Es gibt einen neuen Star am Laufschuhhimmel – Hoka One One. Dieser Schuh hat bereits beim Ironman Hawaii den drittmeisten Zuspruch erhalten. Das Konzept dieses Schuhs ist einzigartig, mit seiner starken Dämpfung und seinem besonderen Äußeren sorgt er für viel Diskussionsstoff. Aber wie läuft sich dieser Schuh tatsächlich? Unser Teamathlet und erfahrener Läufer Beat Burkhard hat einen Hoka zum Testen erhalten und hier ist sein fundierter und überraschender Bericht:
Vorbemerkung
Normalerweise gilt: Wenn etwas schnell aussieht, ist es auch schnell… Aber die Hoka Schuhe sehen ganz und gar nicht schnell aus. Sie sind großvolumig und erinnern eher an Schuhe aus dem therapeutischen Bereich. Ich hatte große Vorurteile und dachte, ich würde solche “Monster”-Schuhe niemals tragen wollen. Eine so weiche und voluminöse Sohle muss doch jegliche Energie absorbieren und den Läufer ausbremsen… Nun ja, wir werden sehen…
Die Marke
Hoka One One wurde im Jahr 2009 gegründet, zu einer Zeit, als die Minimalismus-Bewegung im Laufschuhbereich ihren Höhepunkt erreichte. Jeder Laufschuhhersteller pries das Barfuß-Laufgefühl an. Weniger Dämpfung und weniger von allem, außer dem Design und dem Preis, sollten fortan das Maß aller Dinge sein. Hoka One One ging einen anderen Weg und setzte ein Zeichen gegen diesen Trend – und das aus gutem Grund. Die Mitentwickler waren und sind Ultramarathon-Läufer, die Schuhe brauchten, die andere Anforderungen erfüllen als Minimal-Schuhe. Hoka One One strebt maximale Dämpfung an, hat aber gleichzeitig das Credo der “Minimalisten” übernommen: eine geringe Sprengung (Differenz der Sohlenhöhe zwischen Ferse und Vorfuss). In Kombination mit der neuartigen Geometrie der überhöhten Mittelsohle soll eine völlig neue Dynamik beim Landen und Abstoßen während des Laufens entstehen.
Der Testschuh: Modell Clifton
Der Clifton ist ein leichter, neutraler Trainingsschuh für den Straßenlauf. Größe des Testschuhs: US 8.5 / EU 42, Gewicht: 208 g (ohne Einlagen), 220 g mit den originalen Hoka Einlagen, Sprengung: 5mm
Design
Das Design des Clifton aus der Modellreihe 2015 ist farblich eher konservativ, aber durchaus attraktiv. Die auffällige, weiße Sohle sticht ins Auge…
Schnitt
Der Schuh fällt eher klein aus. Es empfiehlt sich, eine halbe bis ganze (EU) Nummer größer zu wählen. Eine Anprobe bringt Klarheit. Der Clifton hat eine normale Breite und passt sowohl für breite als auch schmale Füße. Zusätzlich wird eine zweite Innensohle mitgeliefert. Legt man beide Innensohlen übereinander, erhält man nicht nur zusätzliche Dämpfung, sondern auch eine sehr gute Passform für schmale Füße.
Sohle
Die Sohle besteht aus einer voluminösen Mittelsohle, die an den abriebfesten Stellen mit einer partiellen grünen Außensohle ergänzt wird. An den richtigen Stellen wird Gewicht eingespart.
Die Sohle bleibt extrem weich und lässt sich mit leichtem Fingerdruck verformen. Sie ist sowohl längs als auch quer gut biegsam.
Die Lauffläche ist speziell für den Asphaltbelag konzipiert. Kieswege sind kein Problem (man spürt den Kies überhaupt nicht…), aber der Grip ist schlechter als auf Asphalt.
Die Sohle ist ansonsten nirgendwo verstärkt. Hier gibt es keine Pronationsstütze o.ä., nur weiches Mittelsohlenmaterial.
Fersenkappe
Die Fersenkappe ist weich und flexibel gestaltet. Dieser Schuh drückt keine harte Fersenkappe in den Fuß, wie es andere Schuhe tun. Auch dies ist möglicherweise ein positives Attribut, das von Minimal-Schuhen übernommen wurde.
