Die Fastenzeit vor Ostern ist für Christen eine Zeit der Buße und Besinnung, in der sie sich auf die zentralen Ereignisse ihres Glaubens vorbereiten – die Feier des Todes und der Auferstehung Jesu. Ähnliches galt früher auch für den Advent, der als Buß- und Fastenzeit vor Weihnachten begangen wurde. Bereits im 2. Jahrhundert gibt es Hinweise auf eine christliche Fastenzeit, die sich bis zum 5. Jahrhundert flächendeckend als 40-tägige Fastenzeit vor Ostern etablierte.
Wie bereiten sich Christen vor?
Im Laufe der Jahrzehnte sind die Regeln weniger streng geworden. Seit dem 5. Jahrhundert steht der Verzicht auf Genussmittel im Mittelpunkt. An den “Fasttagen” ist es erlaubt, einmal am Tag eine volle Mahlzeit zu sich zu nehmen und sich morgens und abends mit einer kleinen Stärkung zu begnügen. An den “Fast- und Abstinenztagen”, also an allen Freitagen der Fastenzeit, am Aschermittwoch und Karfreitag, sollte ausschließlich eine einzige Hauptmahlzeit eingenommen werden. Fleischgenuss ist verboten. Außerdem gilt die Fastenzeit als “geschlossene Zeit”, in der feierliche Hochzeiten, Feste und Tanz untersagt sind.
Wurden die Fastengebote streng befolgt?
Im Mittelalter wurden Verstöße gegen die Fastengebote bestraft: Von Stockschlägen über Einsperren bei Wasser und Brot bis zum Ausreißen der Zähne reichte das Strafmaß.
Gab es Versuche, die Fastengebote zu umgehen?
Im Mittelalter gab es originelle Versuche, die strengen Fastenvorschriften zu umgehen. So bereicherte in Klöstern zum Beispiel ein saftiges Bibersteak den Fastenspeisezettel, da der Biber sich größtenteils von Fisch ernährt und sich oft im Wasser aufhält. Auch das nahrhafte und kalorienreiche Fastenbier hat seinen Ursprung in der Fastenzeit. Eine klösterliche Regel besagt: “Trinken bricht das Fasten nicht”.
Gibt es andere Formen, die Fastenzeit zu begehen?
Die katholischen deutschen Bischöfe sehen den Sinn der Fastenzeit darin, sich selbst und den Lebensstil so zu ändern, dass Christus im Leben wieder mehr Raum einnehmen kann. Daher sind Bistümer, Gemeinden und Verbände kreativ geworden, wenn es darum geht, die 40 Tage zu gestalten. Es gibt spirituelle Angebote, Autofasten, Plastikfasten oder gemeinschaftlichen Verzicht auf WhatsApp, Facebook und Co. Die zentrale Fastenaktion der katholischen Kirche wird jedes Jahr vom Entwicklungshilfswerk Misereor organisiert, das zu Spenden für Entwicklungsländer und zur Überprüfung des eigenen Lebensstils aufruft.
Ist die Fastenzeit nur auf die katholische Kirche beschränkt?
Das Fasten ist fester Bestandteil aller Weltreligionen und nicht nur ein katholisches Phänomen. Auch in der evangelischen Kirche gibt es die Passionszeit mit zahlreichen Angeboten, wie zum Beispiel der jährlichen Fastenaktion “Sieben Wochen Ohne”. Die Angehörigen der Ostkirchen befolgen im Kirchenjahr vier Fastenzeiten, die viel strenger eingehalten werden als die Fastenzeit vor Ostern in der katholischen Kirche. Im Islam gibt es den Fastenmonat Ramadan.
Auch bei nichtreligiösen Menschen ist die Fastenzeit seit einigen Jahren im Trend. Viele versprechen sich neben dem Gewichtsverlust auch Glücksgefühle, eine Reinigung von Körper, Geist und Seele, geschärfte Sinne und mehr Energie.
Wie zeigt sich die Fastenzeit im kirchlichen Alltag?
Die Fastenzeit beginnt mit dem Aschermittwoch und endet mit dem Karsamstag. Sie dauert 40 Tage, wobei die Sonntage nicht mitgezählt werden, da an ihnen nicht gefastet werden sollte. Schon in den katholischen Gottesdiensten spiegelt sich die besondere Zeit farblich wider. Die vorherrschende liturgische Farbe ist Lila, die bei Farbpsychologen wegen ihrer Mischung aus dem kostbaren Purpurrot und einem eher kalten, schweren Blau für das Geistige und den starken Kontrast zum Körperlichen steht.
Warum dauert sie 40 Tage?
Die Zahl 40 hat in der jüdischen und christlichen Überlieferung eine hohe symbolische Bedeutung. Sie findet sich immer wieder in den Schriften des Alten und des Neuen Testaments. Jesus fastete 40 Tage, bevor er öffentlich auftrat, und das Volk Israel wanderte 40 Jahre lang durch die Wüste, nachdem es aus Ägypten ausgezogen war. Für Theologen steht die Zahl 40 für einen Zeitraum, der Wende und Neubeginn ermöglicht. Sie ergibt sich aus dem Produkt von 4 und 10. Die 4 steht in der Zahlenmystik üblicherweise für das Weltumspannende, Irdische und Vergängliche. Sie symbolisiert die Himmelsrichtungen und die Elemente Feuer, Erde, Wasser und Luft. Die 10 gilt als Zahl des in sich Vollendeten, Ganzen, was sich auch in den Zehn Geboten widerspiegelt.