München ist eine Stadt voller Geschichte und spannender Geschichten. Bei einem Spaziergang durch die Stadt stößt man an jeder Ecke auf faszinierende Fragen. In unserer neuen Rubrik “Die München-Frage” wollen wir diese Fragen beantworten. Heute geht es um die Türme der Frauenkirche, die angeblich unterschiedlich hoch sind.
Die meisten Münchner sind der festen Überzeugung, dass ein Turm der Frauenkirche 100 Meter hoch ist, während der andere nur 99 Meter misst. Das wird Kindern oft schon im Heimatkundeunterricht in der Schule beigebracht. Doch das stimmt trotzdem nicht.
Tatsächlich ist der Dom “Zu Unserer Lieben Frau” das höchste Wahrzeichen Münchens. Die Türme des Doms sind grundsätzlich die Höchstgrenze für den Hochhausbau in der Stadt. Genauer gesagt dient der Nordturm, der von Frauenplatz aus gesehen links steht, als Maßstab. Er ist der höhere der beiden Türme mit einer Höhe von 98,57 Metern. Der rechte Turm ist mit 98,45 Metern zwölf Zentimeter kleiner. Warum ist das so? Darauf gibt es verschiedene Antworten. Einige behaupten, dass das Geld ausgegangen sei, andere meinen, dass die Steine nicht gereicht hätten. Doch beides ist Unsinn. Auch Helmut Thum, ein erfahrener Liftführer, der seit zehn Jahren am Dom tätig ist, kennt die richtige Antwort nicht. Obwohl kaum jemand so gut über die Türme Bescheid weiß wie er. Tausende von Besuchern hat er bereits zum 86 Meter hohen Aussichtsplatz begleitet. Doch selbst er, ein gebürtiger Giesinger und pensionierter Postbeamter, kennt die genauen Maße nicht.
Die Höhe der Türme hat mit der Bauweise zu tun. Der Dom hatte lange Zeit überhaupt keine Turmabschlüsse. Als der Baumeister nach 20 Jahren Bauzeit verstarb, fehlten die Abschlüsse noch. Erst 37 Jahre später, im Jahr 1525 wurden die Welschen Hauben aufgesetzt. Als Welschen wurden die Italiener bezeichnet. Helmut Thum findet, dass die Zwiebeltürme eigentlich nicht zur spätgotischen Bauweise passen. Besser wären spitze Turmabschlüsse gewesen, ähnlich wie bei der Mariahilfkirche in der Au oder beim Regensburger Dom.
Die Idee, keine Spitzhelme, sondern Kuppeln aufzusetzen, stammt wohl direkt vom Baumeister selbst. Er ließ sich vom Felsendom auf dem Tempelberg in Jerusalem inspirieren. Auch eine Nachbildung in Venedig soll ihm vor Augen geschwebt haben. Dass die Münchner diesen Kuppeln eines Tages sogar Namen geben würden, hätte der Baumeister sicher nicht gedacht. Die Namen “Stasi” und “Blasi” wurden in den 50er Jahren durch einen Zeitungsaufruf gewählt. Die Leser konnten Vorschläge einreichen und Stasi für den Südturm und Blasi für den Nordturm wurden ausgewählt. Beide Namen waren bekannt aus der Erkennungsmelodie der beliebten Radiosendung “Die weißblaue Drehorgel”.
Anfangs konnten die Besucher nur den Nordturm von innen besichtigen. Seit 1989 ist jedoch auch der Südturm von April bis Ende Oktober montags bis samstags zwischen 10 und 17 Uhr geöffnet. Nach einem Fußmarsch von 96 Stufen bringt ein Aufzug die Besucher zur Aussichtsplattform. Mehr als 40 Personen finden dort Platz, doch aus Sicherheitsgründen dürfen im Aufzug maximal neun Personen mitfahren. Manchmal ist das auch nicht möglich, wie Helmut Thum sich erinnert: “Einmal kamen drei japanische Sumoringer. Schon mit einem war der Lift voll.”
Corinna Erhard