Bist du es leid, ein ganzes Jahr getrennt zu leben, bevor du die Scheidung einreichen kannst? Gute Nachrichten! In bestimmten Fällen kannst du die Scheidung auch schon früher einreichen. Lass uns einen Blick darauf werfen.
Das erste Trennungsjahr: Wann kann man frühestens die Scheidung einreichen?
Laut Gesetz müssen Eheleute normalerweise mindestens ein Jahr getrennt leben, bevor sie die Scheidung einreichen können. Es gibt jedoch Möglichkeiten, dieses Trennungsjahr zu umgehen.
Grundsätzlich kann der Scheidungsantrag erst nach dem ersten Trennungsjahr gestellt werden. Es ist leider nicht möglich, den Scheidungsantrag schon ein halbes Jahr vorher einzureichen und zu argumentieren, dass das Jahr bis zum Scheidungstermin definitiv abgelaufen sein wird.
Beispiel: Die Eheleute leben seit dem 10. September 2022 getrennt. Sie können grundsätzlich erst im September 2023 die Scheidung einreichen.
Wir reichen die Scheidungsanträge oft schon nach einer Trennungszeit von nur rund 10 Monaten ein. Damit haben wir noch nie schlechte Erfahrungen gemacht. Die Gerichte lehnen den Scheidungsantrag nicht ab, da die Zeitspanne bis zum Ablauf des Trennungsjahres relativ kurz ist. Würde man den Scheidungsantrag jedoch noch früher einreichen, könnte das Gericht den Antrag kostenpflichtig ablehnen.
Von einigen Ausnahmen abgesehen (dazu kommen wir gleich), muss das Trennungsjahr immer eingehalten werden, auch bei sehr kurzen Ehen. Es spielt keine Rolle, wie kurz man verheiratet war. Es gibt kein “Sonderkündigungsrecht” bei kurzen Ehen. Selbst wenn sich die Eheleute in der Hochzeitsnacht trennen, muss das Trennungsjahr grundsätzlich abgewartet werden.
Das Trennungsjahr muss auch dann abgewartet werden, wenn die Eheleute nach der Heirat die eheliche Lebensgemeinschaft gar nicht erst aufgenommen haben, also nicht zusammengezogen sind. In diesem Fall beginnt das Trennungsjahr, sobald einer der Eheleute unmissverständlich dem anderen mitteilt, dass er die eheliche Lebensgemeinschaft nicht mehr möchte.
Kann man das Trennungsjahr umgehen?
In der Praxis behaupten manche Eheleute manchmal übereinstimmend, sie seien bereits seit einem Jahr getrennt, obwohl das nicht stimmt. Meistens kommen sie damit durch. Denn die Gerichte prüfen das Trennungsjahr praktisch nie nach, sondern glauben einfach den übereinstimmenden Aussagen der Eheleute. Die Gerichte verlangen keine Meldebescheinigung, Mietverträge oder andere Beweise. Allerdings ist Vorsicht geboten: Eine falsche Vorverlegung des Trennungsdatums kann zu steuerlichen Nachteilen führen!
Ausnahmen vom Trennungsjahr:
Es gibt allerdings bestimmte Fälle, in denen kein Trennungsjahr eingehalten werden muss:
- Wenn beide Eheleute im selben Ausland leben und das dortige Scheidungsrecht kein Trennungsjahr vorschreibt.
Beispiel: Leben beide deutsche Ehegatten in Brasilien, gilt das brasilianische Scheidungsrecht.
Das deutsche Familiengericht wendet in diesem Fall das ausländische Scheidungsrecht an, wenn dieses keine Mindest-Trennungszeit vorschreibt.
- Wenn ein Ehegatte Ausländer ist oder im Ausland lebt.
In solchen Fällen kann die Scheidung oft ohne Trennungsjahr erfolgen. Wir beraten dich gerne dazu. Schicke uns eine unverbindliche und kostenlose E-Mail.
- Wenn ein “Härtefall” vorliegt.
In Ausnahmefällen sind Scheidungsanträge nach einer Trennungszeit von weniger als einem Jahr aufgrund eines “Härtefalls” möglich. Ein Härtefall liegt vor, wenn die Fortsetzung der Ehe für den Antragsteller aufgrund von Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, eine unzumutbare Härte darstellen würde. Es muss also ein besonderer Grund vorliegen, der das weitere Abwarten unzumutbar macht und den der andere Ehegatte verursacht haben muss.
Die Voraussetzung für eine Scheidung bei einer kürzeren Trennungszeit als einem Jahr liegt vor, wenn es einem der Ehepartner völlig unzumutbar ist, noch länger mit dem anderen Ehepartner verheiratet zu sein, und wenn es ihm auch nicht zugemutet werden kann, das Trennungsjahr abzuwarten. Solche Umstände liegen vor, wenn der Ehegatte misshandelt oder schwer gekränkt wurde, wenn beide Ehegatten bereits in einer neuen festen Beziehung leben, wenn die Ehefrau von einem anderen Mann schwanger ist, wenn der andere Ehegatte Alkoholiker oder drogenabhängig ist, oder bei sexueller Erniedrigung durch den anderen Ehegatten.
Ein Härtefall liegt nicht vor, wenn sich der andere Ehegatte “nur” besonders lieblos verhalten hat, einen neuen Partner hat oder ähnliches. Solche Gründe sind keine ungewöhnlichen Härtefallgründe. Es ist leider normal, dass es im Zuge der Trennung zu persönlichen Auseinandersetzungen und Enttäuschungen kommt. Der Umstand, dass ein Ehegatte eine neue Beziehung hat, ist bekanntlich kein seltener Ausnahmefall.
Es muss sich immer um einen Umstand handeln, der “in der Person des anderen Ehegatten” vorliegt, wie es das Gesetz formuliert. Der Härtefall muss also vom anderen Ehegatten verursacht worden sein, nicht vom Antragsteller selber. Deshalb kann zum Beispiel nicht derjenige Ehegatte eine schnelle Scheidung verlangen, der selbst mit einem neuen Lebenspartner zusammenlebt (es sei denn, der andere Ehegatte hat auch einen neuen festen Partner). In solchen Fällen sollten sich die Eheleute einigen, dass jeweils der andere Ehegatte den Scheidungsantrag stellt.
Wichtige Anmerkung: Die Gerichte sind meist sehr streng bei der Prüfung, ob ein solcher “Härtefall” vorliegt. Es kommt sehr selten vor, dass ein solcher “Härtefall” akzeptiert wird. Selbst bei Fällen häuslicher Gewalt haben wir erlebt, dass Richter keinen “Härtefall” anerkannt haben. Daher ist es immer schwierig, wegen eines Härtefalls eine Scheidung weit vor Ablauf des Trennungsjahres zu beantragen. In der Praxis behaupten Eheleute manchmal, sie seien bereits seit einem Jahr getrennt, obwohl das nicht stimmt. Das Gericht kann dies praktisch nie nachprüfen und muss sich auf die mündlichen Angaben der Eheleute verlassen.
Das Trennungsjahr kann also in bestimmten Fällen umgangen werden. Es gibt Möglichkeiten, die Scheidung schneller einzureichen, jedoch sollten die rechtlichen Vorschriften beachtet und mögliche Konsequenzen bedacht werden. Überlege gut, welche Option für dich die beste ist und gehe behutsam vor.