Die Beschwerden über das Unternehmen “Stoff4You – Stoff Palette Bernd Schnekenburger e.K.” in Donaueschingen nehmen auf Facebook zu. Der Schwarzwälder Bote hat sich sowohl mit den Beschwerdeführern als auch mit der Geschäftsleitung ausgetauscht.
Nach Bestellung vergehen Tage und Wochen
Birgit Kronenbitter aus Schramberg ist eine von ihnen. Während der Corona-Krise näht die 55-Jährige Masken und entdeckt im April auf der Website von Stoff4You Maskenstoffe mit einer angegebenen Lieferzeit von bis zu fünf Tagen. Sie freut sich über die Verfügbarkeit und kauft per Sofortüberweisung ein. Die Bestätigung ihrer Bestellung erhält sie ohne eine Angabe zur Lieferzeit. Doch dann vergehen Tage und Wochen.
Kronenbitter kann nicht wie geplant Masken für die Schule ihrer Kinder nähen. Schließlich macht sie von ihrem Widerrufsrecht Gebrauch und storniert die Bestellung. Am Tag danach erhält sie plötzlich eine Versandbestätigung. Jedoch funktioniert der Link zur Sendungsverfolgung in der E-Mail nicht. Sieben Tage nach dem Widerruf kommt das Paket bei ihr in Waldmössingen an, aber Kronenbitter lehnt die Annahme ab. Das Paket wird zurückgeschickt. Stoff4You lehnt daraufhin Kronenbitters Stornierung ab und behauptet, dass es sich bei der Bestellung um einen gewerblichen Kauf handelte. Der Streit geht weiter, beide Seiten zeigen keine Kompromissbereitschaft. Inzwischen plant die gebürtige Oberndorferin, einen Anwalt einzuschalten.
Vorwurf: Bewusst betrogen als gutmütiger Mensch
Birgit Kronenbitter ist überzeugt, dass das Versenden der Ware nach Stornierung bewusst erfolgt. “Das ist nicht der einzige Fall”, berichtet sie. In der Facebook-Gruppe “Erfahrung mit #Stoff4you und #Stoffmeile” tauscht sie sich mit anderen Kunden aus, darunter auch Kathrin Waldstädt aus Senden. Waldstädt berichtet dem Schwarzwälder Boten von ähnlichen Erfahrungen. Auch ihre Bestellung bleibt wochenlang aus und ihr Widerruf wird abgelehnt. Waldstädt wird mit der Begründung konfrontiert, dass ihre Bestellung bereits “im Zuschnitt” sei. Als das Paket 36 Tage nach der Bestellung verschickt wird, enthält es minderwertige und falsche Ware. Waldstädt schickt das Paket zurück und reklamiert erneut. Stoff4You reagiert nicht, stattdessen meldet sich ein anderer Kunde bei ihr, dem das zurückgeschickte Paket mit ihren persönlichen Daten zugeschickt wurde.
“Wie unglaublich”, empört sich Waldstädt gegenüber dem Schwarzwälder Boten. Sie hat bereits einen Anwalt eingeschaltet und ist der Meinung, dass Stoff4You gutmütige Menschen bewusst betrügt. Birgit Kronenbitter stimmt ihr zu und findet das Verhalten des Unternehmens “unmöglich”. Sie glaubt, dass die Firma die Corona-Krise ausnutzt. Bisher haben die beiden Frauen keine Reaktion auf ihre Forderungen erhalten. Rechtsanwalt Markus Sebald berichtet, dass die Kommunikation schwierig ist und sie bisher nur in einer Angelegenheit eine Antwort erhalten haben. Sebald vertritt etwa ein halbes Dutzend Mandanten gegen Stoff4You.
Geschäftsführer spricht von Überlastung
Bernd Schnekenburger, Geschäftsführer von Stoff4You, schildert dem Schwarzwälder Boten die Situation anders. Sein Unternehmen wurde von der Corona-Krise überrollt. Die Menge an Bestellungen stieg plötzlich um das Sieben- bis Achtfache an, während viele seiner Stofflieferanten aufgrund der Corona-Beschränkungen ausgefallen waren. “Es war die verrückteste Zeit, die ich je erlebt habe”, sagt er.
