Im September 2018 ereignete sich auf einem Supermarkt-Parkplatz eine Szene wie aus einem Gangsterfilm: Ein Mann bedrohte den Mitarbeiter einer Sicherheitsfirma mit einer Kalaschnikow und nahm ihm einen Geldkoffer im Wert von fast 90.000 Euro sowie seinen Revolver ab. Mit einem Komplizen, der mit dem Fluchtwagen bereitstand, flüchteten sie und steckten später den Wagen in Brand.
Diese beiden Männer stehen nun vor Gericht und müssen sich mit mehreren Anklagen auseinandersetzen: besonders schwerer Raub in Tateinheit mit Brandstiftung, Verstoß gegen das Waffengesetz und das Kriegswaffenkontrollgesetz sowie Urkundenfälschung. Doch was bedeutet “in Tateinheit” in diesem Zusammenhang? Dieser Ratgeber geht dieser Frage auf den Grund.
Was ist Tateinheit?
Nicht alle Straftaten laufen so spektakulär ab wie der oben genannte Fall. Dennoch kommt es häufig vor, dass ein Täter mehrere Straftaten begeht. Dabei stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis diese Straftaten zueinander stehen. Dies ist entscheidend für die Strafzumessung, also für die Höhe der jeweiligen Strafe.
Das Strafgesetzbuch legt in den §§ 52 ff. StGB genaue Regeln fest, wenn mehrere Rechtsfolgen (Strafen) aufeinandertreffen. Dabei gibt es zwei Möglichkeiten: Tateinheit und Tatmehrheit.
Bei der Tateinheit handelt es sich um eine einzelne Handlung, die mehrere Strafgesetze verletzt oder dasselbe Strafgesetz mehrmals verletzt. Im obigen Beispiel haben die Räuber fünf Straftaten begangen, die in Tateinheit stehen:
- besonders schwerer Raub durch den Raubüberfall mit einer Schusswaffe
- Brandstiftung durch das Inbrandsetzen des Fluchtwagens
- Verstoß gegen das Waffengesetz und das Kriegswaffenkontrollgesetz in Bezug auf die Kalaschnikow
- Urkundenfälschung in Form des gefälschten Autokennzeichens
Da für den besonders schweren Raub unter Verwendung einer Waffe die härteste Strafe vorgesehen ist (mindestens fünf Jahre Freiheitsstrafe), wird das Strafgericht nicht für jede einzelne Straftat eine gesonderte Strafe festsetzen und alles zusammenrechnen.
Abgrenzung: Wann Tateinheit und wann Tatmehrheit?
Im Gegensatz zur Tateinheit tritt Tatmehrheit auf, wenn ein Täter mehrere selbstständige Handlungen begeht, die verschiedene Strafgesetze verletzen oder dasselbe Strafgesetz mehrmals verletzen. In diesem Fall erwartet den Täter für jedes Delikt eine gesonderte Strafe.
Wenn die Staatsanwaltschaft alle drei Taten gleichzeitig zur Anklage bringt, muss das Strafgericht eine Gesamtstrafe festlegen. Dabei erhöht es die schwerste Einzelstrafe so, dass die Gesamtstrafe immer noch geringer ausfällt als die Summe der Einzelstrafen.
Was ist eine natürliche Handlungseinheit?
Damit Richter Tateinheit oder Tatmehrheit feststellen und den Strafrahmen richtig ermitteln können, müssen sie zunächst klären, ob eine Handlungseinheit oder eine Handlungsmehrheit vorliegt. Laut § 52 Abs. 1 StGB wird nur eine Strafe verhängt, wenn dieselbe Handlung mehrere Strafgesetze verletzt oder dasselbe Strafgesetz mehrmals verletzt.
Eine Handlungseinheit liegt vor, wenn mehrere gleichartige Tätigkeiten auf einem einheitlichen willentlichen Entschluss basieren und unmittelbar nacheinander den gleichen Straftatbestand verwirklichen oder ihn wiederholen.
Im Fall des Raubüberfalls auf den Geldtransporter liegt eine solche Handlungseinheit vor. Der Täter hat gegen das Waffengesetz und das Kriegswaffenkontrollgesetz verstoßen, indem er die Kalaschnikow beim Raub eingesetzt hat. Auch die Brandstiftung steht in engem Zusammenhang mit dem Raub, da das Inbrandsetzen des Fluchtwagens ein Tatwerkzeug beseitigen sollte.
Jetzt weißt du, was Tateinheit bedeutet und wie sie sich von Tatmehrheit unterscheidet. Denke daran, dass jeder Fall individuell betrachtet werden muss und die Strafzumessung sorgfältig erfolgen sollte.
