Eine der großen Fragen des Lebens ist: Warum verlieben wir uns? Die Hirnforschung hat in den letzten Jahren einige Erkenntnisse zu diesem Thema hervorgebracht. Dabei haben vor allem die US-amerikanische Anthropologin Helen Fisher und zahlreiche andere Wissenschaftler die neurologischen Grundlagen des Liebesverhaltens erforscht.
Unter Drogen: Im Gehirn wird Dopamin ausgeschüttet
Verliebtsein ähnelt oberflächlich betrachtet einem Suchtverhalten. Wenn wir glücklich verliebt sind und unsere “Droge” bekommen, wird im Gehirn Dopamin ausgeschüttet und das Belohnungssystem aktiviert. Wenn sich der oder die Angebetete dagegen rar macht, fühlen wir ähnliche Entzugserscheinungen wie bei einer Sucht. Es gibt erstaunlich viele Parallelen zwischen Verliebtsein und Sucht, allerdings mit einer wichtigen Einschränkung: Eine Drogensucht hört normalerweise nicht von alleine auf. Sich das Rauchen abzugewöhnen, ist schwer.
Unterschied zwischen Verliebtsein und Liebe im Gehirn nachweisbar
Das Verliebtsein endet meistens irgendwann – entweder erlischt es oder geht in Liebe über. Helen Fisher hat gezeigt, dass Verliebtsein und Liebe hirnphysiologisch völlig unterschiedliche Prozesse sind. Das Verliebtsein spielt sich vor allem in den älteren, archaischen Hirnregionen ab. Bei der Liebe sind dagegen mehr Bereiche des Cortex, der Großhirnrinde, beteiligt, wo auch bewusste Erinnerungen verarbeitet werden. Es gibt noch weitere Unterschiede zwischen Verliebtsein und Liebe, die sich feststellen lassen.
Grob gesagt: Liebe beruht auf Vertrautheit. Es ist das Gefühl einer starken Verbundenheit zu jemandem, den wir kennen, mit all seinen Eigentümlichkeiten und Schrullen. Liebe ist ein Gefühl der Zugehörigkeit zwischen zwei Menschen. Verliebtheit ist eine Stufe davor. Es ist der dringende Wunsch, jemandem nahe zu sein, näher zu kommen, selbst wenn wir ihn oder sie noch nicht so gut kennen. Natürlich sind “Liebe” und “Verliebtsein” Begriffskonstrukte, die jeder individuell definiert und mit verschiedenen Schattierungen versehen kann.
Verliebtsein überwindet die intuitive Distanz zu anderen
Die evolutionäre Perspektive gibt Hinweise darauf, warum wir uns überhaupt verlieben. Gerade aus dem Unterschied zwischen Liebe und Verliebtsein wird das deutlich. Um lieben zu können, müssen wir erst einmal jemanden gut kennenlernen und eine Vertrautheit aufbauen. Da wir in einer sozialen Gemeinschaft leben und nicht jedem sofort vertrauen können, halten wir intuitiv einen gewissen Abstand zu den meisten Menschen. Um jedoch eine Familie zu gründen und eine Liebesbeziehung einzugehen, müssen wir diesen Abstand überwinden. Hier kommt vermutlich das Verliebtsein ins Spiel: Es erzeugt einen starken Wunsch nach Nähe zu einer ganz bestimmten Person, der uns dazu bringt, die gewöhnlichen Schranken zu durchbrechen und eine vertraute und intime Beziehung mit einem vorher noch fremden Menschen einzugehen.
Mehr als Sex und Fortpflanzung
Wenn es nur darum ginge, sich fortzupflanzen, müssten wir nicht unbedingt verliebt sein. Der rein sexuelle Spaß würde ausreichen. Die meisten Tiere pflanzen sich fort, ohne in romantische Gefühle zu schmachten.
Babys brauchen viel Schutz und Fürsorge
Beim Menschen kommen Babys in einer sehr frühen Phase ihrer Entwicklung auf die Welt und sind daher lange Zeit auf elterliche Betreuung angewiesen. Für das Überleben ist es von Vorteil, wenn die Mutter einen Partner hat, der sich mitverantwortlich für das Kind fühlt. Die Liebe ist der Kitt, der ein Elternpaar zusammenhält. Aber das Verliebtsein scheint das Vehikel zu sein, um sich überhaupt zu finden.
Insgesamt ist das Thema der Liebe und des Verliebtseins komplex und individuell geprägt. Die Hirnforschung hat jedoch einige Erkenntnisse darüber geliefert, was im Gehirn passiert, wenn wir uns verlieben. Es ist ein faszinierendes Phänomen, das uns im Leben immer wieder begegnet und uns in seinen Bann zieht.