Immer mehr junge Menschen in Deutschland wollen unbedingt Psychologie studieren, obwohl die Einstiegshürden sehr hoch sind. Was macht den Studiengang so attraktiv?
Um am Ende als Psychologe arbeiten zu können, müssen Alexia Dalski (links) und Annelie Rodestock viel Arbeit in ihr Studium stecken.
Psychologie ist in diesem Jahr mit großem Abstand der Überflieger unter den Studienfächern. Die Nachfrage ist enorm, während die Bewerbungen an deutschen Universitäten allgemein zurückgehen. Allein die Uni Hamburg verzeichnete über 4400 Bewerbungen auf vergleichsweise magere 143 Studienplätze, die Uni Mainz meldete 24 Bewerbungen auf einen Platz. Was macht Psychologie also so attraktiv?
Interesse an Menschen und Entwicklungsmöglichkeiten
Annelie Rodestock, eine Psychologiestudentin an der Friedrich-Schiller-Universität in Jena, erklärt, dass der Kontakt zu Menschen für sie oberste Priorität hatte und dass Psychologie ein sehr abwechslungsreicher Studiengang ist, der viele Entwicklungen für die Zukunft betreffen wird. Während des Bachelorstudiums lernen die Studenten allgemeine Themen wie Methodenlehre oder Statistik. Die berufliche Ausrichtung erfolgt erst im Master, zum Beispiel in die Wirtschafts- oder Kriminalpsychologie. Wer in die klinische Psychologie gehen möchte, muss nach dem Master noch eine vierjährige Ausbildung absolvieren. In unserer Gesellschaft gewinnt die Psychologie immer mehr Akzeptanz, da wir uns im digitalen Zeitalter befinden und tagtäglich mit Reizüberflutungen konfrontiert werden. Die zwischenmenschliche Kommunikation und die Psychotherapie können jedoch nicht von Technologie ersetzt werden. Unternehmen erkennen bereits die Bedeutung der Psychologie und holen vermehrt Psychologen in ihre Teams oder schicken ihre Mitarbeiter zu Fortbildungen, um den Anstieg psychischer Erkrankungen in den Griff zu bekommen.
Attraktive berufliche Aussichten und hohe Vereinbarkeit
Auch die beruflichen Aussichten spielen eine große Rolle bei der Beliebtheit des Studienfachs. Die Arbeitslosenquote im Bereich Psychologie liegt bei nur zwei Prozent, was nahezu Vollbeschäftigung bedeutet. Die gute Berufsaussicht lockt viele Studieninteressierte an. Professor Holger Horz, Studiendekan des Fachbereichs Psychologie an der Goethe-Universität Frankfurt, bestätigt die hohe Nachfrage und die Schwierigkeit, einen Studienplatz im Fach Psychologie zu erhalten. Die Bewerbungszahlen sind in diesem Fach immer jenseits jeder Vergleichbarkeit. Teilweise konkurrieren 40 Bewerber um einen einzigen Studienplatz. Die Bewerbung verläuft über die Plattform hochschulstart.de. Die hohen Bewerberzahlen sind allerdings ein spezifisch deutsches Phänomen. In keinem anderen EU-Land ist Psychologie so gefragt wie in Deutschland. Die Studiengänge sind teilweise zulassungsfrei, weshalb viele deutsche Studenten, die an den hohen Aufnahmebedingungen in ihrem eigenen Land scheitern, Psychologie im Ausland studieren.
Die Realität hinter den Klischees
Die Vorstellung, die Bewerber vom Fach Psychologie vor dem Studium haben, unterscheidet sich grundlegend von der Realität. Alexia Dalski, eine weitere Psychologiestudentin an der FSU Jena, erklärt, dass Psychologie in den Medien oft positiv dargestellt wird und viele sich vorstellen, durch simples Zuhören die Probleme anderer Menschen lösen zu können. Doch die Realität sieht anders aus. Psychologie ist ein sehr wissenschaftlicher Studiengang, in dem viele Studien gelesen und durchgeführt werden müssen. Es gibt zahlreiche Regeln und Konventionen zu beachten. An der FSU Jena müssen die Studenten sogar viele Stunden Statistikunterricht bewältigen. Der Statistikunterricht erstreckt sich über fünf Semester und stellt bereits vor Studienbeginn eine Herausforderung dar. Trotzdem ist Psychologie ein Trendstudiengang, der durch verschiedene Faktoren attraktiv wird. Neben den guten Jobaussichten und dem positiven Ruf, den die Psychologie mittlerweile hat, ist die grundlegende Idee, sich selbst und anderen helfen zu wollen, tief im Menschen verankert. Diese soziale Komponente macht das Fach vor allem für Frauen attraktiv, die eine hohe Vereinbarkeit von Familie und Beruf suchen. Dennoch sieht Professor Horz eine gefährliche Entwicklung. Die Absolventen sind oft zu jung, zu weiblich und zu erfolgreich. Um einen gesellschaftlichen Ausgleich in der Psychologie zu schaffen, plädiert er für eine Männerquote.
Hoher Leistungsdruck und enger Zeitplan
Um sich einen Masterplatz zu sichern, stehen Psychologiestudenten unter einem hohen Leistungsdruck. Ein Bachelorabschluss allein qualifiziert in Deutschland normalerweise für den Arbeitsmarkt. Ein Master ist nicht zwingend erforderlich, um einen Job zu bekommen. Daher bieten Universitäten in der Regel nur für zwei Drittel der Bachelorabsolventen einen Masterplatz an. Da die berufliche Ausrichtung in Psychologie jedoch erst im Master erfolgt, ist dieser verpflichtend, um eine vollständige Ausbildung zu erhalten. Ohne Masterabschluss ist es fast unmöglich, als Psychologe eine Anstellung zu finden. Daher müssen die Universitäten mindestens genauso viele Masterplätze wie Bachelorplätze anbieten, um die steigende Zahl deutscher Psychologiestudenten, die für den Master wieder nach Deutschland kommen, aufnehmen zu können. Dies erhöht den Leistungsdruck und die Erwartungen an die Studenten bereits ab dem ersten Tag.
Trotz der hohen Anforderungen und Erwartungen sind viele Psychologiestudenten motiviert, ihre Fachkenntnisse zu vertiefen und ihre Leidenschaft für das Fach auszuleben. Die Ausbildung ist anspruchsvoll, aber lohnend, da sie die Möglichkeit bietet, anderen Menschen zu helfen und sich selbst besser zu verstehen.
Dieser Artikel wurde frei nach dem Originalartikel “Blogseminar” von automobile.lol verfasst.