Warum Frauen auch Priesterinnen werden können

Warum Frauen auch Priesterinnen werden können

Die Frage nach einem gleichberechtigten Zugang von Frauen zu allen kirchlichen Ämtern lässt sich nicht mehr aus der römisch-katholischen Welt verdrängen. Ihre positive Beantwortung angesichts der Zeichen der Zeit wird immer dringlicher. Dafür gibt es ernstzunehmende Indizien. Genannt sei hier nur das Votum der Amazonassynode in Rom vom Herbst 2019 oder der kürzlich gestartete Synodale Weg der katholischen Kirche in Deutschland, bei dem sich auch eines der vier Foren dem Thema “Frauen in Diensten und Ämtern der Kirche” widmet. Nicht zuletzt erklärte der neu gewählte Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Limburger Bischof Georg Bätzing, die Gleichberechtigung von Frauen in der katholischen Kirche zur wichtigsten Herausforderung in seinem neuen Amt. Dennoch: Rom ist offenbar trotz zunehmenden und auch theologisch wie pastoral argumentativ gut begründeten Widerspruchs (noch) nicht bereit, sich in der “Frauenfrage” zu bewegen. Dies bestätigt auch das jüngst veröffentlichte nachsynodale Schreiben von Papst Franziskus “Querida Amazonia”.

Eine alte Tradition spricht für die Gleichberechtigung

Aus neutestamentlicher Perspektive verdient in der Widerlegung gerade dieses Arguments eine alte, auf die Anfänge nachösterlicher Theologie zurückreichende Tauftradition, die Paulus in Gal 3,27f. zitiert, eine größere Beachtung, als ihr bisher in der Diskussion geschenkt wurde.

Wörtlich übersetzt, lautet diese Tradition:

“Die ihr nämlich auf Christus getauft wurdet, habt Christus angezogen. Da ist nicht Jude noch Grieche, da ist nicht Sklave noch Freier, da ist nicht männlich und weiblich. Ihr alle nämlich seid EINER in Christus Jesus.”

Die alte Tradition hält also fest, was die Taufe bei den Menschen, die sie empfangen, bewirkt: Sie haben Christus angezogen – gleichsam wie ein Gewand. Kleider machen bekanntlich Leute. In bildhafter Sprache wird damit ausgedrückt: Die Getauften sind zu Christus selbst geworden, sie haben unterschiedslos in der Taufe seine Identität, die Identität des Sohnes Gottes geschenkt bekommen. Dass dies tatsächlich so zu verstehen ist, bestätigt Paulus ausdrücklich, indem er die Tradition folgendermaßen einleitet: “Denn alle seid ihr durch den Glauben Söhne Gottes in Christus Jesus” (Gal 3,26). Dieser neue Status als Sohn Gottes kennzeichnet die Getauften damit völlig unabhängig von ihrer religiösen Herkunft (Jude/Grieche), ihrem sozialen Stand (Sklave/Freier), aber gerade auch unabhängig von ihrem biologischen Geschlecht (männlich/weiblich). Als Mitglieder der Gemeinschaft derer, die ihr Heil untrennbar mit Christus verknüpft haben, d.h. als Mitglieder der Kirche (ekklesia) unterscheiden sie sich durch die Taufe also nicht mehr voneinander, sie sind vielmehr EINER, jeder und jede (!) Getaufte ist Sohn Gottes in Christus Jesus.

LESEN  Warum kämpfen Männer nicht um eine Beziehung?

Alle werden in der Taufe zu “Geistlichen”

Eng mit dieser frühen Tauftheologie verbunden ist die Überzeugung, dass alle Christusgläubigen in der Taufe den Geist empfangen haben, also zu “Geistlichen” geworden sind. Diese Überzeugung hatte unmittelbare Auswirkungen auf die Gestaltung des gemeinschaftlichen (ekklesialen) Lebens. So steht für den Apostel Paulus fest, dass sich der Geistempfang in den einzelnen Getauften durch eine je eigene Berufung (Charisma) individuell konkretisiert, die für den Dienst am Evangelium und für den Aufbau der Glaubensgemeinschaft fruchtbar werden muss. Obwohl die verschiedenen Charismen als geistgewirkt gleichwertig sind, sind jedoch schon durch die Paulusbriefe für die erste urchristliche Generation Leitungsfunktionen belegt, deren Wahrnehmung selbst eines entsprechenden Charismas bedarf. Solche Leitungsfunktionen wurden nachweislich auch durch teils sogar namentlich bekannte Frauen wahrgenommen. Erwähnt seien hier nur die Apostelin Junia (Röm 16,7) oder die Diakonin Phöbe (Röm 16,1f).

Image

Die Gleichberechtigung von Frauen in der katholischen Kirche ist also keineswegs eine moderne Forderung, sondern hat biblische Grundlagen. Die Taufe und der Empfang des Heiligen Geistes eröffnen jedem Getauften die Möglichkeit, aktiv am kirchlichen Leben und Dienst teilzuhaben, unabhängig von Geschlecht, sozialer Herkunft oder religiösem Hintergrund.

Es ist an der Zeit, dass die römisch-katholische Kirche diese biblischen Grundlagen ernst nimmt und Frauen eine gleichberechtigte Rolle in allen kirchlichen Ämtern ermöglicht. Die positive Entwicklung in anderen Teilen der Weltkirche zeigt, dass es möglich ist und dass Frauen eine wertvolle Bereicherung für die Kirche sein können. Die Zeit für Veränderung ist jetzt gekommen, und es liegt an uns, diese Veränderung aktiv zu unterstützen und voranzutreiben.