Was genau ist ein Pflichtverteidiger und wer trägt die Kosten dafür? In diesem Artikel erfahren Sie alles, was Sie darüber wissen müssen.
Ein Pflichtverteidiger ist ein Rechtsanwalt, der im Rahmen eines Strafverfahrens vom Gericht beigeordnet wird. Diese Beauftragung erfolgt entweder auf Antrag oder von Amts wegen. Es soll sichergestellt werden, dass die Rechte des Beschuldigten während des Verfahrens gewahrt werden.
Wann wird ein Pflichtverteidiger bestellt?
Die Bestellung eines Pflichtverteidigers erfolgt vor allem in den Fällen einer “notwendigen Verteidigung”, wie sie in § 140 StPO aufgelistet sind.
Welche Fälle erfordern eine Pflichtverteidigung?
Gemäß § 140 Abs. 1 StPO sind einige Situationen von einer Pflichtverteidigung betroffen:
- Die Hauptverhandlung findet in erster Instanz vor dem Oberlandesgericht oder dem Landgericht statt.
- Dem Beschuldigten wird ein Verbrechen zur Last gelegt.
- Das Verfahren kann zu einem Berufsverbot führen.
- Gegen den Beschuldigten wird Untersuchungshaft oder eine einstweilige Unterbringung vollstreckt.
- Der Beschuldigte war mindestens drei Monate inhaftiert und wird nicht rechtzeitig vor Beginn der Hauptverhandlung entlassen.
- Die Unterbringung des Beschuldigten in der Psychiatrie zur Begutachtung seines psychischen Zustands ist erforderlich.
- Ein Sicherungsverfahren wird durchgeführt.
- Der bisherige Verteidiger darf aufgrund einer Entscheidung nicht mehr an dem Verfahren teilnehmen.
- Dem Opfer wird auf Antrag ein Rechtsanwalt als Nebenkläger beigeordnet.
Was ist ein Verbrechen?
Ein Verbrechen wird definiert als Straftat, die eine Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr vorsieht. Dies gilt für schwere Delikte wie Mord, Totschlag, Raub und Meineid. Straftaten wie Diebstahl, Betrug oder Körperverletzung gelten als Vergehen und haben keine Mindestfreiheitsstrafe.
Wann findet eine Hauptverhandlung vor dem Landgericht statt?
Eine Hauptverhandlung in erster Instanz vor dem Landgericht findet statt, wenn der Tatbestand im Katalog des § 74 Abs. 2 GVG aufgeführt ist. Darunter fallen Mord, Totschlag, sexueller Missbrauch mit Todesfolge, Körperverletzung mit Todesfolge, Nachstellen mit Todesfolge und Raub mit Todesfolge.
Wann wird ein Pflichtverteidiger bestellt?
Der Vorsitzende des Strafgerichts kann gemäß § 140 Abs. 2 StPO auch in “anderen Fällen” einen Pflichtverteidiger bestellen, wenn der Beschuldigte keinen eigenen Anwalt hat. Dies ist zum Beispiel dann der Fall, wenn die Schwere der Tat oder die Komplexität des Falls die Mitwirkung eines Verteidigers erfordert oder wenn offensichtlich ist, dass der Beschuldigte sich nicht selbst verteidigen kann.
Wer bezahlt den Pflichtverteidiger?
Der Beschuldigte muss den Pflichtverteidiger nicht selbst bezahlen, da er ihn nicht beauftragt hat. Der Pflichtverteidiger erhält seine Vergütung aus der Staatskasse. Dies hat den Vorteil, dass der Beschuldigte vorerst keine Kosten tragen muss. Wenn er jedoch rechtskräftig verurteilt wird, kann das Gericht ihm die Kosten des Verfahrens auferlegen, die er dann an die Staatskasse zurückerstatten muss.
Fazit
In einem Strafverfahren kann es schnell dazu kommen, dass einem Beschuldigten ein Pflichtverteidiger bestellt wird. Vor allem in den genannten Fällen sollte der Beschuldigte gut überlegen, ob er das Verfahren ohne Verteidiger durchführt. Eine Strafverteidigung ist nicht einfach, da der Beschuldigte nicht automatisch Zugang zu seiner Strafakte erhält und möglicherweise nicht alle zugunsten des Beschuldigten sprechenden Umstände berücksichtigt werden. Es besteht immer die Gefahr einer ungerechtfertigten Verurteilung oder einer überhöhten Strafe. Daher ist es ratsam, sich frühzeitig mit einem erfahrenen Strafverteidiger zu beraten.
Autor: Harald Büring, Ass. jur.