Vor einiger Zeit begegnete mir dieser Satz: “Der Unterschied zwischen ‘Zeit haben’ und ‘keine Zeit haben’ heißt Interesse.” Er ließ mich nicht mehr los. Zu der Zeit steckte ich in einer endlosen Schleife aus Terminen und offenen Aufgaben fest. Ich hatte zu wenig Zeit, ein schlechtes Gewissen und konnte nichts richtig auf die Reihe bekommen. Jedes Mal, wenn mir gesagt wurde, dass wir uns unbedingt treffen sollten, überkam mich ein schlechtes Gewissen. Wie konnte ich das nur mit all den anderen Dingen vereinbaren? Gleichzeitig musste ich aufpassen, mich selbst nicht zu vernachlässigen und es jedem recht zu machen. Dieser Satz kam genau zur richtigen Zeit und ließ mich immer wieder über seine Bedeutung nachdenken.
Eigentlich will ich meine Zeit nicht hergeben!
Früher war alles einfacher! Wir trafen uns mit Freunden in der Schule oder nachdem wir mit den Hausaufgaben fertig waren. Es blieb genug Zeit zum Spielen übrig. Wir hatten weniger Verpflichtungen und weniger Menschen in unserem Umfeld. Heutzutage kann es eine echte Herausforderung sein, das soziale Leben, Hobbies, Vorlieben und den Job unter einen Hut zu bringen. Und wenn Kinder im Spiel sind, kommen noch Elternabende, Veranstaltungen und Sportevents hinzu. Aber jedem von uns stehen nur 24 Stunden am Tag zur Verfügung. Es liegt also an uns, wie wir diese Zeit einteilen. Für mich persönlich muss ich mich nur selbst organisieren. Es ist erstaunlich, wie oft ich mich selbst zur größten Herausforderung mache! Es gibt Dinge, für die ich brenne und die ich unbedingt tun möchte. Dazu gehört zum Beispiel Tennis. “Du und dein Tennis Training!” Diesen Satz habe ich schon oft gehört, wenn ich Veranstaltungen ausgelassen habe, die sich mit meinem Training überschnitten haben. Ja, ich und mein Tennis! Ich setze meine eigenen Bedürfnisse oft hinten an, um anderen Platz zu machen. Aber beim Tennis bleibe ich hart! Egal ob Job oder Privatleben. Diese 90 Minuten pro Woche gehören mir und sind mir heilig! Die gebe ich nicht auf! Was machst du am Montag? Meine ehrliche Antwort wäre: Nichts. Aber ich habe gelernt, dass es für manche nicht nachvollziehbar ist, dass man an einem Tag, an dem man nichts tut, keine Zeit hat. Für mich ist “Nichtstun” ein wahrer Balsam! Nach der Arbeit einfach auf dem Sofa liegen, Serien oder Filme schauen und den Abend gemütlich verbringen.
Nein, ich habe keine Zeit für dich. Meine Zeit brauche ich, um nichts zu tun.
Es fällt mir schwer, einfach Nein zu sagen und meine Zeit für mich zu beanspruchen. Ich muss mich immer wieder selbst ermahnen, mein schlechtes Gewissen abzustellen. Sag einfach, dass du an dem Tag keine Zeit hast und nenne keinen Grund. Wenn jemand fragt, was du dann machst, musst du ihm keinen detaillierten Tagesablauf geben. Es reicht zu sagen, dass du unterwegs oder bei Freunden bist. Lässt die Person nicht locker, musst du dich nicht rechtfertigen und kannst ihr das auch so sagen. Ich habe mich oft geärgert, wenn meine Zeit von anderen in Anspruch genommen wurde und ich selbst nichts davon hatte. Wenn mich jemand um einen Gefallen bat, der in Stress und Arbeit ausartete. Wenn jemand mich warten ließ, obwohl ich mich beeilen musste, um pünktlich zu sein. Wenn jemand, der oft absagt, dann sagt: “Wir sehen uns nur noch so selten.” Ja, weil ich von dir keinen Mehrwert habe und mehr Zeit vergeude. Aber das kann ich nicht sagen. Wie sage ich dir, dass mich deine Themen überhaupt nicht interessieren und ich keinen Abend mit dir verbringen möchte, um mir belanglose Dinge anzuhören? Wie sage ich dir, dass ich mich nicht mehr mit dir treffen möchte, wenn du mich jedes Mal warten lässt? Nein, ich zeige dir jetzt nicht meinen Kalender, damit wir einen Termin finden. Ich schlage dir gerne ein paar Tage vor, aber sie müssen für mich passen. Ich kann einfach nicht so offen zu Menschen sein. Ich möchte niemanden verletzen. Ich mag euch alle als Menschen! Es kann schön sein, sich spontan zu treffen und eine Stunde miteinander zu reden. Aber ich möchte nicht mehr Zeit mit euch teilen, wenn es sich wie eine Einbahnstraße anfühlt und mir mehr Energie raubt, als es mir gibt. Vielleicht geht es euch genauso mit mir und auch ihr traut euch nicht, so offen zu mir zu sein. Wir wollen niemanden verletzen und gehen Kompromisse ein. Dadurch wird unsere Zeit knapp, wir sind gestresst und genervt. Ich möchte keine Zeit mit Menschen verbringen, die mir mehr wegnehmen als geben.
Liebend gerne! Dafür habe ich Zeit!
Ich liebe es, meine Zeit mit Menschen zu verbringen, die mir etwas zurückgeben. Mit diesen Menschen möchte ich reden, ihnen zuhören und gemeinsam lachen. Neue Impulse und Ideen beflügeln mich und geben mir neuen Schwung. In unseren Gesprächen bin ich mit großem Interesse und aus vollem Herzen dabei. Ich freue mich auf diese Zeit und merke danach, wie wertvoll sie war. Ich möchte diese Menschen viel öfter sehen und halte ihnen sogar schon Tage in meinem Kalender frei. Wir treffen uns mit einem großen Lächeln im Gesicht und vereinbaren unser nächstes Treffen! Wenn ich Verabredungen mit einem Grinsen im Gesicht und Kribbeln im Bauch in meinen Kalender schreibe, dann wird das wertvolle Zeit sein! Es wird eine Bereicherung für mich und die Menschen sein, mit denen ich bewusst und intensiv zusammen bin. Wir hören einander zu, nehmen Anteil und genießen bewusst das Zusammensein. Und es spielt keine Rolle, ob wir uns alle paar Wochen oder nur zweimal im Jahr sehen. Ich werde für sie immer Zeit haben, mit vollem Herzen und großem Interesse!
