Trennungsschmerz: Was Liebeskummer mit uns macht

Trennungsschmerz: Was Liebeskummer mit uns macht

Liebeskummer ist keine Angelegenheit, die nur Teenager betrifft. Es handelt sich vielmehr um ein seelisches Leiden, das auch viele Erwachsene aus der Bahn wirft. In einem Interview mit Prof. Dr. Günter H. Seidler, einem renommierten Traumaforscher, wurden einige interessante Aspekte von Liebeskummer beleuchtet.

Ernsthaftigkeit von Liebeskummer

Liebeskummer wird oft nicht ernst genug genommen. Der Begriff an sich kann dazu führen, dass das Leiden bagatellisiert wird. Dabei fühlen sich viele Verlassene völlig überwältigt von der Trennung und sind dem Geschehen hilflos ausgesetzt. Sie können das Ende der Beziehung nicht verhindern oder steuern.

Reaktionen auf eine Trennung

Die Betroffenen reagieren oft mit Übererregung. Sie finden keine Ruhe, leiden unter Schlafstörungen und haben mitunter Kreislaufprobleme. Zusätzlich leiden sie unter belastenden Erinnerungen, denen sie machtlos ausgeliefert sind. Vermeidungsverhalten ist ebenfalls typisch: Betroffene meiden Orte, Menschen und Dinge, die sie an den Expartner erinnern. Viele entwickeln zudem depressive Symptome wie Lustlosigkeit und Rückzug – manchmal sogar Suizidgedanken.

Phasen des Liebeskummers

Liebeskummer verläuft in vier Phasen. Die erste Phase beginnt mit der Trennung selbst. In dieser Phase verleugnen die Betroffenen das Geschehen und kämpfen um ihre Beziehung. In der zweiten Phase folgen Protest und Hadern. Die Betroffenen fühlen sich falsch behandelt und entwickeln Groll sowie Rachefantasien. In der dritten Phase werden die Beziehung und die eigene Rolle darin stärker infrage gestellt. Schließlich folgt die Phase der Neuorientierung und des Neuanfangs.

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Dauer des Liebeskummers

Nach ein bis zwei Jahren sollten die Betroffenen die vierte Phase erreichen – selbst nach einer langen und tiefen Beziehung. Allerdings gibt es Menschen, die länger brauchen und manche kommen über eine Trennung gar nicht hinweg. Für sie heilt die Zeit die Wunden nicht. Es gibt Betroffene, die sich vier Jahre nach einer Trennung immer noch so schlecht fühlen, als hätte der Partner sie gerade erst verlassen.

Faktoren, die den Trennungsschmerz beeinflussen

Die Schwere des Trennungsschmerzes hängt von verschiedenen Faktoren ab. Die Persönlichkeit des Verlassenen spielt eine Rolle, insbesondere ein geringes Selbstwertgefühl verstärkt den Schmerz nach einer Trennung. Zudem ist die Bedeutung, die der Partner in der Beziehung hatte, relevant. Wenn Betroffene sich stark an den Partner geklammert haben und ihr Leben komplett auf die Partnerschaft ausgerichtet war, wird die Trennung ebenfalls schwieriger. Die Umstände des Abschieds sind ebenfalls von Bedeutung, vor allem wenn die Trennung völlig unvorbereitet kam.

Die Rolle der Persönlichkeit des Partners

Es gibt Konstellationen, die eine Trennung besonders erschweren. Partner, die einem jeden Wunsch von den Augen ablesen und sich komplett auf die Bedürfnisse des Geliebten konzentrieren, können zu einer Abhängigkeit führen. Diese Art von Partnern zieht oft Menschen an, die in der Liebe nach Heilung suchen, beispielsweise aufgrund von traumatischen Erfahrungen in der Kindheit. Wenn sich der Partner dann trennt, werden alte Wunden wieder aufgerissen und der Verlassene kämpft nicht nur mit dem Verlust des Partners, sondern auch mit alten Verletzungen.

Gefahren der Liebesbeziehung als Therapie

Beziehungen, in denen sich einer der Partner zum Therapeuten macht, gehen selten gut aus. Wer seine seelische Not durch den Partner heilen lassen will, wird abhängig und bindet den Partner in die Rolle des Helfers. Diese Art von Beziehung kann den Ansprüchen des Partners langfristig nicht gerecht werden. Irgendwann wendet sich der Partner ab, sei es aus Erschöpfung oder weil er etwas Besseres findet. Für die Person, die in dieser Beziehung Heilung gesucht hat, ist dies verheerend. Sie verliert nicht nur den Partner, sondern auch ihre Unterstützung.

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Verhalten bei starkem Liebeskummer

Menschen, die unter starkem Liebeskummer leiden, neigen oft zu übertriebenen Handlungen. Manche ziehen sich völlig zurück und verbringen den ganzen Tag isoliert. Andere betäuben sich mit exzessivem Sport oder stürzen sich in sexuelle Abenteuer.

Die Rolle von Alkohol

Alkohol spielt eine Rolle bei Liebeskummer. Anfangs kann er tatsächlich Entlastung bieten, doch wenn der Konsum außer Kontrolle gerät, können erhebliche Schwierigkeiten entstehen. Alkoholmissbrauch kann zu Gewalttaten führen. Es gibt tragische Fälle, in denen Menschen sich oder ihren Expartner, manchmal sogar die gemeinsamen Kinder, verletzen oder umbringen, weil sie die Trennung nicht verkraften.

Liebeskummer kann zu einer Situation der Ohnmacht führen, in der Betroffene versuchen, wieder Kontrolle zu erlangen. Ähnlich wie bei Menschen, die traumatische Erlebnisse durchgemacht haben, kann dies zu Wut und Gereiztheit führen, wenn sie vorübergehend weniger Kontrolle haben. Menschen, die unter Liebeskummer leiden, reagieren häufig aggressiv gegenüber allen oder gegenüber der Person, von der ihr Elend ausgegangen ist. Schmerz macht manchmal böse.

Das gesamte Interview mit Prof. Dr. Günter H. Seidler, der bis 2015 die Sektion Psychotraumatologie am Universitätsklinikum Heidelberg leitete, finden Sie in der aktuellen Ausgabe von GEO Wissen.