Die Ölpalme hat seit langem einen schlechten Ruf. Ihr Anbau wird für die Abholzung des Regenwaldes verantwortlich gemacht, bedroht den Lebensraum der Orang-Utans und trägt zum Klimawandel bei. Der Aufdruck “ohne Palmöl” auf Verpackungen gilt als Qualitätsmerkmal. Das Fett, das Palmöl ersetzt, scheint dabei keine Rolle zu spielen. Oft handelt es sich um Kokosfett, das ähnliche Eigenschaften hat und an weiße Sandstrände erinnert. Aber hat die Palme mit den orangefarbenen Früchten und dem weißen Kern wirklich ihren schlechten Ruf verdient?
In den letzten 20 Jahren hat sich die Anbaufläche für Palmöl mehr als verdoppelt. Mittlerweile werden Ölpalmen auf 23 Millionen Hektar angebaut – eine Fläche, die etwa zwei Drittel Deutschlands entspricht. Etwa die Hälfte dieser neuen Fläche befand sich zuvor im Regenwald. Die Abholzung hat zur Dezimierung der Artenvielfalt geführt. Während auf einem Hektar Regenwald mehr als 470 Baumarten wachsen, werden Palmölplantagen als Monokulturen angelegt. Seltene Tierarten wie Orang-Utans oder Sumatra-Nashörner sind dadurch vom Aussterben bedroht. Zudem werden bei der Rodung eines Hektars Regenwald etwa 170 Tonnen Kohlendioxid freigesetzt – das entspricht dem CO2-Ausstoß von 43 Flügen von München nach New York.
Der Palmölanbau führt auch in Indonesien und Malaysia, die 85 Prozent der weltweiten Palmölproduktion ausmachen, zu sozialen Problemen. Viele Kleinbauern bewirtschaften ihre Felder seit Generationen, haben aber keine Landrechte. Das erleichtert es den großen Palmöl-Unternehmen, die Bauern mit Genehmigungen der Regierung zu verdrängen. Einige Bevölkerungsgruppen haben durch die Abholzung des Regenwaldes auch ihre Jagd- oder Anbaugründe verloren.
Aber ist ein Verbot von Palmöl die Lösung? Laut Matin Qaim, Professor für Agrarökonomie an der Universität Göttingen, liegt das eigentliche Problem nicht bei der Ölpalme selbst. Das eigentliche Problem sei, dass die weltweite Nachfrage nach Nahrung und Biomasse steigt und die Flächen begrenzt sind. Würde man Palmöl verbieten, müsste die Nachfrage durch andere Pflanzenöle gedeckt werden. Ölpalmen sind jedoch dreimal so ertragreich wie Soja, Raps oder Sonnenblumen. Ein Wechsel zu Alternativen würde nach einer Studie des WWF dazu führen, dass allein für den deutschen Bedarf 640.000 Hektar tropische Ökosysteme verloren gehen würden. Diese Rodungen würden 309 Millionen Tonnen Treibhausgasemissionen verursachen, was einem Drittel der jährlichen Emissionen in Deutschland entspricht.
Obwohl der Palmölanbau soziale und ökologische Probleme verursacht hat, hat er in den Anbauländern auch positive Veränderungen bewirkt. Viele Kleinbauern haben durch den Anbau von Ölpalmen höhere Einkommen erzielt als mit anderen Pflanzen wie Gummibäumen oder Reis. In den letzten 20 Jahren konnte Indonesien seine Armutsrate von 20 auf 10 Prozent senken, wovon laut einer australischen Studie die Hälfte auf den Ölpalmenanbau zurückzuführen ist.
Statt Palmöl zu verbieten, wäre es sinnvoller, den Anbau nachhaltiger und sozial gerechter zu gestalten. Es wäre wichtig, auf Flächen anzubauen, die bereits bewirtschaftet werden, anstatt zusätzlichen Wald zu roden, so Qaim. Außerdem sollten die Erträge gesteigert werden. Pro Hektar werden etwa drei Tonnen Palmöl produziert, aber bis zu acht Tonnen wären möglich. Dies könnte durch den Einsatz von organischen Düngemitteln und verbessertem Pflanzenmaterial erreicht werden. Durch die Flächenknappheit werden Ölpalmen zunehmend in ungünstigen Klimazonen angebaut, was die Produktivität senkt. Eine Lösung wären resistentere Ölpalmensorten.
