Die Philipps-Universität Marburg bietet seit 2007 einen einzigartigen Studiengang für Quereinsteiger in der Theologie an. In diesem berufsbegleitenden Masterstudiengang Evangelische Theologie können Menschen mit fünf Jahren Berufserfahrung und einem ersten Hochschulabschluss, unabhängig von ihrem Fachgebiet, teilnehmen. Die Berufserfahrung kann gegebenenfalls durch Familienarbeit oder ehrenamtliche Tätigkeiten ersetzt werden. Eine Eignungsprüfung, bestehend aus einem Bibelkunde-Teil und einem Essay, muss ebenfalls erfolgreich absolviert werden. Die Studierenden treffen sich während der drei Studienjahre zu Präsenzwochen und Wochenenden in der Evangelischen Akademie Hofgeismar in Hessen. Es wird empfohlen, sich etwa 20 Stunden pro Woche für das Studium zu Hause einzuplanen. Der Studiengang vermittelt Grundkenntnisse in den alten Sprachen Hebräisch und Griechisch, jedoch sind keine weiterführenden Sprachnachweise erforderlich. Der Marburger Studiengang wurde bereits evaluiert und die meisten Absolventen sind äußerst zufrieden. Der nächstmögliche Einstieg ist im April 2019 (Bewerbungen: 2018).
Eine weitere Möglichkeit, Theologie berufsbegleitend an einer staatlichen Hochschule zu studieren, besteht seit dem Wintersemester 2013/14 an der Universität Heidelberg. Der Studiengang richtet sich ebenfalls an Menschen mit Berufserfahrung (hier: sieben Jahre) und einem abgeschlossenen Hochschulstudium. Im Gegensatz zu Marburg kann man in Heidelberg zu jedem Semesterbeginn starten und zwischen Teilzeit- und Vollzeitstudium wählen. Es gibt keine feste Gruppe wie in Marburg. Voraussetzungen für die Bewerbung sind das Hebraicum und Griechischkenntnisse sowie das Große Biblicum Altes und Neues Testament, wobei diese Qualifikationen auch während des Studiums nachgeholt werden können. Die Bewerber müssen nicht unbedingt evangelisch sein, die Mitgliedschaft in einer Kirche der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland (ACK) reicht aus.
“Defizite werden nach dem Vikariat ausgeglichen”
Absolventen dieser Masterstudiengänge können eine praktische Ausbildung für den Pfarrdienst, das sogenannte Vikariat, absolvieren. Allerdings ist dies nicht in allen Landeskirchen möglich. Bisher gibt es in Heidelberg nur zwei nebenberufliche Absolventen: Eine Absolventin macht ihr Vikariat in der Badischen Landeskirche, ein Absolvent ist Vikar in Bremen. In Kurhessen-Waldeck und Hessen-Nassau sind den “Masters” auf jeden Fall Pfarrstellen offen. Die Badische Landeskirche verlangt zusätzlich ein Kolloquium. In Bayern, Sachsen und Hannover wurden bereits Pfarrstellen besetzt, nachdem individuelle Verhandlungen stattfanden. Bisher zeigen die Nordkirche, die Württembergische und die Berliner Landeskirche sowie die Evangelische Kirche im Rheinland eine eher ablehnende oder abwartende Haltung.
Die Reaktionen der Landeskirchen auf die neuen Abschlüsse sind ein heiß diskutiertes Thema unter den Quereinsteigern. Es besteht eine gewisse Differenzierung zwischen den Gliedkirchen, wie auch Hildrun Keßler, Referentin für Hochschulwesen und theologisch-kirchliche Ausbildung in der EKD, feststellt. Einige Kirchen haben Bedenken, ob die Kandidaten, die berufsbegleitend studiert und dadurch komprimierten Stoff gelernt haben, wirklich das gleiche theologische Niveau erreicht haben wie die herkömmlichen Studierenden. In Bezug auf Marburg wird oft auf das fehlende Hebraicum und Graecum hingewiesen. Einige sprechen von einem “Theologiestudium light” oder sogar “Schmalspurtheologie”. Hildrun Keßler meint jedoch, dass etwaige Defizite in der Regel während des Vikariats ausgeglichen werden. Die Erfahrungen mit den Quereinsteigern seien in Kurhessen-Waldeck und Hessen-Nassau jedenfalls sehr positiv. Es sei wichtig, die berufliche Kompetenz aus dem ersten akademischen Abschluss und der Berufserfahrung zu berücksichtigen. Auch das Durchhaltevermögen in der Doppel- oder Dreifachbelastung verdient Anerkennung. “Ich ziehe meinen Hut vor allen, die diesen Weg gehen”, sagt Hildrun Keßler.
Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) hat, nach anfänglichem Zögern, den Wert der nebenberuflichen Pfarrerausbildung erkannt und präferiert das Modell von Marburg. In Zukunft sollen ähnliche Studiengänge auch an anderen Universitäten angeboten werden. Die evangelischen Fakultäten in Göttingen und Mainz sowie die Kirchliche Hochschule Wuppertal/Bethel denken bereits über nebenberufliche Studiengänge nach. Um eine Vergleichbarkeit zu gewährleisten, arbeitet derzeit eine Kommission aus Vertretern von Universitäten und Gliedkirchen an einer Rahmenordnung. Im Oktober 2016 wird der Evangelisch-theologische Fakultätentag darüber beraten und beschließen. Anschließend müssen die Landeskirchen zustimmen. Die Zeit drängt, denn die Quereinsteiger stehen in Marburg bereits Schlange: Für den Kurs, der im April 2016 begonnen hat, interessierten sich 150 Menschen, etwa 60 nahmen an der Eignungsprüfung teil und 30 wurden angenommen. Im Seminar in Hofgeismar ist einfach kein Platz für mehr.
Kosten im Überblick
Neben staatlichen Universitäten und Landeskirchen gibt es auch freikirchliche Ausbildungsstätten, die Bachelor- und Masterstudiengänge in Theologie anbieten. An der Biblisch-Theologischen Akademie Wiedenest, der Internationalen Hochschule Liebenzell, dem Bildungszentrum Elstal (Hochschule des Bundes Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden) und der Theologischen Hochschule Reutlingen (Evangelisch-methodistische Kirche) kann man berufsbegleitend Theologie studieren. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass diese Abschlüsse in der Regel nur in Freikirchen und Missionswerken anerkannt werden und von den evangelischen Landeskirchen nicht anerkannt werden. Das CVJM-Kolleg in Kassel bietet ebenfalls eine berufsbegleitende Ausbildung zum CVJM-Sekretär, Gemeindepädagogen, Jugendreferenten und Diakon an. Diese können auch im Dienst der Landeskirchen tätig sein, jedoch nicht als Pfarrer.
Wer sich für das nebenberufliche Theologiestudium entscheidet, sollte auch die finanziellen Belastungen bedenken. In Marburg betragen die Studiengebühren pro Semester 750 Euro, zuzüglich etwa 320 Euro Semesterbeitrag. Hinzu kommen noch Unterkunft und Verpflegung in Hofgeismar sowie Bücher. Insgesamt beträgt der Kostenrahmen für das gesamte Studium etwa 10.000 Euro. Die Universität Marburg gewährt unter bestimmten Voraussetzungen einen Sozialnachlass auf die Studiengebühren. Wer sich schon vorab für den Dienst in Kurhessen-Waldeck verpflichtet, kann ein Stipendium beantragen. In diesem Fall übernimmt die Landeskirche die Studiengebühren. In Heidelberg betragen die Studiengebühren für Quereinsteiger im Vollzeitstudium 850 Euro pro Semester und im Teilzeitstudium 425 Euro pro Semester. Auch hier kommen noch Kosten für Bücher und je nach Wohnort Miet- und Pendelkosten hinzu.
Sobald das Studium abgeschlossen ist, müssen diejenigen, die sich für eine zweite Karriere im Pfarramt entschieden haben, möglicherweise mit einem niedrigeren Lebensstandard rechnen, zumindest innerhalb der ersten zwei Jahre. Vikare erhalten, je nach Landeskirche, Grundbezüge von 1200 bis 1300 Euro pro Monat, zuzüglich Zulagen für Kinder und andere Zuschüsse wie beispielsweise zur Miete oder für den Talar. Pfarrer werden entsprechend des Gymnasiallehramts im jeweiligen Bundesland bezahlt und verdienen in der Eingangsbesoldungsgruppe A 13 rund 3500 Euro brutto in Rheinland-Pfalz oder Mecklenburg-Vorpommern und rund 3900 Euro in Bayern, Hessen, Hamburg, Bremen oder Nordrhein-Westfalen. In mehr als der Hälfte der Gliedkirchen steigt das Gehalt nach längerer Dienstzeit auf A 14 an.