Die Rivalität zwischen dem schiitischen Iran und dem sunnitischen Saudi-Arabien hat eine lange Geschichte. Beide Seiten nutzen politische Ziele und religiöse Deutungen, um ihre Macht im Nahen Osten zu behaupten. Die jüngste Hinrichtung des schiitischen Predigers Nimr Baker al-Nimr scheint dabei nur eine weitere Episode in diesem konfessionellen Machtkampf zu sein.
Die Ursprünge des Konflikts
Die Spaltung des Islams in Sunniten und Schiiten geht auf den Streit um die Nachfolge des Propheten Mohammed zurück. Die Schiiten glauben, dass Mohammed seinen Schwiegersohn Ali als Nachfolger bestimmt habe, während die Sunniten diesen Anspruch ablehnten und sich durchsetzten. Auch heute noch gibt es weltweit über 1,5 Milliarden Muslime, aber die Schiiten machen lediglich 10 bis 15 Prozent aus. Dennoch sind sie in Ländern wie Iran, Irak und Bahrain in der Mehrheit.
Unterschiede und Gemeinsamkeiten
Religiös gibt es viele Gemeinsamkeiten zwischen Sunniten und Schiiten. Beide Konfessionen folgen den fünf Säulen des Islam, einschließlich des Glaubensbekenntnisses, des Gebets, des Fastens, der Pilgerfahrt nach Mekka und der Sozialabgabe. Dennoch gibt es auch Unterschiede in den religiösen Praktiken.
Ein wichtiger Unterschied liegt im Bezug zur Macht. Die Schiiten waren oft eine diskriminierte Minderheit, was ihre Theologie prägte. Sie spielten eine zentrale Rolle in Revolten gegen die als unrechtmäßig angesehenen sunnitischen Kalifen. Das Gedenken an den Tod von Husain, dem Sohn von Ali, bei einem Aufstand im Jahr 680 n. Chr., ist bis heute tief in der schiitischen Kultur verwurzelt.
Konflikte und Versöhnung
Die konfessionellen Unterschiede und die Rückbesinnung auf die Geschichte wurden in den aktuellen Stellvertreterkriegen zwischen Iran und Saudi-Arabien deutlich. Im Krieg in Syrien und im Jemen unterstützt der Iran vor allem nicht-sunnitische Gruppen, während die Saudis eine Allianz sunnitischer Staaten schmieden.
Trotz dieser Konflikte gab es auch Versuche, die religiösen Gräben zu überbrücken. Repräsentanten beider Konfessionen haben die Religionspraxis der jeweils anderen als gleichwertig anerkannt. Jordaniens König Abdullah II. versammelte sunnitische und schiitische Gelehrte, die in einer gemeinsamen Erklärung feststellten, dass Angehörige beider Konfessionen Muslime seien.
Das Fehlen einer übergeordneten religiösen Instanz
Trotz dieser Bemühungen gibt es jedoch immer wieder Prediger und Extremisten, die Andersgläubige verurteilen. Es fehlt eine übergeordnete religiöse Instanz im Islam, die der wachsenden Instrumentalisierung der Religion in Konflikten Einhalt gebieten könnte.
Die Geschichte von Sunniten und Schiiten ist geprägt von Konflikten, aber auch von Gemeinsamkeiten. Es ist wichtig, die Vielfalt des Islams zu erkennen und den Dialog zwischen den Konfessionen zu fördern. Die Lösung liegt nicht in der Unterdrückung oder Auslöschung einer Konfession, sondern im gegenseitigen Respekt und der Anerkennung der Rechte aller Muslime.