Psychologie: Aggression ist kein Urtrieb des Menschen

Psychologie: Aggression ist kein Urtrieb des Menschen

Aggression war lange Zeit als natürlicher Trieb des Menschen angesehen worden, gemäß Sigmund Freud, dem Begründer der Psychoanalyse. Doch der Freiburger Psychiater Joachim Bauer widerlegt diese Annahme in seinem Buch “Schmerzgrenze”.

Aggression als Reaktion auf äußere Auslöser

Neurobiologische Forschungen haben gezeigt, dass das Gehirn ein Motivationssystem besitzt. Dabei werden Glücksbotenstoffe ausgeschüttet, wenn wir bestimmte Erfahrungen machen oder uns auf bestimmte Weise verhalten. Dies wird als “Trieb” bezeichnet. Es wurde jedoch festgestellt, dass keine Glücksbotenstoffe ausgeschüttet werden, wenn wir anderen Leid zufügen, ohne dass uns zuvor eine Provokation widerfahren ist. Dies widerlegt Freuds These.

Das Gefühl der Ausgrenzung und seine Auswirkungen

Die amerikanische Neuropsychologin Naomi Eisenberger hat herausgefunden, dass das Gehirn soziale Ausgrenzung, Demütigung oder Armut genauso empfindet wie körperliche Gewalt. Dies aktiviert die Teile des neuronalen Schmerzsystems, die normalerweise für die Wahrnehmung körperlicher Schmerzen zuständig sind. Deshalb reagieren wir nicht nur auf physischen Schmerz mit Aggression, sondern auch auf soziale Ablehnung.

Auch Charles Darwin erkannte diese Zusammenhänge. Aggression ist zwar ein biologisches Verhaltensprogramm, jedoch immer als Reaktion auf einen äußeren Auslöser.

Ursachen für Aggression in der Gesellschaft

Die Vermutung, dass Menschen in Armut automatisch aggressiv sind, ist ein Trugschluss. Vielmehr tritt Aggression vermehrt auf, wenn Wohlstand und Armut aufeinandertreffen. In solchen Fällen fühlen sich die Ärmeren ausgegrenzt. Untersuchungen zeigen, dass die Homizid-Rate, also die Anzahl der Tötungsdelikte pro 100.000 Einwohner, in Ländern mit großer Ungleichverteilung höher ist.

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Das menschliche Gehirn toleriert eine gewisse Ungleichheit, jedoch wird eine extreme Ungleichverteilung von Ressourcen als unfair angesehen. Diese extreme Armut im Angesicht von großem Reichtum wird als Ausgrenzung und Ungerechtigkeit empfunden und kann Aggression hervorrufen.

Die Bedeutung von sozialer Bindung und Zusammenhalt

Der Mensch hat sich im Laufe der Evolution zu einem sozialen Wesen entwickelt. Zusammenhalt und Intelligenz waren und sind die evolutionären Prinzipien des Menschen. Wenn jemand in der Vergangenheit, als Menschen in Gruppen lebten, ausgegrenzt wurde, war das nicht nur eine Demütigung, sondern oft gleichbedeutend mit einem Todesurteil.

Etwa ab dem Jahr 10.000 v. Chr. kam es zur Neolithischen Revolution, bei der die Menschen sesshaft wurden und sich auf Landwirtschaft und Viehzucht konzentrierten. Damit setzte auch ein zivilisatorischer Prozess ein und ein neues Moralsystem entstand als Reaktion auf die zunehmende Gewalt.

Die Eskalation von Verteilungskonflikten

Trotz dieser Erkenntnisse wird sich die weltweite Lage wohl nicht so schnell entspannen. Die Begrenzung globaler Ressourcen wird zu einer Zunahme von Verteilungskonflikten führen. Dies stellt eine Stresssituation dar, die in Zukunft noch weiter eskalieren wird. Die Frage der Gerechtigkeit wird immer dringlicher.

Man kann jedoch im kleinen Rahmen beginnen: Mobbing in Familien, Schulen und Arbeitsplätzen ist keine Seltenheit. Bauer betont die Bedeutung, solche Konflikte anzugehen. Wir sollten aufeinander zugehen, miteinander reden und den Sachverhalt klären. Wenn eine Trennung unumgänglich ist, beispielsweise im Arbeitsumfeld, sollte diese zügig und ohne soziale Ausgrenzung oder Demütigung erfolgen.

Ursachen in der Kindheit und mögliche Lösungen

In bestimmten Situationen kann sich Wut kontinuierlich aufstauen und sich irgendwann in unverständlichen Momenten gegen unbeteiligte Personen entladen. Dies wird als “verschobene Gewalt” bezeichnet. Auch in der Kindheit kann Ausgrenzung eine Rolle spielen, wenn ein Kind keine Bindungsperson hat, die ihm das Gefühl gibt, wichtig zu sein und Unterstützung zu bieten.

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Kinder, die keine tragfähigen Beziehungen zu ihren Eltern haben, leben in einem Zustand permanenter Ausgrenzung. Dies kann zu späteren aggressiven Verhaltensstörungen führen.

Dieses Wissen, unterstützt durch Erkenntnisse aus der Neurobiologie, kann dazu beitragen, neue Wege zur Bekämpfung von Gewalt zu finden. Es ist von großer Bedeutung, soziale Bindungen zu fördern und Menschen in schwierigen Situationen Unterstützung zu bieten.