Da die EU Einwegplastik seit dem 3. Juli 2021 verbietet, habe ich mich gefragt, ob ein Leben ohne Plastik überhaupt möglich ist. Ich wollte nicht nur auf Einwegplastik wie Strohhalme und Mülltüten verzichten, sondern auch so viele andere Kunststoffprodukte wie möglich ausschließen.
Jedoch wurde mir bereits bei der ersten Bestandsaufnahme in meinem Haushalt klar: Plastik ist überall! Ein Leben ohne dieses Material ist eigentlich unmöglich. Es steckt in so vielen alltäglichen Gegenständen wie Computern, Kreditkarten, Kameras, Kleidung und Möbeln. Selbst Taschentücher, Küchentücher und oft auch Papier enthalten Plastik.
Auch Läden, die unverpackte Lebensmittel anbieten, können bei der Lieferung und Lagerung nicht komplett auf Plastik verzichten. Denn das Material hält die Lebensmittel frisch und trocken. Zwar sparen sie viel Plastik ein, indem sie auf kleinteilige Verpackungen verzichten, aber ganz ohne Plastik geht es auch hier nicht.
Dennoch gibt es viele Bereiche, in denen Plastik ersetzt werden kann, wie im Badezimmer und beim Lebensmittelkauf. Ich habe Obst und Gemüse nur noch lose gekauft, Milch und Säfte in Glasflaschen und Zahnpasta als Tabletten. Duschgel und Shampoo verwende ich als Seifenstücke. Plastiktüten verwende ich beim Einkaufen schon lange nicht mehr. Mein Mittagessen bereite ich meist am Vorabend zu und nehme es in einer Edelstahldose mit zur Arbeit. Wie ich meinen Haushalt auf “plastikfrei” umgestellt habe, habe ich ausführlich berichtet.
Plastikkonsum hinterfragen
Nach vier Wochen kann ich sagen: Es macht absolut Sinn, den eigenen Plastikkonsum zu hinterfragen und über Alternativen nachzudenken. Es fühlt sich richtig an, das Mittagessen aus der Edelstahldose zu essen, während sich vor meinen Kollegen die Plastikbehälter stapeln. Es ist sinnvoll, am Imbiss die Plastikgabel abzulehnen, wenn im Büro bereits Besteck vorhanden ist.
Viele Plastikprodukte brauchen wir gar nicht. Latte Macchiato, Limonade und Cocktails schmecken genauso gut ohne Strohhalm. Ein Jutebeutel ist beim Einkaufen mindestens genauso praktisch wie eine Plastiktüte. Ein Stück Seife reinigt genauso gut wie ein Duschgel aus der Plastiktube.
Plastik hat aber durchaus Vorteile
Kunststoff generell zu verteufeln ist allerdings auch nicht richtig. Denn das Material hat durchaus Vorteile und nicht jede vermeintlich bessere Alternative ist auch tatsächlich besser. Ein Beispiel dafür ist Glas. Zu Beginn meiner Challenge habe ich Glasflaschen anstelle von Plastikflaschen und Tetrapaks verwendet, um Lebensmittel abzufüllen und aufzubewahren.
Allerdings lassen sich Glasflaschen bei weitem nicht so platzsparend transportieren wie Tetrapaks und sind zudem viel schwerer. Um die gleiche Menge an Getränken in Glasflaschen zu transportieren, werden also wesentlich mehr Lkws benötigt.
Jedes Material hat seine Vor- und Nachteile – auch Plastik. Dies bestätigt der Hamburger Chemiker und Verfahrenstechniker Michael Braungart. Plastik ist nicht nur leicht, hygienisch und kann verschiedene Formen annehmen, es ist auch sicherer im Umgang als Glas. Braungart erzählt von einem fünfjährigen Mädchen, das sich an einer gebrochenen Glasflasche den Hals aufgeschnitten hat. Allein in Hamburg verletzen sich jedes Jahr mehr als 30 Kinder schwer an Glas.
In bestimmten Bereichen ergibt Plastik also durchaus Sinn. Sei es in Kindergärten und Schulen, um das Verletzungsrisiko zu minimieren, im medizinischen Bereich, wo Einweghandschuhe für die nötige Hygiene sorgen, oder im Sicherheitsbereich, wo leichte und sichere Kunststoffprotektoren verwendet werden. Malte Biss, Journalist und Umweltschützer, hat ein Siegel entwickelt, das plastikfreie Produkte für Verbraucher kennzeichnet. Auch er plädiert dafür, Plastik nur dort zu ersetzen, wo es ökologisch und analytisch sinnvoll ist.
Wie sieht es nach meiner Challenge aus?
Ich muss zugeben: Ich freue mich darauf, mir wieder meine Schoko-Cornflakes im Supermarkt nebenan zu kaufen. Und sonntags, wenn ich zu faul bin, zum Bäcker zu gehen, einfach auf abgepackte Aufbackbrötchen zurückzugreifen. Plastik wird nicht vollständig aus meinem Alltag verschwinden. Aber ich werde nicht blind nach jedem Strohhalm, jeder Plastikgabel und jeder Plastiktüte greifen, die mir angeboten wird, wenn ich gut und gerne darauf verzichten kann.
Umweltforscher Michael Braungart sieht vor allem die Hersteller in der Pflicht, bestimmte Kunststoffe gar nicht mehr anzubieten. Sein Credo lautet: “Wenn wir ein bisschen auf Müll verzichten, haben wir die Umwelt nicht geschützt, sondern nur weniger zerstört.”
Braungart fordert eine drastische Reduzierung der Anzahl von Kunststoffen. Aktuell gibt es eine Vielzahl verschiedener Kunststoffsorten auf dem Markt. Allein bei Polypropylen gibt es 900 Zusatzstoffe. Er würde gerne Verpackungen im Supermarkt aus einem einzigen Kunststoff herstellen und ein Pfand darauf erheben. Das würde den Recycling-Prozess vereinfachen. Der Kunde könnte die Verpackungen im Laden zurückgeben und der Hersteller könnte sie wiederverwerten. Bei PET-Flaschen funktioniert das bereits sehr gut.