“Wer bin ich und wenn ja, wie viele?” – Der Schlüssel zum Glück

“Wer bin ich und wenn ja, wie viele?” – Der Schlüssel zum Glück

Obwohl Hape Kerkelings Buch “Ich bin dann mal weg” über seinen Fußmarsch nach Santiago di Compostela über drei Millionen Mal verkauft wurde, steht es nach über 100 Wochen nicht mehr an erster Stelle der deutschen Sachbuch-Bestsellerliste. Nur kurzzeitig konnten vorhersehbare Erfolge wie das Jesus-Buch des Papstes und Gerhard Schröders Memoiren den Reisebericht des Komikers übertreffen.

Daher war es nicht unbedingt zu erwarten, dass ein Buch, das im Grunde eine Einführung in die Philosophie ist, diesen Platz einnehmen konnte – wenn auch mit etwas Hilfe von Elke Heidenreich, der Chef-Multiplikatorin des deutschen Literaturbetriebs, die sagt: “Wenn Sie dieses Buch lesen, haben Sie den ersten Schritt auf dem Weg zum Glück schon getan”.

Antworten auf letzte Fragen

Der groß, fett und rot gedruckte Haupttitel des Buches “Wer bin ich?” verspricht Orientierung, Lebenshilfe, Trost und Antworten auf letzte Fragen in einer haltlosen Zeit. Doch was steckt dahinter? Wie konnte dieses Buch über 220.000 Käufer finden, obwohl es keinen prominenten Autor hat und von einem Thema handelt, das nicht gerade für jeden zugänglich ist – von der Philosophie, von der “Liebe zur Weisheit”, die nur mit einiger Anstrengung zu gewinnen ist?

Es ist nicht überraschend, dass das Buch aus einem heftigen anti-akademischen und anti-universitären Reflex heraus geschrieben wurde. Überraschender ist jedoch, dass es keinen Hehl daraus macht, dass es zu einem großen Teil einer Traumabewältigung entspringt. Die Einleitung beschreibt die Entstehung des Buches als die Geschichte einer großen Enttäuschung.

Das Denken beigebracht

Vor seinem Philosophiestudium in Köln stellte sich der Autor Richard David Precht Philosophen als spannende Persönlichkeiten vor, die ebenso aufregend und konsequent lebten wie sie dachten. Doch dann traf er auf “langweilige ältere Herren in braunen oder blauen Busfahreranzügen”, die ihre innere geistige Freiheit nicht auf ihr Leben anwandten.

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Zumindest einer dieser faden Herren brachte ihm schließlich das Denken bei und lehrte ihn, nach dem “Warum” zu fragen, sich nicht mit schnellen Antworten zufrieden zu geben und Gedankengänge und Argumentationen lückenlos aufzubauen, so dass jeder einzelne Schritt streng auf dem anderen aufbaut.

Dieses Buch nobilitiert sich vor jeder Lektüre selbst. Es will ein Dienst am Leser sein und der echten Philosophie gleichermaßen, die es nicht verdient hat, im Seminarraum zu verstauben. Endlich soll nun kulinarisch vorgegangen werden, denn Lernen ohne Genießen ist sinnlos. Und wer will das schon riskieren?

Precht macht es seinen Kritikern wirklich nicht leicht. Wer bemängelt, dass die universitäre Philosophie das systematische Interesse an den großen übergreifenden Fragen vermissen lässt und dann den Vorwurf erhebt, dass der akademische Lektüre-Stil “unkulinarisch” ist und mehr Wert auf exakte Wiedergabe legt als auf die intellektuelle Kreativität der Studenten – wer so argumentiert, folgt zwar einer nicht ganz unzutreffenden Intuition, macht sich jedoch auch enorm angreifbar. Denn systematisches Interesse und präzise Lektüre dürfen nicht im Widerspruch stehen, wenn man es ernst meint mit dem Denken.

Lesen Sie auf der zweiten Seite, dass Richard David Precht trotz des Versuchs, allgemein verständlich zu formulieren, die Komplexität der Fragen würdigt.