Die erste Sitzung des Berliner Abgeordnetenhauses im Oktober war ein ganz besonderer Tag für neue Abgeordnete. Für mich, der das bereits öfter erleben durfte, verlief alles technisch reibungslos und das Parlament präsentierte sich würdevoll. Die Alterspräsidentin Bruni Wildenhein-Lauterbach hielt eine beeindruckende Rede und die Wahl des Präsidiums verlief problemlos. Ich bin mit dem Auftakt sehr zufrieden.
Kein Affront gegen die Geschäftsordnung
Die AfD hat gegen die Geschäftsordnung gestimmt, aber das ist kein Affront aus meiner Sicht. Bereits vor fünf Jahren gab es eine Debatte über die Geschäftsordnung, bei der die Piraten nicht einverstanden waren. Diesmal haben CDU und Grüne Änderungsanträge gestellt, die in den betreffenden Ausschuss überwiesen wurden. Die AfD wollte einen Passus ergänzen, der jedoch keine Mehrheit fand. Danach lehnte sie die Geschäftsordnung komplett ab. Obwohl dies ungewöhnlich ist, da die Geschäftsordnung die Grundlage unserer Arbeit für die kommenden fünf Jahre bildet, geht die Welt nicht unter.
Unterschiede zwischen NPD und AfD
Die Entscheidung über den Umgang mit der AfD liegt bei den einzelnen Fraktionen im Parlament. Als Präsident des Abgeordnetenhauses bin ich für den reibungslosen Ablauf der Sitzungen verantwortlich und dafür, dass allen Abgeordneten ihre gesetzlichen Rechte gewährt werden. Meine bisherigen Eindrücke zeigen, dass die anderen Fraktionen zunächst abwarten, wie sich die AfD-Abgeordneten in den Parlamentsalltag einbringen, bevor sie darüber entscheiden, wie sie mit ihnen und ihrer Arbeit umgehen wollen. Es ist klar, dass es meist deutliche Unterschiede zwischen NPD und AfD gibt und wir keine Entscheidungen auf Kosten der AfD getroffen haben.
Mehr Fraktionen – mehr Arbeit?
Mit 160 Abgeordneten in sechs Fraktionen ist das aktuelle Abgeordnetenhaus deutlich größer als zuvor. Wir haben das Parlament bereits verkleinert und in der Vergangenheit hatten wir sogar noch mehr Abgeordnete. Der Anstieg der Abgeordnetenzahl hängt hauptsächlich mit Überhang- und Ausgleichsmandaten zusammen. In der letzten Legislaturperiode hatten wir uns auf bestimmte Zeitkontingente für die Redebeiträge der Abgeordneten verständigt. Mit sechs Fraktionen funktioniert das nicht mehr. Daher werden die Parlamentssitzungen ab sofort um zehn Uhr beginnen, um jedem Fraktionsmitglied 60 Minuten Redezeit pro Sitzungstag zu ermöglichen. Es wird definitiv mehr Arbeit geben, insbesondere für den Senat. 160 Abgeordnete werden mehr schriftliche Anfragen stellen als 149. Diese müssen alle angemessen beantwortet werden. Auch die Räume mussten neu aufgeteilt werden, aber wir haben gemeinsam mit der Verwaltung Lösungen gefunden, die für alle zufriedenstellend sind.
Vertrauen in die Politik stärken
Die Abgeordnetenhauswahl hat gezeigt, dass viele Berlinerinnen und Berliner das Vertrauen in die Politik verloren haben. Mein Ziel ist es, die politische Bildungsarbeit zu stärken. Das Berliner Abgeordnetenhaus ist sehr offen, insbesondere für junge Menschen. Wir stellen unsere Arbeit auf vielfältige Weise vor und ermöglichen Jugendlichen Gespräche mit Parlamentariern. Aber das ist nicht genug. Deshalb schlage ich ein neues Veranstaltungsformat vor, bei dem das Abgeordnetenhaus außerhalb der Wahlkampfzeiten an Schulen geht und erklärt, wo die Vorzüge einer parlamentarischen Demokratie liegen. Jede Investition in die politische Bildungsarbeit junger Menschen zahlt sich langfristig positiv aus. Das haben wir bereits vor der Wahl mit dem Projekt “It’s your choice” ausprobiert, bei dem Abgeordnete aller Fraktionen an 13 Schulen waren und mit Schülerinnen und Schülern über verschiedene Themen diskutierten. Das war ein großer Erfolg, den ich gerne fortsetzen und erweitern würde.
Spaltung zwischen Stadtzentrum und Randbereichen
Die Wahlergebnisse und die Wahlbeteiligung haben auch eine Spaltung zwischen den Innenstadt- und den Randbereichen Berlins aufgezeigt. Ich sehe vor allem die Abgeordneten und Parteien in der Pflicht, sich stärker für ihren jeweiligen Wahlkreis zu engagieren. Ich rate den Parteien dringend, die Wahl zu analysieren und Schlussfolgerungen für die zukünftige Arbeit zu ziehen. Als Präsident des Abgeordnetenhauses sind meine Möglichkeiten in diesem Bereich begrenzt. Ich kann den Tag der offenen Tür nicht einfach nach Marzahn-Hellersdorf verlegen. Natürlich werde ich weiterhin das Abgeordnetenhaus bei Terminen in der gesamten Stadt vertreten, egal ob in Mitte oder in Spandau.
Verbesserungen in der Amtsführung
Es ist immer Raum für Verbesserungen. Wir tun bereits eine Menge, aber das wird leider nicht immer wahrgenommen. In einem Stadtstaat wie Berlin liegt der Fokus der Medien stark auf der Regierung. Wenn der Senat einen Tag der offenen Tür veranstaltet, wird darüber ausführlich berichtet. Wenn das Abgeordnetenhaus dasselbe tut, interessiert es die Journalisten kaum. Hinzu kommen die zahlreichen Aktivitäten des Bundestags und der Bundesregierung. Ich möchte mich nicht beschweren, denn das gehört zur Wahrheit dazu. Wir sind ein offenes Haus, in dem Veranstaltungen stattfinden und wir uns um die Wählerinnen und Wähler kümmern – mehr können wir als Abgeordnetenhausverwaltung kaum tun. Allerdings sollten sich die Parteien überlegen, ob sie genug Zeit dafür aufwenden, mit den Menschen zu sprechen. Der Zeitaufwand für innerparteiliche Diskussionen ist bereits sehr groß. Das ist keine Frage der Geschäftsordnung, sondern eine Frage der Prioritäten.