Schwestern, hört die Signale!

Schwestern, hört die Signale!

Die Anthropologin und Professorin für Russische und Osteuropäische Studien an der University of Pennsylvania, Kristen Ghodsee, mischt sich mit ihrem 2018 erschienenen Buch in eine anhaltende politische Debatte ein: Was ist aus den Errungenschaften der Frauenbefreiung nach der postsozialistischen Transformation geworden? In ihrem Buch erweitert und differenziert Ghodsee ihre These, mit der sie bereits in einem Artikel für die New York Times viel Aufsehen erregte. Dabei betont sie, dass Frauen im real existierenden Sozialismus viele Rechte und Privilegien genossen, die in liberalen Demokratien zu dieser Zeit unbekannt waren, wie zum Beispiel staatliche Investitionen in Bildung und Ausbildung, die volle Eingliederung in die Arbeitswelt, großzügige Mutterschaftsurlaube und garantierte kostenlose Kinderbetreuung. Doch ein Aspekt wurde bisher nur wenig beachtet: Frauen unter dem Kommunismus hatten mehr sexuelles Vergnügen.

Das erklärte Ziel von Ghodsees Buch ist es, eine Diskussion über die Vergangenheit zu führen, um Fehler in Zukunft zu vermeiden und das positive Erbe des Sozialismus, insbesondere im Bereich der Frauenrechte, zu bewahren. Dabei nimmt sie eine politische und analytische Perspektive ein. Sie argumentiert, dass unregulierter Kapitalismus schlecht für Frauen ist und dass einige sozialistische Ideen zu einem besseren Leben für Frauen führen können. Wenn der Sozialismus richtig umgesetzt wird, kann er zu wirtschaftlicher Unabhängigkeit, besseren Arbeitsbedingungen, einer ausgeglicheneren Work-Life-Balance und sogar zu besserem Sex führen.

In ihrem Buch behandelt Ghodsee verschiedene Themen wie Arbeit, Mutterschaft, Karriere, Sexualität und Staatsbürgerschaft sowie die Aussichten auf die Überwindung des Kapitalismus. Sie verwendet einen essayistischen Stil und verbindet politische Begründungen, wissenschaftliche Studien und beeindruckende biografische Erzählungen aus ihrem persönlichen Umfeld. Obwohl das Buch aus einer US-amerikanischen Perspektive geschrieben ist und sich hauptsächlich an ein US-amerikanisches Publikum richtet, enthält es dennoch wichtige Erkenntnisse und Argumente.

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Besonders ansprechend sind die beiden Kapitel zum Thema Sexualität, in denen neue Aspekte in die langwierige Debatte über Gleichstellung zwischen Ost und West eingebracht werden. Ghodsees leidenschaftliche Auseinandersetzung mit antikommunistischen Diskursen, die in jeder sozialpolitischen Forderung den Untergang der amerikanischen Freiheit sehen, ist ebenfalls bemerkenswert. Sie beleuchtet den politischen Handlungsbedarf in den USA und die damit verbundenen Debatten. Wenn Frauen und die jüngere Generation in den USA konsequent für ihre ökonomischen Interessen abstimmen würden, könnte der „grapschende Obertwitterer“ ab November 2020 der Vergangenheit angehören.

Auch wenn das Buch einige Kritikpunkte aufweist, wie die fehlende analytische Trennung zwischen Staatssozialismus und Sozialdemokratie, bietet es dennoch einen interessanten Beitrag zur Diskussion über den Charakter des Sozialismus und die Rolle des Feminismus in Transformationsgesellschaften. Es regt dazu an, über die Vergangenheit nachzudenken, um zukünftige Fehler zu vermeiden und eine bessere Zukunft für Frauen zu schaffen. Lasst uns also die Signale hören und eine lebendige Diskussion über diese wichtigen Themen führen!