Uneasy Rider: Die dunkle Realität hinter den Lieferdiensten

Ausbeutung bei Lieferdiensten :  Uneasy Rider

Bild dir ein, du springst auf dein Fahrrad, um Essen für andere Menschen zu liefern. Klingt nach einer einfachen und vielleicht sogar spaßigen Arbeit, oder? Aber die Wahrheit hinter den Kulissen der Lieferdienste ist alles andere als glamourös. Unsere Autorin hat fünf Monate lang als Fahrerin beim Lebensmittel-Lieferdienst Flink gearbeitet und dabei nicht nur ihr Handy, sondern auch ihre Motivation verloren.

Eine verheißungsvolle Hoffnung

Als sie im Mai letzten Jahres ihren Minijob bei Flink begann, einem Online-Supermarkt mit Direktauslieferung, war unsere Autorin guter Dinge. Ein Freund hatte ihr die Stelle empfohlen, und er versicherte ihr, dass sich das Unternehmen um die Mitarbeitenden kümmere. Außerdem konnte sie ihre Arbeitszeiten flexibel gestalten und es wurde Sommer – perfekt für eine begeisterte Fahrradfahrerin wie sie.

Ein chaotischer Start

Doch die Realität sah anders aus. Schon zu Beginn war der Arbeitsplatz im Warenlager, genannt Hub, chaotisch. Die Palettenwagen mit neuen Waren standen ständig im Weg und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mussten draußen auf dem Hof warten. Aber das war noch akzeptabel. In diesen Momenten erzählten sie sich von ihren Fahrten und lachten über Kunden, die keine Trinkgelder gaben.

Der Start einer Misere

Diese positive Stimmung hielt jedoch nicht lange an. Im Juli verschwand der Hub plötzlich und niemand hatte unsere Autorin informiert. Das Warenlager war umgezogen und sie hatte keine Einladung für den neuen Standort erhalten. Von nun an wurde es immer schlimmer. Die Schichten wurden ihr grundlos zugeteilt, ohne vorherige Absprache. Die Arbeitsbedingungen verschlechterten sich und der Unmut bei den Mitarbeitenden wurde immer größer.

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Der Preis des schnellen Konsums

Die Zahl der Bestellungen bei Flink stieg an und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden ohne Pause auf dem Fahrrad geschickt. Es gab Tage, an denen die Wagen voll mit Lebensmitteln, Hygieneartikeln, Fisch, Fleisch und Alkohol waren. Die Arbeitszeiten wurden immer länger und die physischen Schmerzen nahmen zu. Unserer Autorin taten die Knie so weh, dass sie nicht mehr fahren konnte und musste im Lager aushelfen.

Keine Anerkennung für harte Arbeit

Die Arbeitsbedingungen waren nicht nur physisch belastend, sondern auch emotional sehr frustrierend. Die Buchhaltung zahlte manchen Mitarbeitenden das Gehalt zwei Monate zu spät aus. Eine neue App wurde eingeführt, die Rückfahrten verfolgte, aber oft an die falsche Adresse schickte oder ständig hängen blieb. Zudem mussten die Mitarbeitenden ihre eigenen Handys nutzen und verschiedene Apps herunterladen, ohne dass ihnen die mobilen Daten erstattet wurden. Die sogenannte Ridercare, eine E-Mail-Adresse für Anliegen, war auch keine Hilfe, da oft keine oder erst Tage später eine Antwort kam.

Das Ende einer Illusion

Die gute Stimmung verflog, als immer mehr Kolleginnen und Kollegen kündigten. Die Verantwortlichen bei Flink erließen neue Regeln, die bei den Mitarbeitenden nicht gut ankamen. Selbst das Mitnehmen übrig gebliebener Lebensmittel war plötzlich verboten. Die Zuständigkeiten und Arbeitszeiten änderten sich ständig und keiner konnte den Überblick behalten. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fühlten sich allein gelassen und nicht wertgeschätzt.

Das Fazit: Eine bittere Erfahrung

Am Ende ihrer Schicht im Oktober schob unsere Autorin ihr Fahrrad den Gehweg hinunter und wusste, dass dies ihre letzte Fahrt für Flink war. Der Job hatte nicht nur ihren Körper, sondern auch ihr Handy zerstört. Das Konzept von schnellen Lieferdiensten, die den Konsum weiter anheizen, hinterließ einen bitteren Geschmack. Die Arbeit der Fahrerinnen und Fahrer wurde nicht ausreichend gewürdigt und die Arbeitsbedingungen waren alles andere als ideal.

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Diese Geschichte zeigt, dass der vermeintlich einfache Job als Lieferfahrer:in bei einem Lieferdienst oft nicht das ist, was er zu sein scheint. Es ist Zeit, die Kehrseite dieser Industrie anzuerkennen und Reformen durchzuführen, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern und die Fahrerinnen und Fahrer angemessen zu entlohnen.

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Bild: Es ist Knochenarbeit. Foto: Robin Utrecht/picture alliance