Stellen Sie sich vor, es ist ein Abend im Spätherbst und Sie bleiben länger auf der Arbeit, um eine Besprechung am nächsten Morgen vorzubereiten. Die meisten Schreibtische im Großraumbüro sind bereits verlassen, nur Ihre Parzelle ist noch beleuchtet. Plötzlich beginnt die Deckenbeleuchtung über Ihnen zu flackern und die Monitore an den anderen Arbeitsplätzen gehen wie von Geisterhand an. Ein gruseliges Szenario, nicht wahr?
Ursachen für Spannungsflicker
Doch keine Panik! Die Ursache für dieses Phänomen ist keine übernatürliche Erscheinung, sondern hat banale physikalische Ursachen. Michael Höckel, Experte für Elektrotechnik und Informationstechnologie an der Berner Fachhochschule BFH in Biel, erklärt, dass EDV- und Telekommunikationsanlagen anfällig für eine schlechte Spannungsqualität sein können. Diese Anlagen reagieren empfindlich auf wechselnde Lasten, die das Stromnetz belasten und zu Spannungsabfällen führen können. Das nennt man Spannungsflicker und kann dafür verantwortlich sein, dass Lampen flackern.
Doch warum machen sich diese Lastwechsel auf so kuriose Art und Weise bemerkbar? Schließlich ist es die Aufgabe der Netzbetreiber, jeden Kunden zuverlässig mit Strom zu versorgen. Die meisten Probleme sind hausgemacht, erklärt Höckel. Während die Netzbetreiber für die Spannung verantwortlich sind, bezieht der Kunde den Strom. Wenn sich der Strombedarf im Laufe der Jahre verändert, zum Beispiel durch das Wachstum eines Unternehmens, kann es zu einem Flickern kommen, wenn die Infrastruktur nicht entsprechend angepasst wird.
Vorgehensweise bei Spannungsmessungen
Wenn es zu Störungen wie dem beschriebenen Spannungsflicker kommt, wendet sich der Kunde zunächst an den Netzbetreiber. Dieser misst nach, da das Verteilnetz in den seltensten Fällen online überwacht wird. Allerdings ist der Netzbetreiber nur bis zum Anschlusspunkt verantwortlich, daher kann es sein, dass für ihn kein Handlungsbedarf besteht. In diesem Fall liegt die Suche nach der Ursache beim Unternehmen selbst.
Es gibt verschiedene Anbieter, die sich auf die interne Suche spezialisiert haben. Dabei wird die Spannung über einen bestimmten Zeitraum aufgezeichnet und analysiert. Wenn zum Beispiel der totale Oberschwingungsgehalt zeitweise über dem Grenzwert von acht Prozent liegt, ist dies ein Hinweis darauf, dass etwas nicht stimmt. Weitere Indikatoren könnten Unsymmetrien oder zu große Abweichungen der gemittelten Netzspannung sein, die innerhalb einer Toleranz von plus zehn und minus fünfzehn Prozent liegen sollte.
Beseitigung von Spannungsflickern
Die Auswertung dieser Messungen ist ein wesentlicher Bestandteil der Arbeit von Michael Höckel. Eine schnelle Lösung kann erreicht werden, wenn sich bei den Messungen Gleichzeitigkeiten nachweisen lassen. Beispielsweise kann eine zeitliche Korrelation zwischen dem Einschalten eines bestimmten Gerätes und dem Spannungseinbruch festgestellt werden. Schwieriger wird die Auswertung, wenn viele Betriebe ähnliche Geräte nutzen und deren Beiträge unglücklich kumulieren. In diesem Fall liegt die Verantwortung beim Netzbetreiber, der das Problem mit größeren Leitungen oder einer zusätzlichen Trafostation beheben kann.
Probleme können auch durch Baustellen-Installationen und den Trend zur Elektromobilität entstehen. Die gleichzeitige Nutzung von Elektrogeräten und der Einsatz von ähnlicher Leistungselektronik kann Störungen verursachen, da die Grenzwerte für die Emission von harmonischen Strömen großzügig sind. Verstärkt wird dieses Problem, wenn mehrere Ladegeräte für E-Bikes gleichzeitig in Betrieb sind.
Studium und Perspektiven
Die vielseitigen Ursachen für eine schlechte Spannungsqualität spiegeln sich auch in den Bachelor- und Masterarbeiten wider, die Michael Höckel betreut. Ein Student untersucht beispielsweise den Einfluss der Spannungsqualität auf das Verhalten von Umrichtern in PV-Anlagen, Batteriesystemen und Ladestationen für E-Autos. In einer anderen Arbeit werden Haushalte und der Einfluss der dort eingesetzten Geräte auf den Gesamtstrom untersucht. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen dazu dienen, die Stromemissionen bestimmter Haushalte zu charakterisieren.
Mit diesem Wissen ergeben sich zahlreiche berufliche Perspektiven. Die meisten Studenten finden eine Anstellung bei Netzbetreibern oder arbeiten in der Geräteentwicklung oder als Energieberater. Eine Karriere als professioneller Geisterjäger hat bisher keiner der Studenten gewählt. Warum auch, wenn man weiß, dass flackernde Lampen mit der Spannungsqualität zusammenhängen?
Quelle: Original-Artikel