In Beziehungen übernehmen Frauen oft eine aktivere Rolle als Männer. Während Frauen unangenehme Themen offen ansprechen und auch mal konfrontativ sein können, neigen Männer in Partnerschaften dazu, Konflikte zu meiden. Doch woran liegt das eigentlich?
Männer und Streit: Eine unangenehme Erfahrung?
Laut dem US-amerikanischen Psychologen und Beziehungsexperten Prof. John Gottmann könnte der Grund in einem vermeintlich schwächeren Nervenkostüm der Männer liegen. Sie scheuen Konflikte aus Angst, verletzt zu werden. Die Paartherapeutin Prof. Anne Milek von der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster bestätigt, dass Männer Streit tendenziell als unangenehmer empfinden und auch mit höherem Stresslevel reagieren, was sich manchmal sogar in körperlicher Aggression äußern kann.
Eine andere Erklärung sieht Prof. Christian Roesler in kulturellen Gründen: Frauen werden in unserer Gesellschaft eher ermutigt, ihre Gefühle offensiv zu zeigen und schlechter zu regulieren.
Warum vermeiden Männer Streit?
Der Psychologe und Paartherapeut Dr. Stefan Junker bestätigt aus seiner Praxiserfahrung, dass Männer in Beziehungen eher dazu neigen, Streit zu vermeiden. Die genauen Gründe dafür sind jedoch noch nicht vollständig geklärt. Neben der geschlechtsspezifischen Erziehung gibt es verschiedene Erklärungsansätze. Männer könnten beispielsweise davon ausgehen, dass sich das Problem von selbst lösen wird. Diese Passivität könnte jedoch auch Ausdruck von Dominanz sein, indem das Thema als unwichtig abgetan wird. Es ist auch denkbar, dass Männer befürchten, im Streit gegenüber Frauen aufgrund ihrer sprachlichen und sozialen Kompetenzen ohnehin den Kürzeren zu ziehen.
Männer sind eher konfliktscheu
Laut einer Studie der Universität Haifa aus dem Jahr 2017 lehnen Männer über alle Szenarien hinweg seltener ab als Frauen und äußern ihren Unmut seltener. Männer sind stärker darauf bedacht, eine Eskalation zu vermeiden. Diese Rollenverteilung gilt vor allem in Situationen, die als relativ sicher wahrgenommen werden – ein Konflikt mit dem eigenen Partner oder der eigenen Partnerin, der Person, die man liebt und der man vertraut.
Frauen sind in anderen Situationen zurückhaltender
In heikleren Momenten, wie beispielsweise bei Auseinandersetzungen mit Fremden, verhält es sich eher umgekehrt: Frauen sind stärker auf Sicherheit bedacht, während Männer eher bereit sind, Streit anzufangen. Doch diese Durchschnittswerte sagen nichts über die Streitlust einer einzelnen Person aus. Es gibt auch Männer, die im privaten Bereich streitlustiger sind als Frauen.
Homosexuelle Paare: Behutsamere Konfliktaustragung
Neben heterosexuellen Beziehungen gibt es natürlich auch eine Vielzahl anderer Beziehungskonstellationen. Kanadische Forscher haben 2003 homosexuelle und heterosexuelle Paare über zwölf Jahre hinweg begleitet und herausgefunden, dass homosexuelle Paare Konflikte konstruktiver angehen. In diesen Beziehungen wurden Probleme mit einer positiveren Einstellung angesprochen. Sie stritten behutsamer, waren weniger defensiv und nutzten in schwierigen Situationen mehr Humor. Homosexuelle Paare verließen Auseinandersetzungen tendenziell auch besser gelaunt als heterosexuelle Paare. Studien deuten außerdem darauf hin, dass homosexuelle Paare weniger in klassische Rollenmuster verfallen, die zu Konflikten führen können, und sich beispielsweise ähnlich an der Hausarbeit beteiligen.