Ein Erfahrungsbericht für Unternehmer, die ihren Betrieb nicht verramschen wollen.
Wenn Sie den besten Verkaufspreis erzielen, Ihre Mitarbeiter schützen und eine zeitliche Deadline einhalten wollen, dann sind die Erfahrungen des tragischen Artikel-Helden interessant für Sie. Wenn Sie Ihr Unternehmen aber einfach nur irgendwie loswerden wollen, dann klicken Sie ruhig zum nächsten Artikel.
Es war gestern, als ich zufällig mal wieder am Firmengelände der XY-GmbH vorbeifuhr. Den Inhaber, Herrn Müller, hatte ich im Jahr 2014 auf einem Kongress kennengelernt. Damals war die XY-GmbH ein gesunder und völlig schuldenfreier Betrieb aus dem Mittelstand. Herr Müller war stolz auf sein Unternehmen, die 40 Mitarbeiter und seine hohen Umsätze. Er war 62 Jahre alt und erzählte mir, dass er spätestens mit 65 in den Ruhestand gehen wolle. Da keine geeigneten Nachfolger im Mitarbeiterkreis und in der Familie zur Verfügung standen, kam für ihn nur ein Unternehmensverkauf in Frage. “Der Gegenwert des Betriebs soll dabei ein wichtiger Baustein in meiner Altersvorsorge sein,” so sagte er, und freute sich schon.
Und dann sprach Herr Müller diejenigen Worte, die wahrscheinlich den Anfang vom Ende seines Betriebs einläuteten:
“Ich muss ja jetzt noch nicht verkaufen. Ich warte ab, bis mir jemand genug Geld für mein attraktives Unternehmen bietet. Ein Blick in meine Bilanzen wird jeden Interessenten überzeugen. Vielleicht spreche ich den einen oder anderen Wettbewerber auch einfach mal selbst an.“
NEIN, genauso sollten Sie nicht vorgehen! Herr Müller jedoch schob meinen Einwand beiseite und winkte ab. Sie, liebe Leser, wissen es besser, oder?
“Ich muss ja jetzt noch nicht verkaufen.”
Keinen Verkaufsdruck zu haben, ist die perfekte Ausgangssituation, genau JETZT mit dem Unternehmensverkauf zu starten. Wer hat wohl die bessere Verhandlungsposition? Derjenige mit oder ohne Verkaufsdruck? Wartet der Unternehmer zu lange, dann wird er später vielleicht durch sein hohes Alter, dem schlechten Gesundheitszustand oder eine finanzielle Schieflage zum Verkauf gezwungen. Im Show-Business sagt man: “Man soll aufhören, wenn es am schönsten ist.” Das macht sich übrigens auch positiv im Verkaufspreis bemerkbar.
“Ich warte ab …”
Abwarten heißt: passiv sein. In Deutschland stehen jedes Jahr mehr Unternehmen zum Verkauf als es potenzielle Käufer gibt. Wer mit seinem Verkaufsangebot also nicht aktiv in den Markt geht und passende Interessenten sucht, muss am Ende nehmen, was zufällig an die Tür klopft. Dies wäre erneut keine gute Verhandlungsposition für den Verkäufer. Vielleicht klopft auch niemand! Was dann? Ob Herr Müller dann mit 65 in den Ruhestand geht, oder erst mit 75, oder gar nicht, hängt maßgeblich vom Schicksal ab.
“… bis mir jemand genug Geld bietet …”
Was heißt GENUG? Oft sollen aus Sicht des Verkäufers die Entbehrungen der letzten Jahrzehnte entlohnt werden. Schweiß, Blut und Tränen aus dem Unternehmensaufbau sollen nun endlich ihre Vergütung finden. Ungefilterte Preisvorstellungen des Inhabers können die Verkaufsverhandlung platzen lassen, bevor diese überhaupt begonnen hat. Fakt ist, dass sich der realistische Preis für eine Unternehmung am Markt bildet. Das höchste Gebot, das ein Unternehmer für sein Unternehmen bekommt, ist unterm Strich der realistische Preis. Da macht es natürlich Sinn, mehrere Interessenten zu haben, die gegeneinander in den Bieterwettstreit treten.
“Ein Blick in meine Bilanzen …”
Ein Blick in die Bilanzen lässt allenfalls erkennen, wie tüchtig der Steuerberater gearbeitet hat. Na ja, das ist natürlich ein wenig übertrieben 😊 Die Attraktivität eines Betriebes lässt sich daraus aber tatsächlich nur erahnen, wenn überhaupt. Die Bilanzen bilden maßgeblich die Vergangenheit ab. Wenn der Unternehmensverkäufer den besten Preis für seinen Betrieb erzielen will, bedarf es aber zusätzlicher Unterlagen, die die kommenden Jahre aufzeigen. Denn der Käufer erwirbt die Zukunft des Betriebes und die damit verbundene Chance, sein Investment zurückzuverdienen.
“Die Wettbewerber einfach mal selber ansprechen.”
Die Verkaufsabsicht sollte solange wie möglich diskret und vertraulich behandelt werden, um das eigene Unternehmen bestmöglich zu schützen. Was passiert denn, wenn der Unternehmer persönlich auf die Wettbewerber zugeht und seinen Verkaufsgedanken offenlegt? Die Gefahr von Gerüchten! Die Kunden orientieren sich woanders hin, die Mitarbeiter suchen sich bei der Konkurrenz einen Job und der Umsatz bricht ein. Am Ende steht der Unternehmer ganz alleine am Steuerrad des langsam sinkenden Schiffes.
Fazit
- Wenn Sie Ihr Unternehmen verkaufen möchten, sollten Sie nicht abwarten, sondern einen AKTIVEN Prozess starten. Fangen Sie unbedingt damit an, bevor Sie von äußeren Umständen dazu gezwungen werden.
- Lassen Sie sich bei der Kaufpreisfindung nicht von Emotionen beeinflussen, sondern versuchen Sie die Sichtweise eines potenziellen Käufers einzunehmen. Fragen Sie sich. “Würde ich selbst meinen Betrieb für EUR X.XXX.XXX kaufen?”
- Bereiten Sie aussagekräftige Unterlagen vor, die die Zukunft des Unternehmens abbilden.
- Erstellen Sie ein anonymisiertes, werbliches Kurzprofil für Ihren Betrieb. Nutzen Sie einen neutralen Dritten, der mit diesem Teaser potenzielle Kaufinteressenten anspricht. Dieser Weg wahrt die Vertraulichkeit.
- Versuchen Sie, so viele Kaufkandidaten wie möglich zu finden. So behalten Sie die beste Verhandlungsposition.
Was mag Herrn Müller bewogen haben, seinen oben beschriebenen Weg einzuschlagen? War es Selbstüberschätzung? Hat er den Prozess eines Unternehmensverkaufs unterschätzt? Wollte er das Honorar für einen Berater sparen? Wer weiß. Habe ich eingangs erwähnt, dass die XY-GmbH jetzt verfallen und geschlossen war? Wie schade! Ich hoffe nur, die 40 Mitarbeiter haben an anderer Stelle Lohn und Brot für ihre Familien gefunden. Und Herrn Müller kann man nur wünschen, dass er auch ohne den monetären Unternehmenswert seinen Ruhestand finanzieren kann.
Ich wünsche Ihnen, liebe Leser, einen erfolgreichen Unternehmensverkauf und einen entspannten Schlussakkord.
Herzliche Grüße,
Carsten Seiffert