Die Situation führte zu Überstunden für die 45 Mitarbeiter, die Arbeit an Sonn- und Feiertagen und dem Verschieben von Urlaub. Um die Situation zu bewältigen, wurden zeitweise etwa 55 zusätzliche Aushilfskräfte eingestellt, berichtet auch Ehefrau Christina Schnekenburger, die ebenfalls in der Geschäftsleitung tätig ist. Dies war einerseits eine große Hilfe, andererseits führte es in dieser Phase, in der mehr als die Hälfte der Mitarbeiter Aushilfskräfte waren, zu vielen Fehlern. Die Beantwortung von E-Mails und die Betreuung der Hotline kamen dabei zu kurz, gibt sie zu.
Die Unzufriedenheit der Kunden belastet das Unternehmen schwer. “Es tut uns natürlich leid, wenn Kunden unzufrieden sind”, sagt sie. Es sei besonders schwierig, den hart erkämpften Ruf auf das Vor-Corona-Niveau zurückzubringen. Dennoch kritisiert Christina Schnekenburger die Dynamik, die sich auf Facebook entwickelt hat. Nutzer hätten beleidigende Kommentare hinterlassen und versucht, Stimmung zu machen. Das Unternehmen ist rechtlich gegen diese Angriffe vorgegangen. “Das Schlimmste sind die sogenannten Hater, die alles negativ kommentieren”, sagt Schnekenburger.
Widerrufe bei bereits zugeschnittener Ware nicht akzeptiert?
Die Anschuldigung, dass Stoff4You systematisch Bestellungen nach dem Widerruf versendet, weist sie entschieden zurück. “Wir haben keine Zeit dafür, die Bestellungen abzustimmen.” Und was ist mit dem Vorwurf, Widerrufe nicht anzunehmen? Die Schnekenburgers beziehen sich zum einen auf den Aspekt der höheren Gewalt, der zu Verzögerungen bei den Lieferketten geführt hat und daher Widerrufe ausschließt. Zum anderen halten sie Widerrufe bei bereits zugeschnittener Ware für nicht rechtmäßig, zumindest nicht bei Kleinmengen. Christina Schnekenburger berichtet von bereits zwei Gerichtsverfahren zu diesem Thema. In einem Fall entschied das Gericht, dass Stoff4You eine Bestellung zurücknehmen muss, während es in einem anderen Fall der Firma Recht gab und den Widerruf eines zugeschnittenen Kleinmengen-Stoffes ablehnte. “Es ist üblich, dass ein Meter Stoff nicht zurückgenommen wird”, betont Christina Schnekenburger. Bei 30.000 Produkten und etwa 15.000 Stoffen würde es problematisch werden, wenn einzelne Meterstücke im Lager ungenutzt blieben.
Die Schnekenburgers hoffen nun auf das Verständnis der Kunden für die Ausnahmesituation und auch für die Fehler, die passiert sind. Diese seien nicht absichtlich gemacht worden, aber Fehler seien in der menschlichen Arbeit leider nicht auszuschließen, so Christina Schnekenburger.
Es drohen Zivilgerichtsprozesse
Diejenigen, die bereits Rechtsanwälte eingeschaltet haben, könnten nun Zivilgerichtsprozesse anstreben. Birgit Kronenbitter und Kathrin Waldstädt sind mit ihren Anliegen nicht allein. Die Polizei bestätigt dem Schwarzwälder Boten, dass mehrere Beschwerden gegen den Stoffladen vorliegen. Diese haben jedoch “nur” zivilrechtliche Bedeutung, sagt Polizeisprecher Jörg Kluge. Ob der Inhaber kulant gegenüber den Kunden war oder nicht, und ob die Lieferzeiten sehr lang waren, ist für die Polizei nicht relevant. Die Polizei ist hauptsächlich bei strafrechtlichen Vorfällen tätig. Das Zivilrecht regelt hingegen das Verhältnis zwischen Bürgern, wie zum Beispiel Ansprüche aus Verträgen oder Schadensersatzansprüche.