Die vergangenen Tage waren von einem massiven Angriff der Hamas auf israelisches Gebiet geprägt. Aber wie konnte dies geschehen, ohne dass jemand etwas ahnte? Die Hamas hatte in den letzten Jahren kaum nennenswerte Aktionen durchgeführt, was bewusst geschah, um Israel in Sicherheit zu wiegen und sich heimlich auf den Angriff vorzubereiten.
Die Vorbereitungen der Hamas
Israel hat zwar gute Möglichkeiten, den Gazastreifen zu überwachen, aber die Hamas kann auch im Libanon und notfalls im Iran trainieren. Es handelt sich nicht um eine große Anzahl von Personen, die in die Planung involviert sind. Die Durchführung der Operation war verheerend, aber begrenzt in ihrem Umfang. Außerdem hatten die Hamas-Mitglieder gelernt, wie sie nicht auffallen können. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass ihre Übungen alle in Gaza stattfanden.
Die Bewegung zwischen Gaza und dem Libanon
Es ist möglich, Personen über die verbliebenen Tunnel nach Ägypten zu schmuggeln oder sie über die Grenze zu schleusen. Allerdings nur in geringer Zahl. Hamas-Führer verlassen regelmäßig den Gazastreifen und kehren später zurück. Sie nutzen Ägypten als Ein- und Ausreiseort.
Versagen der israelischen Nachrichtendienste?
Es ist unklar, ob und inwieweit die israelischen Dienste Teile der Vorbereitung erfassen konnten. Offensichtlich hat niemand erwartet, dass die Hamas in der Lage wäre, eine derart koordinierte Militäroperation durchzuführen. Es wird noch genau analysiert werden müssen, warum die israelischen Streitkräfte so lange gebraucht haben, um vor Ort zu sein.
Das Ziel: Geiselnahme und Gewalt
Das Ziel der Hamas war es sowohl, Geiseln zu nehmen als auch so viele Israelis wie möglich zu töten. Die Terroristen konnten nur eine begrenzte Anzahl an Geiseln nehmen und alle anderen, die in Reichweite waren, wurden getötet.
Die Zukunft der Geiseln
Was mit den Geiseln geschehen wird, ist völlig offen. Die Hamas selbst weiß möglicherweise noch nicht, was sie mit den Menschen machen wird. Die 150 Gefangenen werden in Kategorien eingeteilt sein. Vor allem die Soldaten sind für die Hamas wichtig, da sie versuchen werden, inhaftierte Hamas-Kämpfer in israelischen Gefängnissen freizupressen.
Verhandlungen mit der Hamas
Die Hamas wird wahrscheinlich versuchen, nach Ende der israelischen Kampfhandlungen wieder in einen Verhandlungsmodus zu kommen. Sie wird auch positive Äußerungen machen, um den Schaden zu begrenzen. Es besteht jedoch die Gefahr, dass die Hamas die Geiseln als Schutzschilder missbraucht.
Die Bedeutung Ägyptens
Ägypten ist der Schlüssel in dieser Situation. Kairo ist der Hauptansprechpartner, da es Beziehungen zu beiden Seiten hat. Jedoch hängt es von der Bereitschaft der israelischen Regierung ab, Zugeständnisse zu machen. Es ist klar, dass das Vertrauen in die Regierung und den Sicherheitsapparat erschüttert ist.
Die Zukunft der Regierungskoalition
Die politischen Auswirkungen werden wahrscheinlich verheerend sein. Die Regierung kann diesen Zusammenbruch der inneren Sicherheit nicht überleben. Es ist fraglich, ob es schnell eine Lösung in der Geiselfrage geben wird. Die Krise könnte noch lange andauern.
Europa und die finanzielle Unterstützung
Eine Kürzung der finanziellen Hilfen hätte sicher Auswirkungen auf die Palästinenser und könnte als Verhandlungsmasse verwendet werden. Jedoch kann man die Bevölkerung in Gaza nicht vernachlässigen. Eine solche Maßnahme wäre nur vorübergehend und hätte dramatische Auswirkungen.
Die Rolle der Bundesregierung
Die Bundesregierung sollte die Lage sondieren und eng mit anderen betroffenen Staaten zusammenarbeiten. Es sollte eine Gemeinschaft der Interessierten geben, um möglichst effektiv zu helfen. Die arabische Welt wird sich wahrscheinlich heraushalten, da Sympathien für Israel dort gering sind.
Die Zukunft der Abraham-Abkommen
Die Abkommen bleiben weiterhin relevant, da sie wirtschaftliche und geopolitische Interessen verfolgen. Die Hamas könnte jedoch versuchen, die öffentliche Meinung gegen Israel zu beeinflussen. Die arabischen Herrscher müssen Rücksicht auf ihre Bevölkerung nehmen.
Beobachtungen in den nächsten Wochen
In den kommenden Wochen sollte man den Kriegsverlauf, das Geschehen in Ägypten und Katar und die Aktionen der Hisbollah beobachten. Die Hisbollah wird wahrscheinlich abwarten und Solidarität mit der Hamas zeigen. Eine direkte Konfrontation mit Israel ist unwahrscheinlich.
Europas Härte gegenüber dem Iran
Das Iranische Regime wird von Russland und China unterstützt, sodass wirtschaftliche Sanktionen des Westens nur begrenzt wirken würden. Es gibt kein Interesse an einer direkten Konfrontation mit Israel.
Das Interview mit Gerhard Conrad wurde von Michael Thaidigsmann, einem Islamwissenschaftler und ehemaligen Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes, geführt.