die Abrechnung nach der Tierärztlichen Gebührenverordnung.
Der Beruf des osteopathischen Hundetherapeuten ist in Deutschland noch nicht anerkannt. “Jeder, der Interesse an diesem Gebiet hat, kann die Ausbildung ergreifen. Streng genommen ist nicht einmal eine Ausbildung erforderlich”, sagt Marie Schlesinger, die ursprünglich als Krankenschwester gearbeitet hat. Es gibt verschiedene Schulen, die Ausbildungen anbieten, häufig auch ohne Vorkenntnisse in der Tiermedizin oder Medizin. Die Ausbildung umfasst Wochenendkurse und Kurse mit Wochenblöcken.
“Es wird jedoch empfohlen, trotzdem bereits Fachkenntnisse mitzubringen, beispielsweise als Humanphysiotherapeut/in oder Tiermedizinische Fachangestellte.”
Einige Schulen bauen in der Osteopathie auf Kenntnissen aus der tierphysiotherapeutischen Ausbildung auf. Marie Schlesinger sagt: “Es ist ein toller Beruf, in dem jedoch ohne das richtige Wissen auch schnell viel falsch gemacht werden kann.”
Woher stammt der Begriff Osteopathie?
Der amerikanische Arzt Andrew Taylor Still entwickelte im 19. Jahrhundert die Osteopathie. Wie Marie Schlesinger erklärt, sind dabei die Hände des Therapeuten das wichtigste Werkzeug. Der Begriff “Osteo” leitet sich vom altgriechischen Wort für Knochen ab, “Pathie” bedeutet Leiden. Die Prinzipien der Osteopathie, ob bei Menschen oder bei Hunden, zielen darauf ab, die Selbstheilungskräfte des Körpers zu aktivieren. Der Fokus liegt auf der Verbindung von Körperstrukturen und ihren Funktionen sowie dem freien Fluss von Blut und Lymphe für eine gute Funktion von Zellen und Gewebe.
Eine wichtige Rolle spielen dabei die Faszien, das Gewebegeflecht, das Muskeln und Organe umhüllt und das Bindeglied zwischen den Zellen darstellt.