Streetscooter und Post: Das Ende eines Traums

Streetscooter und Post: Das Ende eines Traums

Die Deutsche Post hat die Produktionsrechte für ihre elektrischen Zustellfahrzeuge verkauft. Damit ist ein Prestigeprojekt gescheitert. Doch was bedeutet das für die Zukunft der Paketlieferung?

In seinen Anfangsjahren war der Streetscooter nicht nur ein Elektrofahrzeug, sondern auch eine Metapher. Die Tatsache, dass die Post im Autoland Deutschland ihre Lieferautos selbst bauen musste, war für viele Kritiker ein Abbild des desolaten Zustands der heimischen Autoindustrie. Man sprach von einer “Blamage” und einem “gelben Weckruf”.

Streetscooter brachte der Post große Verluste

Die Geschichte des Streetscooters begann an der RWTH Aachen. Günther Schuh, Professor für Produktionssystematik, und sein Kollege gründeten die Streetscooter GmbH, die speziell auf die Bedürfnisse der Post zugeschnittene Lieferfahrzeuge entwickelte. 2014 wurde das Start-Up schließlich von der Deutschen Post übernommen.

Die Pläne waren ambitioniert: Der Bonner Logistikkonzern wollte die Produktion stark ausweiten und die Fahrzeuge weltweit verkaufen. Doch die anfängliche Euphorie verflog schnell. Bei einigen der Kleintransporter kam es zu Batteriebränden, und der Verkauf an andere Unternehmen stockte. Der Streetscooter verursachte große Verluste für den Konzern.

Verkauf viel später als geplant

Daraufhin begann eine langwierige Suche nach einem Käufer für das Tochterunternehmen. Ursprünglich war ein Verkauf bis Ende 2019 geplant, aber letztendlich dauerte es zwei Jahre länger. Diese Woche konnte die Konzernspitze endlich verkünden, dass die Produktionsrechte für den Streetscooter an ein internationales Konsortium in Luxemburg abgegeben wurden. Der Kaufpreis wurde nicht genannt.

LESEN  E-Autos mit Wärmepumpe: Die effiziente Lösung für Heizung und Kühlung

Die Deutsche Post will dennoch ihre Streetscooter-Flotte auf 21.500 Fahrzeuge erweitern. Die Mitarbeiter des Unternehmens werden sich dann nur noch um Wartung und Pflege kümmern. Der Traum von der Deutschen Post als Fahrzeugbauer ist damit endgültig ausgeträumt.

Autobauer haben bei Elektromobilität aufgeholt

“Der Markt hat sich weiterentwickelt”, erklärt Ralf Bogdanski, Logistik-Experte an der TH Nürnberg. “Als der Streetscooter auf den Markt kam, waren sie in dieser Fahrzeugklasse weit und breit die einzigen. Jetzt ist auch die Autoindustrie eingestiegen und kann ihre Skaleneffekte nutzen.” Skaleneffekte bedeuten Kostenvorteile durch die Produktion großer Stückzahlen.

Streetscooter-Gründer Schuh zweifelt jedoch daran, ob die Autobauer diesen speziellen Markt bedienen können. “Für große Autohersteller ist das Segment zu klein, um profitabel zu sein”, sagt er. “VW zum Beispiel baut Universaltransporter, die auch für Handwerker oder Camping-Urlauber geeignet sind. Die sind aber nicht auf die Bedürfnisse von Zustellern zugeschnitten.”

Paketlieferung per Lastenfahrrad

In den Städten steht der Streetscooter noch einem weiteren Konkurrenten gegenüber – dem Lastenfahrrad. Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten lohnt sich das Fahrrad für ungefähr 30 Prozent der Pakete auf den letzten Metern der Zustellung, glaubt Logistik-Experte Ralf Bogdanski. Für die anderen 70 Prozent werden wegen der Größe und Anzahl der Pakete große Transporter benötigt. Der Streetscooter ist dann häufig zu klein. Die größeren Transporter müssen natürlich auch elektrisch betrieben werden.

Zu wenig Platz in den Städten

Neben den ökologischen Aspekten betonen Logistik-Experten auch die Auswirkungen auf den städtischen Verkehr – von verstopften Straßen bis hin zu zugeparkten Fahrradwegen. Mit steigender Anzahl von Paketen benötigen Lieferfahrzeuge immer mehr Platz, sagt Wolfgang Aichinger vom Thinktank Agora Verkehrswende. “Das ist eine Frage der Verteilung im öffentlichen Raum.” Er plädiert daher für neue Konzepte wie die Bündelung von Lieferungen an eine gemeinsame Zustelladresse, wo die Menschen ihre Pakete abholen können.

LESEN  Der vielseitige Opel Vivaro-e jetzt als Flatbed Truck erhältlich

Logistik-Forscher Bogdanski glaubt außerdem, dass in Zukunft auch S-Bahnen oder Regionalbahnen eine Rolle beim Transport von Paketen spielen könnten, zum Beispiel zu Tageszeiten, in denen die öffentlichen Verkehrsmittel nicht von Passagieren ausgelastet sind. Für einen umweltfreundlicheren Umgang mit der wachsenden Flut an Paketen wird es sicherlich noch einiges an Kreativität brauchen.