Endlich war es soweit: Bei den Kommunalwahlen am 25. Mai 2014 durften erstmals rund 200.000 16- und 17-Jährige in Baden-Württemberg ihre Stimme abgeben. Damit wurde eine Änderung des Kommunalwahlrechts umgesetzt, die das Mindestwahlalter von 18 auf 16 Jahre senkte. Das Kabinett der grün-roten Landesregierung hatte diese Entscheidung bereits am 6. November 2012 getroffen. Der Gesetzentwurf wurde am 7. März 2013 in den Landtag eingebracht und am 11. April 2013 mit grün-roter Mehrheit verabschiedet. Allerdings gab es auch Kritik von den Oppositionsfraktionen CDU und FDP, die die Pläne als parteitaktisch motiviert ansahen.
Wahlen auf kommunaler Ebene
Kommunalwahlen sind die politischen Wahlen in Städten, Gemeinden und Landkreisen. Die genauen Regelungen für diese Wahlen werden in den Landes- und Kommunalwahlgesetzen festgelegt, für die die Bundesländer zuständig sind. In Baden-Württemberg haben Bürgerinnen und Bürger einen bedeutenden Einfluss auf kommunalpolitische Angelegenheiten. Sie entscheiden direkt darüber, wer Bürgermeister wird (Plebiszit) und können durch Panaschieren und Kumulieren auch Einfluss auf die Besetzung des Gemeinderats nehmen. Auch “Elemente direkter Demokratie” sind auf kommunaler Ebene in Baden-Württemberg stark ausgeprägt. Ein bestimmtes Quorum der Bürger kann etwa eine Bürgerversammlung erzwingen, und das Bürgerbegehren, das einen Bürgerentscheid einleitet, gehört zum traditionellen Instrumentarium der direkt-demokratischen Willensbildung.
Jugendliche als aktive Gestalter
Durch die Änderung des Kommunalwahlrechts haben Jugendliche im Alter von 16-18 Jahren in Baden-Württemberg nun die Möglichkeit, die Besetzung von Gemeinderäten, Kreistagen, dem Verband Region Stuttgart und dem Amt des Bürgermeisters mitzubestimmen. Sie dürfen außerdem an Bürgerbegehren, Bürgerentscheiden und Bürgerversammlungen teilnehmen, also an Verfahren der direkten Demokratie auf kommunaler Ebene. Es besteht jedoch auch die Möglichkeit, dass Jugendliche zu ehrenamtlicher Mitarbeit in ihrer Gemeinde herangezogen werden, zum Beispiel als Wahlhelfer. Es ist wichtig zu beachten, dass die Absenkung des Wahlalters nur das aktive Wahlrecht betrifft. Das passive Wahlrecht, also das Recht sich zur Wahl aufstellen zu lassen, bleibt weiterhin erst ab dem 18. Lebensjahr bestehen. Allerdings können sich Jugendliche in den Jugengemeinderat ihrer Gemeinde wählen lassen.
Mehr Verantwortung für Jugendliche
Die Landesregierung plant zudem eine Änderung der Gemeindeordnung, um Jugendlichen auf kommunaler Ebene mehr Verantwortung zu übertragen. Jugendliche sollen die Möglichkeit haben, einen Jugendgemeinderat in ihrer Gemeinde zu beantragen, falls noch keiner existiert. Derzeit sieht die Gemeindeordnung für Baden-Württemberg vor, dass eine Gemeinde “einen Jugendgemeinderat oder eine andere Jugendvertretung einrichten kann”, jedoch nicht verpflichtet ist. Jugendgemeinderäte sollen außerdem verbindliche Rede- und Antragsrechte im Gemeinderat erhalten.
Die Neuwählerinnen und -wähler in Baden-Württemberg beginnen somit direkt mit den anspruchsvollsten Aspekten des deutschen Wahlrechts. Bei Landtagswahlen haben sie eine Stimme, bei Bundestagswahlen sind es bereits zwei. Bei Kommunalwahlen, wie zum Beispiel in Stuttgart, stehen plötzlich bis zu 60 Stimmen zur Verfügung und es gibt mehrere Stimmzettel. Dabei können die Wählerinnen und Wähler ihre Stimmen kumulieren, also einem Kandidaten bis zu drei Stimmen geben, und panaschieren, also Kandidaten aller Listen mischen.
Die Kommunalpolitik beeinflusst das Umfeld von Jugendlichen direkt, ohne dass sie bisher Einfluss auf die Wahl ihrer Gemeindevertreter hatten. Die Gemeinderäte entscheiden über Freizeitangebote, Jugendhäuser, Schulen und den öffentlichen Nahverkehr – alles Entscheidungen, die junge Menschen unmittelbar betreffen. Durch die Senkung des Wahlalters wird sichergestellt, dass junge Menschen frühzeitig in das demokratische System eingebunden werden können.
Quellen:
- Drucksache 15 / 3360 11.04.2013
- Gesetzesbeschluss des Landtags
- Gesetz zur Änderung kommunalwahlrechtlicher und gemeindehaushaltsrechtlicher Vorschriften
- Landtag von Baden-Württemberg, Plenarprotokoll 62. Sitzung, Stuttgart, Donnerstag, 7. März 2013, Haus des Landtags, Erste Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung- Gesetz zur Änderung kommunalwahlrechtlicher und gemeindehaushaltsrechtlicher Vorschriften – Drucksache 15/3119
- Plenarprotokoll 65. Sitzung, Stuttgart, Donnerstag, 11. April 2013, Haus des Landtags, Zweite Beratung des Gesetzentwurfs der Landesregierung- Gesetz zur Änderung kommunalwahlrechtlicher und gemeindehaushaltsrechtlicher Vorschriften – Drucksache 15/3119Beschluss