Wann soll der Staat ins “freie Spiel des Marktes” eingreifen?

Wann soll der Staat ins “freie Spiel des Marktes” eingreifen?

Der Wettbewerb auf dem Markt ist essenziell für das Funktionieren einer Wirtschaft. Er sorgt für niedrige Preise, Qualität und eine optimale Nutzung der Ressourcen. Doch es gibt Situationen, in denen staatliches Eingreifen notwendig ist. Dabei gibt es zwei Szenarien, in denen der Staat eingreifen kann.

Beispiel 1: Funktionsunfähiger Wettbewerb

Wenn einzelne Anbieter aufgrund von Marktmacht überdurchschnittliche Gewinne erzielen können, ist der Wettbewerb nicht mehr funktionsfähig. In solchen Fällen steigen in der Regel die Preise, die Qualität sinkt und die Gesamtwohlfahrt nimmt ab. Der Staat muss eingreifen, um entweder die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs zu schützen oder Unternehmen daran zu hindern, ihre Marktmacht auszunutzen. Dieses Gebiet wird als Wettbewerbspolitik bezeichnet. Prominente Beispiele sind Verfahren gegen Facebook und Amazon sowie die Prüfung der Fusion von E.on und innogy. Es ist jedoch herausfordernd, solche Marktmachtprobleme zu erkennen, da die Wettbewerbsbehörden oft nicht über ausreichende Informationen verfügen.

Beispiel 2: Funktionierender Wettbewerb mit unerwünschten Ergebnissen

Es gibt auch Fälle, in denen der Wettbewerb funktioniert, aber zu gesellschaftlich unerwünschten Konsequenzen führt. Hier kann der Staat ebenfalls eingreifen. Dies betrifft beispielsweise den Arbeitsmarkt, die Sozialpolitik und die Ordnungspolitik. Der Wettbewerb erfordert von allen Akteuren, sich der Konkurrenz zu stellen. Das birgt jedoch die Möglichkeit des Scheiterns, selbst wenn man sich maximal anstrengt. Diese unausweichliche Eigenschaft des Wettbewerbs führt zur Frage der sozialen Absicherung bei beispielsweise Insolvenzen. Die Herausforderung besteht darin abzuschätzen, wann soziale Absicherungen den Wettbewerb so stark beeinflussen, dass er seine zentralen Funktionen nicht mehr erfüllen kann. Ein Beispiel hierfür sind Fälle wie die Pleiten von Thomas Cook oder Schlecker, bei denen entschieden werden muss, ob Unternehmen und ihre Arbeitnehmer durch staatliche Maßnahmen unterstützt werden sollen. Wenn Unternehmen jedoch damit rechnen können, bei Misserfolg aufgefangen zu werden, verringert das ihren Anreiz, im Wettbewerb zu bestehen. Es gibt keine einheitliche fachliche Sicht darauf, wie stark die soziale Absicherung die Funktionen der Marktwirtschaft untergräbt. Aber die Spannungsfelder lassen sich identifizieren, die sich durch solche Eingriffe ergeben.

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Das Verständnis dafür, wann staatliches Eingreifen im Wettbewerb erforderlich ist, erfordert eine solide fachliche Basis. Diese wird in den Lehrplänen für den Wirtschaftsunterricht in verschiedenen Bundesländern behandelt. Dabei werden die Preisbildung auf Märkten, staatliche Eingriffe bei Monopolen, Oligopolen und Kartellen, Verbraucherschutzmaßnahmen und die Auswirkungen anderer staatlicher Eingriffe auf Märkte analysiert.

Die Themen Wettbewerbspolitik und Ordnungspolitik bringen dabei spezifische inhaltliche Anforderungen mit sich. Um die Herausforderungen der Wettbewerbspolitik zu verstehen, muss der Preisbildungsprozess bei Wettbewerb genauer betrachtet werden. Es müssen Fragen beantwortet werden, wie welche Güter oder Dienstleistungen zum betrachteten Markt gehören, welche Unternehmen in Konkurrenz zueinander stehen und ob es für neue Anbieter möglich ist, in den Markt einzutreten. Es ist wichtig zu erkennen, wann funktionsfähiger Wettbewerb vorliegt. Die wettbewerbspolitischen Instrumente helfen dabei, diese Antworten zu finden. Es wird deutlich, dass die Realität oft komplexer ist als das Modell es abbildet. Dennoch kann das vereinfachte Modell erstaunlich viele reale Fälle plausibel erklären. Die Auseinandersetzung mit wettbewerbspolitischen Fragen trägt dazu bei, das Modell der Preisbildung besser zu verstehen.

Um die ordnungspolitischen Herausforderungen zu verstehen, müssen die Auswirkungen von (Nicht-)Eingriffen aus Sicht verschiedener Akteure betrachtet werden. Es ist wichtig, zu reflektieren, dass staatliches Eingreifen regelbasiert sein sollte, und die möglichen Spannungsfelder zwischen dem Wettbewerbsprinzip und sozialer Absicherung zu identifizieren und abzuwägen. Diese multiperspektivische Urteilskompetenz bildet die Grundlage für die Auseinandersetzung mit einer Vielzahl von ordnungspolitischen Fragen.

Bei der Umsetzung im Unterricht bietet es sich an, aktuelle politische Fälle und Entscheidungen zu betrachten. Dabei ist zu bedenken, dass im Unterricht von konkreten Kontexten abstrahiert werden muss, um die generellen Fragen zu reflektieren. Die Schülerinnen und Schüler sollten lernen, verschiedene Fälle von Marktmachtmissbrauch oder Unternehmensrettungen zu unterscheiden und die Auswirkungen des Kontextes auf das Urteil zu berücksichtigen. Nur so kann eine fundierte Sichtweise entwickelt werden.

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Der Artikel wurde von Franziska Birke verfasst, Professorin für Wirtschaftspädagogik an der Pädagogischen Hochschule Freiburg. In ihrer Forschung beschäftigt sie sich unter anderem damit, wie die Urteilskompetenz in ordnungspolitischen Fragen gefördert werden kann.

Tipp

Eine gute Möglichkeit, das Verständnis für die Wettbewerbspolitik im Unterricht zu fördern, ist die Auseinandersetzung mit aktuellen politischen Fällen. Dabei sollte jedoch immer darauf geachtet werden, dass die Schülerinnen und Schüler nicht nur von den konkreten Beispielen beeinflusst werden, sondern auch die allgemeinen Fragen und Spannungsfelder reflektieren.