Paarpsychologie: Wann entscheidet man sich, den Partner zu verlassen?

Paarpsychologie: Wann entscheidet man sich, den Partner zu verlassen?

Sommerurlaub und Weihnachten – genau zu diesen Zeiten häufen sich die Trennungen von Paaren. Der renommierte Therapeut Wolfgang Krüger aus Berlin berichtet, dass sich nach dem Sommerurlaub ein Drittel aller Paare trennt, ein weiteres Drittel nach den Weihnachtsfeiertagen im Dezember und der Rest über das restliche Jahr verteilt.

Paare ohne eine solide Basis schaffen es zwar noch durch den Alltag, aber die erzwungene Nähe im Urlaub wird für sie unerträglich. Laut Krüger könnte die Trennung in den meisten Fällen vermieden werden, doch sie wird oft zur unvermeidlichen Katastrophe.

Die Entscheidung, sich zu trennen, fällt unzufriedenen Paaren nicht leicht. Im Durchschnitt dauert es drei Jahre, bis ein unglücklicher Partner den Mut dazu findet. Der konkrete Auslöser mag individuell unterschiedlich sein, aber meist liegt der Hauptgrund für die Trennung in einem kompletten Verlust von Nähe. Frauen spüren dies eher als Männer und ziehen häufiger die Konsequenzen.

Laut Krüger haben fast die Hälfte aller Menschen gelegentlich den Gedanken, sich vom Partner zu trennen. Das sei durchaus normal, denn die Entscheidung für den Partner werde während der Beziehung immer wieder aufs Neue getroffen. Jeder frage sich in unterschiedlichen Abständen, wie es um die Partnerschaft stehe. Doch selbst wenn das Fazit häufig negativ ausfällt, bedeutet dies nicht zwangsläufig das Ende der Beziehung. Ob und wann man sich trennt, hängt von vielen Faktoren ab – und einige davon liegen gar nicht in der Partnerschaft selbst.

Interessanterweise spiegelt der Rückgang der Scheidungszahlen in den letzten Jahren nicht unbedingt eine Verbesserung der Beziehungsqualität wider. Vielmehr ist er eine Folge der globalen Finanzkrise. Beziehungen, egal ob glücklich oder unglücklich, werden in Zeiten gesellschaftlicher Krisen stabiler. In unsicheren Zeiten werden Menschen nicht nur pragmatischer, sondern auch risikoscheuer. Ihr Bedürfnis nach Sicherheit und Geborgenheit nimmt zu. Wirtschaftliche Krisen stabilisieren Beziehungen vorerst, während Zeiten des wirtschaftlichen Aufschwungs, wie in der Zeit der Studentenbewegung, zu einem Anstieg der Scheidungszahlen führen.

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Die Entscheidung, sich zu trennen, hängt auch mit dem allgemeinen Wohlbefinden einer Person zusammen. Eine Studie mit 2600 Schweizer Paaren zeigte, dass Menschen, die sich allgemein wohlfühlen, eher dazu neigen, sich zu trennen. Menschen, die sich in ihrer Beziehung unglücklich fühlen, aber körperlich und psychisch gesund sind, soziale Kontakte haben und finanziell unabhängig sind, wagen eher den Schritt ins Singleleben.

In den letzten 50 Jahren hat sich die Anzahl der Scheidungen vervierfacht, was hauptsächlich auf das gesteigerte Wohlbefinden der Frauen zurückzuführen ist. 52 Prozent aller Scheidungsanträge wurden letztes Jahr von Frauen eingereicht. Dabei wird ihnen die Trennung heute vor allem dadurch erleichtert, dass sie zunehmend berufstätig und finanziell unabhängig sind. Außerdem ist die Scheidung mittlerweile gesellschaftliche Realität, und Geschiedene haben mehr Möglichkeiten, einen neuen Partner zu finden.

Die Bedürfnisse und Erwartungen von Männern und Frauen in Beziehungen sind oft sehr unterschiedlich. Männer wollen im Allgemeinen Anerkennung, Versorgung und Erotik, und sie wollen einfach in Ruhe gelassen werden. Frauen haben hingegen höhere Ansprüche. Sie kümmern sich in der Regel mehr um das Wohl ihres Partners und suchen eine emotionale und praktische Partnerschaft, in der Geben und Nehmen im Gleichgewicht sind.

Die Kommunikation spielt eine wichtige Rolle in Beziehungen. Für Frauen ist es wichtig, dass ihre Partner mehr sprechen, während Männer oft den Wunsch nach Ruhe haben. Oft beginnt das Entfremden zwischen Partnern in den Gesprächen und setzt sich beim Küssen fort. Der Zustand der Beziehung wird bedenklich, wenn auch der Sex nachlässt. Mangelnder Sex macht zwar auf Konflikte aufmerksam, ist aber nicht die Ursache, sondern die Folge von Beziehungsproblemen.

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Auch andere Belastungen wie Arbeitslosigkeit oder chronische Krankheiten sind selten der wahre Grund für eine Trennung. Sie zeigen vielmehr, dass das Fundament der Beziehung nicht ausreicht, um diese Probleme gemeinsam zu bewältigen. Schon vor einer Krise wurden wichtige Bedürfnisse nicht erfüllt. Oft fehlt den Partnern das Gefühl des Zusammenhalts und eine Vision, wie es nach der Krise weitergehen könnte. Das Zusammengehörigkeitsgefühl ist ein wichtiger Schutz in Beziehungen.

Trennungen sind selten spontane Entscheidungen. Vorher gibt es viele kleine Anzeichen im Alltag, die darauf hinweisen, dass etwas nicht stimmt. Doch all dies könnte vermieden werden, wenn es selbstverständlicher wäre, über Liebe zu sprechen und zu lernen, wie Beziehungen funktionieren. Beziehungen benötigen viel Aufmerksamkeit und Pflege. Wenn Paare dies auch nach der ersten Verliebtheit beherzigen würden, wären die Praxen von Therapeuten wie Wolfgang Krüger nach den Sommerferien wahrscheinlich etwas leerer.