Obermaterial
Das Obermaterial des Schuhs besteht aus einem sehr atmungsaktiven und elastischen Stoff, der an den neuralgischen Stellen verstärkt wurde. Es sind keine Reflektoren angebracht. Das Material ist leicht und flexibel. Es entstehen auch bei sehr festem Schnüren keine Druckstellen.
Zehenbox
Der Schuh ist im Vorfußbereich eher breit geschnitten und bietet den Zehen viel seitlichen Platz.
Schnürung
Eine konventionelle Schnürung ist vorgesehen. Die Schnürsenkel sind ausreichend lang und nicht elastisch.
Laufeigenschaften
Und nun, wie läuft sich dieser Schuh? Er läuft sich gut. Sehr gut sogar. Die ersten paar Hundert Meter fühlen sich sehr eigenartig an. Ich hatte das Gefühl, als würde ich auf etwas Rundes, Weiches, Ballonartiges laufen.
Das Abrollen über den Mittelfuß erfolgt ganz natürlich. Auch wenn ich es wollte, könnte ich mich nur mit großer Mühe über die Ferse abrollen. Die sogenannte “Meta-Rocker”-Zwischensohlenkonstruktion mit der geringen Sprengung und einem natürlichen Laufsohlen-Radius ermöglicht eine natürliche Abrollbewegung. Dadurch wird ein effizientes und kontinuierliches Abrollen vom Aufsetzen bis zum Abheben des Vorfusses gefördert. Das eigenartige Gefühl, auf “etwas” zu stehen und unsicher auf hohen Sohlen zu gehen, legt sich mit den ersten Kilometern. Der Fuß “versinkt” mit der Innensohle in der weichen Mittelsohle. Das Fußbett ist tatsächlich bei jedem Schritt ein weiches Bett, das den Fuß stützt und jegliche Stöße extrem weich dämpft. Für mich als Mittelfußläufer ist das ein völlig neues Gefühl. Ich bin es gewohnt, dass “normale” Laufschuhe im Bereich des Mittel- und Vorfußes nur wenig Dämpfung bieten. Dieser Schuh verkörpert eine gute und angenehme Dämpfung über den gesamten Fuß.
Dennoch habe ich nicht das Gefühl, im Schuh zu versinken und meine Energie darin zu vergeuden. Im Gegenteil, der Schuh ermutigt zu einem aktiven, effizienten und schonenden Laufstil. Mit einem Gewicht von gemessenen 220 g (mit beiden Hoka-Innensohlen gemessen) ist der Clifton ein Leichtgewicht – leichter als mein Wettkampfschuh von Mizuno. Der Clifton dämpft und führt, unterstützt aber nicht wirklich. Eine Pronation wird hier nicht korrigiert. Wer einen stabilen Schuh sucht, sollte sich für ein anderes Modell von Hoka entscheiden. Gleiches gilt auch für das Laufen abseits der asphaltierten Wege. Auf Kies- und Feldwegen ist der Schuh durchaus geeignet. Unebenheiten werden von der Sohle “geschluckt”… Kieselsteine spürt man gar nicht…
Die Laufsohle ist jedoch definitiv für Asphalt geeignet. Hier bietet der Clifton ausgezeichneten Grip und Dynamik.
Auf unebenem Untergrund muss die Fußmuskulatur arbeiten. Da die Sohle nicht stützt, übernimmt die Muskulatur diese Arbeit. Das kann anstrengend sein. Auf Asphalt ist es jedoch ein Genuss, keine Schläge zu spüren. Es gibt nichts Schöneres als schwereloses Laufen.
Es ist kein Wunder, dass der Hoka One One beim IRONMAN Hawaii 2015 der drittmeistgetragene Laufschuh war… Übrigens lief Matt Llano, ein amerikanischer Läufer, 2015 den Berlin Marathon in 2:12:28 mit Hoka One One.
Fazit
Nicht vor Neuland zurückschrecken! Es lohnt sich, einen Hoka One One zu testen. Der Schuh wird sicherlich weiterhin polarisieren, sei es aufgrund seines Aussehens oder der Vorurteile. Die einen werden ihn lieben, die anderen nicht. Doch wer Zugang zu dieser anderen und mit Sicherheit schonenden Art des Laufens findet, wird so schnell nicht mehr zu einer anderen Marke wechseln wollen.
Vielen Dank an Tempo-Sport Thalwil für die Möglichkeit, diesen außergewöhnlichen Schuh zu testen.