Willkommen zu einem weiteren spannenden Artikel! Heute werde ich dir den Unterschied zwischen Verdampfungswärme und Verdampfungsenthalpie erklären. Klingt interessant, oder?
Volumenausdehnung beim Verdampfen
In einem vorherigen Artikel haben wir bereits besprochen, dass die Verdampfungswärme benötigt wird, um die intermolekularen Bindungen zu lösen. Doch beim Verdampfen einer Flüssigkeit ändern sich nicht nur die Bindungsenergien, sondern der Stoff dehnt sich auch stark aus. Zum Beispiel nimmt gasförmiges Wasser bei gleichbleibendem Druck von 1 bar ein fast 1700-fach größeres Volumen als flüssiges Wasser ein. Das bedeutet, dass aus einem Liter flüssigem Wasser etwa 1700 Liter gasförmiges Wasser (auch bekannt als “Wasserdampf”) entstehen!
Abbildung: Vergleich des Volumens zwischen flüssigem Wasser und gasförmigem Wasser (Wasserdampf)
Für diese Volumenausdehnung gegen den Umgebungsdruck oder das Einbringen des gasförmigen Wasservolumens in die Umgebung ist ebenfalls Energie erforderlich. Diese erforderliche Energie wird bereits in Form von Wärme zugeführt und ist in der Verdampfungswärme enthalten! In den meisten Fällen findet der Verdampfungsvorgang in einem offenen System statt, sodass die verdampfende Flüssigkeit sich bei konstantem Umgebungsdruck frei ausdehnen kann. Dies wird auch als isobarer Verdampfung bezeichnet. In diesem Fall kann die für die Volumenänderung aufgewendete Energie W aus dem Produkt von Druck p und Volumenänderung ΔV berechnet werden:
W = p cdot Delta V
Diese aufgewendete Energie wird aufgrund der damit verbundenen Volumenänderung auch als Volumenänderungsarbeit oder Verschiebearbeit bezeichnet (das Einbringen des erzeugten Gasvolumens in die Umgebung während der Verdampfung). Beachte jedoch, dass diese aufgewendete Energie nicht in Form von mechanischer Arbeit zugeführt wird, sondern ebenfalls durch Wärme.
Man kann sich die Energie, die zur Erzeugung des Gasvolumens benötigt wird, wie das Aufblasen eines Luftballons vorstellen. Für das Aufblasen des Luftballons wird Energie benötigt. Diese Energie entspricht im übertragenen Sinne dem Erzeugen des Gasvolumens gegen den herrschenden Umgebungsdruck.
Verdampfungsenthalpie
Die Verdampfungswärme kann in einen Anteil aufgeteilt werden, der die Änderung der inneren Energie ΔU in Form veränderter Bindungsenergie bewirkt, und einen Anteil, der die Volumenänderung zur Folge hat.
Q_V = Delta U + p cdot Delta V := Delta H_V quad text{Verdampfungsenthalpie}
Die Summe aus innerer Energie und dem Produkt aus Druck und Volumen wird in der Thermodynamik auch als Enthalpie bezeichnet. Die Gleichung gibt somit die Änderung der Enthalpie des Stoffes durch die isobare Zufuhr der Verdampfungswärme wieder. Daher wird die Verdampfungswärme auch als Verdampfungsenthalpie bezeichnet.
Bei einer isobaren Verdampfung kommt die zugeführte Verdampfungswärme vollständig der Änderung der Enthalpie zugute und wird deshalb auch als Verdampfungsenthalpie bezeichnet!
Beachte, dass die Verdampfungswärme und die Verdampfungsenthalpie zwar den gleichen Wert haben, jedoch unterschiedliche thermodynamische Bedeutungen haben! Die Enthalpie ist eine Zustandsgröße, die den energetischen Zustand eines Stoffes anhand der inneren Energie und des Drucks bzw. Volumens beschreibt (alle drei Größen sind Zustandsgrößen!). Die Wärme hingegen ist eine Prozessgröße und beschreibt lediglich den Prozess der Energieübertragung in ein System hinein bzw. von einem System heraus. Die über die Systemgrenze hinweg zugeführte Verdampfungswärme ist sozusagen die Ursache für die Änderung der Enthalpie des Systems. Die Verdampfungswärme ist folglich die Ursache und die Enthalpieänderung die resultierende Wirkung.
Verdampfungsenthalpie am Beispiel von Wasser
Lassen Sie uns nun die Verschiebearbeit während der Verdampfung von Wasser betrachten. Zunächst nimmt 1 Kilogramm flüssiges Wasser bei einem Druck von 1 bar ein Volumen von etwa 1 Liter ein. Nach dem vollständigen Verdampfen hat sich das Volumen auf etwa 1692 Liter erhöht (dieser Wert kann mit Hilfe der Van-der-Waals-Gleichung ermittelt werden). Die Volumenänderung nach dem Verdampfen beträgt also ΔV = 1691 Liter. Für diese Volumenänderung wird daher eine Energie von etwa 169 kJ benötigt:
W = p cdot Delta V = 1 cdot 10^5 , text{N/m²} cdot 1.691 , text{m³} approx 169 , text{kJ}
Die insgesamt zugeführte Verdampfungswärme für 1 Kilogramm Wasser beträgt laut Literatur 2257 kJ. Somit entfallen bei einem Umgebungsdruck von 1 bar etwa 7,5% der insgesamt zugeführten Verdampfungswärme auf die Energie, die zur Vergrößerung des Volumens aufgebracht werden muss. Die restlichen 92,5% der Verdampfungswärme werden tatsächlich für die Änderung der Bindungsenergie (Änderung der inneren Energie) verwendet.