Schöllkraut-Tropfen Iberogast: Ermittlung gegen Bayer-Verantwortliche eingestellt

Schöllkraut-Tropfen Iberogast: Ermittlung gegen Bayer-Verantwortliche eingestellt

Ist ein Mensch gestorben, weil sich der Pharmakonzern Bayer jahrelang weigerte, wichtige zusätzliche Warnhinweise zu seltenen aber schweren Leberschädigungen auf dem Beipackzettel von Iberogast auszuweisen? Seit Sommer 2019 hatte die Staatsanwaltschaft Köln den Anfangsverdacht der fahrlässigen Tötung und Körperverletzung gegen zwei Mitarbeiter des Konzerns geprüft. Nun wurden die Ermittlungen eingestellt.

Iberogast: Staatsanwaltschaft stellt Ermittlungen ein

Die Staatsanwaltschaft Köln sah keinen hinreichenden Tatverdacht, wie es auf Nachfrage von MedWatch nun mitteilte. Im Falle der verstorbenen Patientin konnte die Rechtsmedizin der Uniklinik Köln offenbar keinen sicheren Kausalzusammenhang zwischen der Einnahme von Iberogast und der tödlichen Leberschädigung feststellen.

Nach Ansicht der Ermittlungsbehörde fehlte es auch an einer für den Fahrlässigkeitsvorwurf notwendigen Sorgfaltspflichtverletzung. Das bedeutet: Die damals bekannten Verdachtsmomente reichten aus Sicht der Staatsanwaltschaft nicht aus, um vor September 2018 die Pflicht zur Aufnahme eines Warnhinweises zu begründen. Diese Auffassung erscheint angesichts des bereits 2008 erlassenen Bescheids des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte und den 2011 veröffentlichten Warnhinweisen der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) wenig nachvollziehbar.

Schöllkraut: Später Warnhinweis

Doch selbst wenn man die unterlassene Aufnahme des Warnhinweises als fahrlässig ansehen würde, hätten sich die Beschuldigten wohl nicht strafbar gemacht. Hierfür müsste die Staatsanwaltschaft ihnen nachweisen, dass die mutmaßlich durch das schöllkrauthaltige Arzneimittel geschädigten Patient:innen den Beipackzettel gelesen haben und nach dem Lesen des hypothetischen Warnhinweises mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf eine Einnahme von Iberogast verzichtet hätten.

Pharmahersteller Bayer sieht sich derweil durch das Ergebnis in seiner Bewertung von Iberogast bestätigt, wie eine Sprecherin MedWatch mitteilte. Iberogast sei im hiesigen Markt das am ausführlichsten untersuchte pflanzliche Medikament in der Gastroenterologie. Die Wirksamkeit, Verträglichkeit und Sicherheit sei in über 20 Studien und Erhebungen mit über 50.000 Patienten untersucht worden. Bayer analysiere gemäß den gesetzlichen Vorgaben jeden gemeldeten Fall von Nebenwirkungen eingehend auf der Grundlage einer systematischen Betrachtung aller möglichen Ursachen. Bei über 100 Millionen Anwendern von Iberogast seit 1960 sei bisher kein einziger Fall bekannt, in dem Iberogast im Zuge der wissenschaftlich-medizinischen Analyse als gesicherte Ursache von schweren, die Leber betreffenden Nebenwirkungen identifiziert wurde.

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Hier hat der Hersteller offenbar andere Analysen vorliegen als das zuständige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte. Immerhin, ein kleiner Trost: Die zusätzlichen Warnhinweise auf dem Iberogast-Beipackzettel, die Bayer nach jahrelanger Weigerung ergänzt hat, werden so belassen, wie sie das BfArM 2008 anmahnte.

Redaktion: Sigrid März