Dieser Artikel liegt bereits seit fast 2 Jahren in meiner Schublade, doch bisher hatte ich nie die Zeit, ihn mit seinem “Streitpotenzial” in Ruhe zu Ende zu schreiben. Doch nachdem sich in diesem Jahr die Fälle häuften, in denen Katzen durch Hausbesuche von Tierärzten traumatisiert wurden und dies zu einem nachhaltigen Vertrauensverlust gegenüber Menschen und Verhaltensauffälligkeiten führte, ist dieser Artikel mehr als überfällig.
Die Pandemie hat dazu geführt, dass nach neuen Wegen gesucht wurde, wichtige Dinge trotz Abstandsregeln und Lockdown aufrechtzuerhalten, wie z. B. das Arbeiten, das Lernen, das Beraten und auch die tierärztliche Versorgung. Dadurch hat der tierärztliche Hausbesuch einen regelrechten Boom erlebt.
Doch wenn die Bedürfnisse der Menschen dazu führen, dass Tiere unnötig in Gefahr gebracht werden und ihnen nur eingeschränkte medizinische Diagnostik und Behandlung zuteilwird, dann endet meine Toleranz. Denn die Leidtragenden sind hier wieder einmal die Katzen, physisch und psychisch.
Ich verurteile auch irreführende Werbung, die die Unwissenheit der Katzenhalter ausnutzt und ihnen suggeriert, dass der Hausbesuch für die Katze stressfrei ist und dass man damit der Katze etwas Gutes tut. Hier profitieren fast immer nur die Menschen.
Natürlich bin ich grundsätzlich dankbar für tierärztliche Hausbesuche und mobile Tierärzte, denn es gibt Ausnahmefälle und Ausnahme-Katzen, für die es ein Segen ist. Doch meiner Meinung nach muss dabei sehr verantwortungsbewusst vorgegangen und klar mit den Katzenhaltern kommuniziert werden.
Mit knapp 15 Millionen Katzen in deutschen Haushalten ist die Katze das beliebteste Haustier Deutschlands. Leider werden sie den Tierärzten deutlich seltener und oft zu spät vorgestellt. Gründe hierfür gibt es viele, einige liegen in der Biologie der Katze, andere liegen in uns Menschen, die dazu neigen, alles aus unserer Perspektive zu beurteilen.
Doch in diesem Artikel möchte ich nicht über Tierarztbesuche und Gesundheitsvorsorge sprechen, sondern erklären, warum ich als Katzenexpertin den tierärztlichen Hausbesuch bei Katzen in der Regel ablehne, außer in wenigen Ausnahmefällen.
Das Zuhause der Katze ist der sicherste Ort der Welt
Unser Zuhause ist vor allem für reine Wohnungskatzen nicht nur ihr ganzes Universum, sondern auch ihr Lebensmittelpunkt und sollte der sicherste Ort auf der Welt sein. Wenn wir Menschen draußen auf der Straße von Fremden schlecht behandelt oder überfallen werden, ist das schrecklich und verletzt uns stark in unserem Sicherheitsgefühl. Doch wenn uns das Gleiche in unserem eigenen Zuhause passiert, dann erschüttert es uns in unseren Grundfesten, denn wir verlieren unseren sichersten Ort der Welt.
Wir meinen es gut, wenn wir mittels Hausbesuch den Stress für unsere Katzen reduzieren wollen, doch Vermeidung löst nicht die eigentliche Ursache. Nur positives Training kann der Katze dabei helfen, die Angst vor dem Tierarztbesuch zu verlieren. Durch Vermeidung wird die Komfortzone der Katze mit der Zeit immer kleiner, und wenn sie dann als Notfall doch zum Tierarzt gehen muss, ist die Angst, der Stress und das Drama für alle Beteiligten um ein Vielfaches größer.
Medizinisch betrachtet
Es gibt klare Grenzen für Hausbesuche, insbesondere was die Diagnostik und invasive Eingriffe angeht. Das ist ein Faktum, das auch schön aufbereitete Werbung nicht ändern kann.
