Warum mein Hund nicht spielen darf

Warum mein Hund nicht spielen darf

Ich stehe mit meinem Hund verloren auf einer Wiese – ungefähr so mag es für jemanden wirken, der uns beobachtet. Aber ich stehe da nicht einfach nur, ich warte.

Wenn dem so ist, dann befinde ich mich im Training. Mit meinem Hund. Jeder, der auch diesen Sport mit seinem Hund ausführt weiß, wie das aussieht, wenn man mit seinem Hund im Gelände steht und wartet – ungefähr so: 3 Hunde – 3 Hundebesitzerinnen und jede steht nur so da … und wartet.

Warum mein Hund nicht spielen darf

Von links nach rechts: Von der Mohnenfluh Arrono, Wildclover’s Boss und von der Mohnenfluh Ajuna beim Warten.

Manchmal stehen wir ganz allein auf weiter Flur, manchmal zu zweit, selten zu dritt. Wo wir stehen ist unterschiedlich, aber du findest uns nie dort, wo viele Hunde sind. Also wir stehen nicht im englischen Garten und auch auf keiner stadtbekannten Hundewiese… wir stehen buchstäblich im Gelände, im Nirwana. Dort wo man Dummys auslegen und den Hund warten lassen kann, weil eben keiner kommt.

Die Welt, ein Dorf.

Ich gebe zu, wir versuchen nicht dort zu stehen, wo andere auch gehen schon aus reinem Eigennutz. Aber manchmal gibt es Hundebesitzer, die aus ganz anderen Gründen dort gehen, wo wir gerne trainieren und gerne rumstehen: nämlich in der Pampa. Das kann sein, weil sie selbst keinen Wert auf andere beim Spaziergang legen oder weil der Hund nicht soooo nett zu anderen Hunden ist, oder weil er sonst irgendein Problem hat, um das jetzt nicht gleich jeder wissen muss.

Diese Menschen könnten dann mit ihren Hunden auf uns treffen. Und genau das ist mir neulich passiert.

Ich stehe im Gelände und warte. Es ist ein toller Tag und ich mag das mit meinem Hund im Gelände stehen, warten und trainieren.

In diesem Moment der Stille höre ich lautes bellen. Ich drehe mich um und versuche zu orten, woher es kommt. Ah, da. Weit entfernt sehe ich einen schwarzen Punkt. Der Punkt bewegt sich sehr schnell und zwar in meine Richtung. Ich suche einen zweiten schwarzen Punkt, den Besitzer. Ich konzentriere und fokussiere stark das Gelände und ich könnte mir einbilden ihn zu sehen. Noch viel weiter weg als der andere Punkt.

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Ein (auch untrainierter) Hund kann im Vollspurt gut und gerne bis zu 30 Stundenkilometer aufnehmen. Ein Mensch der geht, bewegt sich zwischen zwei und fünf Kmh. Schon jetzt ließe sich ausrechnen wieviel schneller der Hund bei mir andockt, bevor der Besitzer dann auch da ist. Weil ich weiß, dass wir ja stumm auf einer Wiese rumstehen, während der mir entgegenkommende Hund nicht zu überhören ist, fange ich an zu winken. Soll heißen, ich mache mich bemerkbar. Ich möchte dem anderen die Chance geben, seinen Hund rechtzeitig zurückpfeifen zu können.

Ich habe aber auch gelernt, dass Menschen, die in nur in Gegenden spazieren gehen das

a.) nicht ohne Grund tun und

b.) sie oftmals wenig von ihrer Umgebung wahrnehmen.

Deshalb habe ich schon mal daran gedacht, ob ein Megafon hier Abhilfe schaffen könnte? Ich sehe mich schon im Gelände still rumstehen und warten, um dann plötzlich mit meinem Megafon die Stille zu durchbrechen: „Hallo, ich bin hier. Leinen Sie bitte Ihren Hund an.“

Ob ein Megafon ein Training retten könnte?

Aber ich habe noch kein Megafon und deshalb winke ich. Ergebnislos. Dann hilft nur ein Trick, ich nehme meine Hundepfeife und bemühe meinen Triller. Das Geräusch ist so schrecklich, dass sogar Hunde deshalb kehrt gemacht haben und es hilft auch heute wieder. Ich bemerke eine Reaktion bei Mensch und Hund. Ich winke – und rufe „bitte rufen sie ihren Hund zu sich.“

Als Antwort schallt ein: WAS? zu mir hoch.

Ihr Hund – bitte rufen sie ihn zurück.

Warum?

Weil ich trainiere

Ach so – ich geh nur spazieren…

ja gut, aber bitte rufen sie ihren Hund zu sich.

Kennst die Sendung Dick und Doof? Oder verstehen sie Spaß? Das ist so ein Moment, in dem ich mir vorkomme ein Teil einer dieser Sendungen zu sein, ein unfreiwilliger.

Jetzt höre meinen Lieblingssatz: Meiner will nur spielen.

Das ist toll, antworte ich – meiner darf aber nicht.

Warum?

Verstehst du was ich meine? Ich möchte das nicht erklären müssen – Himmel. Er darf nicht, aus basta. Die Wahrheit ist, in so einem Trainingn hat ein Spiel – wenn es denn eines werden würde, was bei einem 2-Jährigen Rüden nicht immer automatisch gesagt ist… nichts zu suchen. Im Training gibt es nur mich, eventuell andere Hunde, die auch trainieren, einen Trainer – ein Dummy und die Gegend und sonst nichts.