Um den Palmölanbau umweltfreundlicher zu gestalten, müssten auch Kleinbauern sichere Landrechte erhalten. Dadurch könnten sie leichter Kredite erhalten und in bessere Technologien investieren. Gleichzeitig könnten die Wälder geschützt werden. Es braucht jedoch nicht nur Ertragssteigerungen, sondern auch ein Waldschutzprogramm mit Sanktionen, damit Landwirte keinen Anreiz haben, ihre Anbauflächen in den Regenwald auszuweiten.
Eine vielversprechende Alternative zu Palmöl ist die Acrocomia-Palme aus Südamerika. Sie liefert vergleichbare Erträge und wächst nicht nur in feucht-tropischem Klima, sondern auch in trockeneren Gebieten. Die Acrocomia könnte auf großen Savannenflächen in Brasilien angebaut werden, die derzeit als Viehweiden genutzt werden. Da die Acrocomia lichtdurchlässiger ist als die Ölpalme, könnte sie zusammen mit anderen Pflanzen angebaut werden. Dadurch könnten sich Kleinbauern gleichzeitig selbst versorgen. Im Gegensatz zur Ölpalme muss die Acrocomia nicht nach 25 Jahren gerodet werden, sondern kann 40 bis 50 Jahre lang Erträge liefern.
Die Nutzung von Palmöl wird durch Zertifikate wie das “Roundtable on Sustainable Palm Oil” (RSPO) reguliert, das 2004 vom WWF ins Leben gerufen wurde. RSPO-Mitglieder verpflichten sich unter anderem dazu, keine Primärwälder abzuholzen oder Plantagen auf kohlenstoffreichen Flächen anzulegen. Ein Fünftel der weltweiten Palmölflächen ist mittlerweile RSPO-zertifiziert.
Trotzdem wird das RSPO-Label oft kritisiert. Es wird als zu schwach angesehen, um die Abholzung des Regenwaldes zu verhindern. Die Kontrollen müssen verbessert werden. Laut RSPO werden die Standards jährlich von akkreditierten, unabhängigen Prüfern überprüft, und alle fünf Jahre wird eine neue Zertifizierung vergeben.
Um die ökologischen und sozialen Probleme zu lösen, müssen nicht nur in den Anbauländern Veränderungen stattfinden, sondern auch auf der Nachfrageseite. Obwohl mittlerweile 83 Prozent des in Deutschland verwendeten Palmöls aus zertifiziertem Anbau stammen, wird rund die Hälfte des importierten Palmöls für Biokraftstoffe verwendet. Diese Rechnung geht jedoch nicht auf, wenn durch die Abholzung des Regenwaldes große Mengen Kohlenstoffdioxid freigesetzt wurden. Eine kurzfristige Lösung wäre, herkömmlichen Dieselkraftstoff zu verwenden, während langfristig auf Elektromobilität und möglicherweise andere klimaneutrale Energiequellen umgestellt werden sollte.
Die Zerstörung des Regenwaldes ist nicht nur auf Palmöl zurückzuführen. Die EU ist laut einem Bericht des WWF für 16 Prozent der globalen Regenwaldzerstörung verantwortlich. Daher fordert der WWF von der EU ein Lieferkettengesetz, das den Schutz von Naturräumen sicherstellt.
Auch Verbraucher können helfen, den Regenwald zu schützen. Vorschläge des WWF sind unter anderem weniger Autofahren, weniger Fleischkonsum, Verwendung frischer und regionaler Lebensmittel in Bioqualität. Etwa zehn Prozent des in Deutschland verwendeten Palmöls landen in Futtermitteln, von denen nur ein Viertel nachhaltig zertifiziert ist. Durch den Anbau von Pflanzen für den Direktverzehr anstelle von Soja könnten große Flächen für die Tierfütterung eingespart werden. Es geht also nicht nur um einzelne Produkte, sondern um den gesamten Konsumstil. Den Kauf eines Schokoaufstrichs mit Sonnenblumenöl anstelle von Palmöl zu bevorzugen, beruhigt in erster Linie das Gewissen – dem Regenwald hilft es jedoch nicht.