Wer schon mal einen Blick auf einen Flugtracker geworfen hat, weiß: Am Himmel ist immer was los. Auf Seiten wie Flightradar 24 lässt sich verfolgen, welche Flugzeuge gerade im Luftraum unterwegs sind. Tagsüber gleichen die Karten einem Ameisenhaufen.
Laut der Deutschen Flugsicherung waren 2021 rund 1,67 Millionen Flugzeuge im deutschen Luftraum unterwegs. Eine stolze Zahl, die wegen des Verkehrseinbruchs infolge von Corona aber immer noch deutlich niedriger ist als vor Beginn der Pandemie: 2019 wurden im deutschen Luftraum ganze 3,3 Millionen Flüge gezählt.
Das ist ein enormes Flugaufkommen. Aber während auf den Straßen Deutschlands regelmäßig Autos zusammenstoßen, sind Meldungen über Flugzeugzusammenstöße äußerst selten.
Reisen mit dem Flugzeug: Drei Beinahe-Zusammenstöße im vergangenen Jahr
Der Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) wurden 2021 drei potenziell gefährliche Annäherungen von Luftfahrzeugen im Luftraum über Deutschland gemeldet. Das geht aus Zahlen hervor, die dem reisereporter vorliegen. 2020 gab es vier gemeldete Beinahe-Zusammenstöße, 2019 waren es ebenfalls drei.
Weil nicht alle Zwischenfälle der BFU gemeldet werden, könnte die tatsächliche Zahl der Beinahe-Zusammenstöße etwas höher liegen, erklärt ein Sprecher der BFU gegenüber dem reisereporter. In Relation zu der Zahl an Flugbewegungen sei die Menge der Beinahezusammenstöße jedoch sehr gering.
Beinahe-Zusammenstöße vor allem zwischen kleinen Flugzeugen
Gefährliche Annäherungen gab es in den vergangenen Jahren vor allem zwischen kleinen Flugzeugen. Beispielsweise kamen sich im April 2021 nahe Bochum ein Ultraleichtflugzeug und ein einmotoriger Hochdecker auf einem privaten Rundflug in der Luft nahe.
Leichtflugzeuge fliegen in der Regel nach den sogenannten Sichtflugregeln (VFR). Die erfordern nur wenige Instrumente an Bord. Stattdessen beobachten die Pilotinnen und Piloten nach dem Prinzip „see and avoid“ ihre Umgebung selbst und weichen gegebenenfalls entgegenkommenden Flugzeugen aus.
Eine Studie zur Erkennbarkeit von Segelflugzeugen und kleinen motorisierten Luftfahrzeugen im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen stellte allerdings fest, „dass die Sichtbarkeit von Flugzeugen im Luftraum überwiegend schlecht ist.“ Ein häufiger Grund für Unfälle ist demnach, dass Pilotinnen und Piloten andere Flugzeuge nicht oder zu spät erkennen.
Kollisionen von Verkehrsflugzeugen sind sehr selten
Auch zwischen kleinen motorisierten Luftfahrzeugen und großen Verkehrsflugzeugen kommt es hin und wieder zu Beinahe-Zusammenstößen wie im Juli 2019, als sich bei Reinfeld ein Verkehrsflugzeug mit 170 Passagierinnen und Passagieren und ein Segelflugzeug nahe kamen.
Das Verkehrsflugzeug war nach den sogenannten Instrumentenflugregeln (IFR) unterwegs, ausgestattet mit Instrumenten wie Flugüberwachungsgeräten. Laut dem Untersuchungsbericht der BFU können die Warnsysteme an Bord jedoch nur vor Luftfahrzeugen warnen, die ebenfalls mit diesen Systemen ausgestattet sind, und waren deswegen wirkungslos.
Gefährliche Annäherungen oder Zusammenstöße zwischen zwei Verkehrsflugzeugen dagegen sind sehr selten. Der letzte Zusammenstoß zweier großer Verkehrsflugzeuge im Luftraum über Deutschland ereignete sich laut BFU 2002: Damals kollidierte ein Charterflug von Bashkirian Airlines über Owingen bei Überlingen mit einem Frachtflug von DHL. 71 Menschen kamen dabei ums Leben.
Passagierflugzeuge: Warnsysteme und Lotsen sollen Zusammenstöße verhindern
Um Kollisionen möglichst zu verhindern, verfügen Verkehrsflugzeuge über ein Kontrollwarnsystem: Das „Traffic Alert and Collision Avoidance System“, kurz TCAS, schreibt die Internationale Zivilluftfahrtorganisation für alle Flugzeuge vor, die mehr als 5700 Kilogramm wiegen oder mehr als 19 Passagierinnen und Passagiere befördern dürfen.
Jedes Flugzeug, das einen Transponder montiert hat, übermittelt darüber Daten wie Flugrichtung, Höhe und Position. Diese wertet das TCAS aus und überwacht so den Luftraum. Flugzeuge in der näheren Umgebung werden auf den Navigationsdisplays der Pilotinnen und Piloten als Warnung angezeigt. So können die sich rechtzeitig auf ein Ausweichmanöver vorbereiten.
Berechnet das TCAS einen möglichen Zusammenstoß, dann wird eine Ausweichempfehlung ausgegeben. Alle betroffenen TCAS-Systeme stimmen sich dabei ab. Sie weisen den Piloten oder die Pilotin dann zum Beispiel an, zu steigen, und das andere Flugzeug, in einen Sinkflug zu gehen, damit der Sicherheitsabstand wieder hergestellt wird. Je höher die Flugzeuge unterwegs sind, desto größer muss der Abstand sein.
Neben dem TCAS und anderen Warnsystemen im Flugzeug sorgen auch Fluglotsinnen und ‑lotsen für Sicherheit im Luftraum. Unterstützt von Radar- und Computersystemen kontrollieren sie, dass Flugzeuge in der Luft und beim An- und Abflug die nötigen Abstände einhalten.
Diese Sicherheitsvorkehrungen machen es möglich, dass täglich Tausende Flugzeuge über den Himmel Deutschlands fliegen. Vollständig verhindern können auch sie Flugzeugzusammenstöße zwar nicht, aber das Risiko einer Kollision ist gering.
Drohnen könnten Luftverkehr zunehmend behindern
Neben anderen Flugzeugen könnten in Zukunft auch Drohnen den Luftverkehr zunehmend beeinträchtigen. Im vergangenen Jahren wurden den Fluglotsinnen und Fluglotsen der DFS 134 Fälle gemeldet, in denen sich Flugzeugpilotinnen und ‑piloten von einer Drohne behindert fühlten. Das sind 42 mehr Behinderungen als im vorherigen Jahr und neun mehr als 2019.
Mit einer wachsenden Anzahl der unbemannten Flugobjekte werde auch die Zahl der gefährlichen Annäherungen zwischen Drohnen und Flugzeugen steigen, vermutet der Sprecher der BFU gegenüber dem reisereporter. Hunderte von Stellen arbeiteten aber daran, dass der Luftverkehr auch in Zukunft sicher bleibt.
Reisereporter