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Weil ich heute trainiere.

Der Hund steht mittlerweile 50 m vor mir und überlegt. Herr Hundebesitzer hat sich auf ca. 100 m genähert. Ich deute auf seinen Hund.

Jetzt wäre eine gute Gelegenheit ihn zu rufen.

Ich höre ein zaghaftes „Oscar“.

Oscar der vor mir steht

Bild: Ein Oscar, der vor mir steht und wartet.

Okay, ein Oscar also. Oscar steht sich nicht entschließen könnend 50 m vor mir. Er blickt zurück und wieder zu mir.

Oscar hier

ich vernehme, dass der Ruf hektischer wird, aber Oscar reagiert nicht so, wie er soll, Oscar fängt an zu schnuppern.

OSCAR verdammt

Nun gut – eines verändert sich doch, da Oscar stehen geblieben ist und Herr Oscar weiter geht, verringert sich die Distanz zwischen ihm und seinem Hund. Irgendwann wird er ihn eingeholt haben. Es sei denn Oscar läuft weg oder er kommt doch zu mir.

Aber, es kommt ganz anders. Oscar ist langweilig geworden. Da mein Hund so gar nicht reagierte auf nichts, trottet er in Richtung von Herrn Oscar zurück. Dieser nimmt ihn sichtlich erleichtert an die Leine und schimpft dann auf mich los.

Die Welt ist irgendwie ungerecht, unausgeschlafen, oder einfach nur sehr verwunderlich….

Ich winke ihm wieder zu und drehe mich um, um weiter zu warten. Mit meinem Hund, bis wieder Stille eingekehrt ist.

Warum darf mein Hund nicht spielen?

Der Satz ist so falsch, mein Hund darf während des Trainings – seines Alters angemessen – immer wieder spielen, aber nur mit mir. Ich glaube fest daran, dass ein gemeinsames Spiel gut ist um aus einer Konzentrationsphase auszusteigen, neue Energie zu tanken, Spaß zu erleben, um dann im nächsten Durchgang wieder zur Konzentrationsphase zurückkehren zu können. Bei der Dummyarbeit, auf einem Mock Trial, im Field Trial oder auf Jagden ist es nicht nur nicht erwünscht, sondern muss der Hund es aushalten können, dass er neben mir steht, obwohl andere Hund arbeiten. Ich glaube, dass der vermittelte Inhalt an den Hund, wenn er während des Trainings mit anderen Hunden spielen darf, eine falsche Konditionierung auf lange Sicht nach sich zieht.

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Denn wenn man nicht weiß, was man da trainiert, entscheidet vielleicht der Hund eines Tages wann er aus seiner Konzentrationsphase aussteigt, um eben jetzt mit einem anderen Hund zu spielen. Und diese Konditionierung wäre eine kleine Katastrophe – weil, wie will man seinem Hund denn „erklären“, dass er da was missverstanden hat? Einen Trainings-Aufbau-Fehler auszubügeln dauert länger, als ihn erst gar nicht zu begehen.

Deshalb gibt es konsequenterweise vor, während und nach dem Training kein Spiel mit anderen Hunden. Wie gesagt, mit mir schon. Diese Regel, vor und während des Trainings kein anderes Spiel mit Hunden zuzulassen gilt ein Leben lang. Das Spielen nach dem Training erlaube ich, sobald der Hund alt genug dafür ist und seine Ausbildungszeit im Großen und Ganzen beendet ist (ab ca. 5 Jahren)

Mein Hund spielt draußen nie

Da ist etwas, was ich dir noch als Idee mitgeben möchte. Mein Hund lernt gar nicht erst, dass andere Hunde draußen zum Spielen da sein könnten. Die ersten beiden Jahre sind geprägt mit ihm und mit mir. Wir zwei zusammen. Draußen. Das Spiel draußen mit anderen Hunden findet nicht statt. Es gibt keine Welpenspielstunden. Die Antwort auf die Frage, wann er lernt mit einer anderen Rasse umgehen zu können lautet: Ich glaube nicht daran, dass er das in einer Welpenspielstunde lernen würde. Dazu kannst du gerne den Blogartikel: „Welpenspielstunden der Anfang vom Ende“ lesen.

Mein Hund darf spielen

Zu Hause, im Garten darf er spielen, mit meinem alten Rüden und mit seinem fast gleich alten „Freund“. Es fehlt ihm, was die Sozialisierung anbelangt an nichts. Gut, ich könnte mich mehr in der Stadt mit ihm herumtreiben und mehr U-Bahn fahren – aber was er zu einem glücklichen Hundeleben braucht, das findet er hier. Ich gehe sogar einen Schritt weiter – ich glaube nicht, dass im Hundespiel das Heil der Hundewelt liegt – aber auch nicht in dem ohne. Irgendwo in der Mitte bestimmt. Wenn jeder Hund zum Sozialisieren und Spielen einen „besten Freund“ hätte, den er nach Hause zum Spielen einladen dürfte und draußen würde sich jeder Hundebesitzer mit seinem eigenen Hund beschäftigen, trainieren und zusammen sein, dann hätten wir viel weniger Oscars, die nicht kommen, wenn man ruft, denn ein Folge-Problem ist in den meisten Fällen ein Hier-Problem.

Ich gehe jetzt weiter warten und spiele dann mit meinem Hund. Es grüßt dich Claudia von keinköter.de