Wichtige Differenzierung vorab: Mobile Tierärzte ≠ Tierärzte, die Hausbesuche bei ihren Praxispatienten machen.
Wenn meine Katze krank ist, bekomme ich bei meinem Tierarzt immer schneller einen Termin als bei mobilen Tierärzten. Denn wenn eine Katze die ersten Krankheitssymptome zeigt, habe ich keine Zeit zu verlieren, da Katzen oft lange leiden, bevor für uns Menschen die Symptome erkennbar sind.
Kein mobiler Tierarzt hat die Bandbreite aller Instrumente und einer Praxisapotheke dabei und auch keine katzenerfahrene Assistenz, um gründlich und dennoch gewaltfrei eine Katze untersuchen zu können, die Schmerzen hat. Außerdem ist es im Hausbesuch nicht möglich, flexibel mit weiteren Untersuchungen fortzufahren, da Röntgen, Ultraschall und Co. nicht vorhanden sind. Auch eine komplette Gesundheitsuntersuchung mit Röntgen ist nicht möglich.
Ausnahmen hiervon können z. B. Tierärzte mit einem zum Tierarztmobil umgebauten Rettungswagen sein.
Hygiene ist ein weiterer Aspekt. Da mobile Tierärzte nur in den Wohnungen der Patientenbesitzer praktizieren, sind sie den Krankheitserregern ihrer Patienten in einer viel höheren Konzentration ausgesetzt als in einer Tierarztpraxis. Da ein Hausbesuch dem nächsten folgt, können diese Erreger zum nächsten Patienten getragen werden. Desinfektion und Reinigung der Instrumente sind meist unzureichend.
Auch Narkosen und Operationen zu Hause sind ein absolutes No-Go. Das Narkoserisiko ist immer ein ernstzunehmendes Risiko, und in einer verantwortungsvollen Tierarztpraxis gibt es die Umgebung, Geräte, Medikamente und Mitarbeiter, um schnell reagieren zu können. Die Aufwachphase wird von ausgebildetem Personal überwacht, und das Tier darf erst nach Hause gehen, wenn es wieder fit ist.
Die Tiermedizin ist nicht diesen weiten Weg des Fortschritts gegangen, um unnötige Risiken für Gesundheit und Leben der Tiere einzugehen – sei es aus Bequemlichkeit, Unwissenheit oder Profitgier.
Ausnahmen
Es gibt Ausnahmen, in denen Hausbesuche bei Katzen angebracht sein können:
- Bei Katzen, die ein scheinbar unerschütterliches Vertrauen in das Leben, Menschen und sich selbst haben.
- Für sehr junge, mutterlose, kranke Katzenbabys, um das Infektionsrisiko zu verringern.
- Für palliative Behandlungen und Euthanasie am Ende des Katzenlebens.
Gut gemeint ist nicht gut gemacht
Unsere Absichten sind gut, wenn wir unseren Katzen möglichst viel Stress und Angst ersparen wollen. Doch wir sollten uns zum Wohl der Katzen auf die Lösung der Ursache und nicht der Vermeidung der Symptome konzentrieren. Deshalb ist es zielführender, langfristig zu denken und Tierarzttraining zu betreiben, um unliebsame Tierarztbesuche erträglicher zu machen.
Alter und Krankheit unserer Katzen sind nicht vermeidbar, aber wir können es ihnen erträglicher machen. Und dafür brauchen sie Vorhersehbarkeit, Kommunikationssicherheit und Routine durch Tierarzttraining und viele positive Referenzerlebnisse beim Tierarzt.
Als Katzenverhaltensberaterin und Low Stress Handling Silver Certified und Fear Free Certified Professional (Trainer) empfehle ich daher das Tierarzttraining für unliebsame Tierarztbesuche.
Es gibt sicherlich noch viel mehr zu diesem Thema zu sagen, doch in diesem Beitrag wollte ich nur meinen Standpunkt als Katzenexpertin erläutern.