Skurrile Wahrnehmungsstörung: Manche Menschen riechen Gerüche, die gar nicht vorhanden sind. Wie sich jetzt zeigt, kommen solche Phantomgerüche häufiger vor als bisher gedacht. Bei den ab 40-Jährigen leidet jeder 15. Mensch unter einer solchen Riechstörung, bei Frauen zwischen 40 und 60 Jahren ist es sogar jede zehnte, wie eine US-Studie enthüllt. Was diese olfaktorischen Halluzinationen auslöst, ist bisher jedoch nur in Teilen bekannt.
Stellen Sie sich vor, Sie riechen den üblen Geruch von verbrannten Haaren, Kot oder altem Zigarettenrauch – aber kein anderer nimmt sie wahr. Denn die von ihnen so eindeutig und unangenehm gerochenen Düfte sind gar nicht vorhanden. Sie sind eine olfaktorische Halluzination, ein Sinneseindruck, der nur in Ihrem Kopf existiert. Mediziner bezeichnen diese Riechstörung als Phantosmie oder Phantomgeruch.
Ursachen rätselhaft
Doch wie diese Riechstörung entsteht und wie viele Menschen unter ihr leiden, ist bisher nur in Teilen bekannt. “Die Ursachen sind bisher nicht verstanden. Diese Störung könnte mit überaktiven Riechzellen in der Nase zusammenhängen, aber auch mit einer Fehlfunktion in den Teil des Gehirns, der Duftsignale verarbeitet”, erklärt Kathleen Bainbridge von den US-National Institutes of Health in Maryland und ihre Kollegen. Klar scheint nur, dass solche Phantomgerüche vor allem bei älteren Menschen auftreten.
Um mehr Klarheit zu schaffen, haben Bainbridge und ihr Team nun die Daten von 7.417 Frauen und Männern im Alter von 40 Jahren und höher ausgewertet, die von 2011 bis 2014 an einer nationalen Gesundheitsstudie teilgenommen hatten. Indem sie auch Informationen über die Lebensumstände, den Gesundheitszustand und mögliche Risikofaktoren wie Rauchen, Alkoholgenuss oder Kopfverletzungen mit einbezogen, hofften sie, auch mehr über die Auslöser der Phantosmie zu erfahren.
Besonders häufig bei Frauen im mittleren Alter
Das Ergebnis: Insgesamt litten 6,5 Prozent der Teilnehmer unter Phantomgerüchen – das entspricht grob jedem 15. Menschen ab 40 Jahren. Besonders häufig tritt diese Reichstörung dabei unter Frauen auf: Sie leiden im Schnitt doppelt so häufig darunter wie Männer, wie die Forscher berichten. Doch trotz des oft hohen Leidensdrucks reden offenbar nur die wenigsten Betroffenen darüber: Nur elf Prozent der Teilnehmer hatten sich mit ihrem Problem schon einmal an einen Mediziner gewandt.
Überraschend auch: Entgegen bisherigen Annahmen werden Phantomgerüche nicht einfach mit steigendem Alter häufiger. Stattdessen leiden Menschen im mittleren Alter zwischen 40 und 60 Jahren besonders häufig unter Phantomgerüchen, wie die Studie ergab. Bei den Frauen erreichte der Anteil der Betroffenen in dieser Altersgruppe sogar zehn Prozent. Bei den Über-60-Jährigen waren es dagegen nur 7,5 Prozent, so die Wissenschaftler.
Umweltgifte oder Medikamenten-Nebenwirkung?
Doch was hatte diese Riechstörungen bei den Teilnehmern ausgelöst? Wie die Forscher feststellten, traten die Phantomgerüche besonders häufig in Verbindung mit Kopfverletzungen, aber auch einem allgemein schlechten Gesundheitszustand auf. Menschen aus unteren Einkommensschichten waren zudem 60 Prozent häufiger betroffen als Reiche. Auffällig auch: Besonders oft gingen die Phantosmien mit einem persistent trockenen Mund einher.
Nach Ansicht der Wissenschaftler deutet dies darauf hin, dass Phantomgerüche nicht nur als Folge von Kopftraumata auftreten, sondern auch durch chronische Einflüsse bestimmter Umweltgifte. Gerade ärmere Menschen könnten beispielsweise häufiger toxischen Substanzen in ihrer Umgebung oder am Arbeitsplatz ausgesetzt sein. “Der Zusammenhang mit einer schlechteren Allgemeingesundheit und anhaltend trockenem Mund könnte aber auch auf eine Medikamenten-Nebenwirkung als möglichem Grund hindeuten, so Bainbridge und ihre Kollegen.
Bei der Suche nach den Ursachen dieser rätselhaften Wahrnehmungsstörung ist demnach noch einiges an Fahndung nötig, wie die Forscher betonen. Der erste Schritt dahin aber ist es, nach auffälligen Häufungen von Fällen zu suchen, wie sie es getan haben. “Von hier aus können dann andere Wissenschaftler Ideen dazu entwickeln, wo man nach möglichen Ursachen suchen könnte”, so Bainbridge.