Als Hundebesitzer stehst du oft vor der Frage, wie du mit unerwünschtem Verhalten deines Hundes umgehen sollst. Eine weit verbreitete Methode ist das Ignorieren. Doch ist Ignorieren wirklich effektiv und kann es vielleicht sogar dazu führen, dass das unerwünschte Verhalten deines Hundes schlimmer wird? In diesem Artikel klären wir dich auf.
Was bedeutet Hund ignorieren?
Wenn du deinen Hund ignorierst, bedeutet das, dass du ihn weder ansprichst, berührst noch anschaust. Sogar der kleinste Seitenblick ist untersagt, denn schon dann ist das Ignorieren vorbei. Indem du deinem Hund temporär deine volle Aufmerksamkeit und soziale Zuwendung entziehst, willst du zeigen, dass sein Verhalten unerwünscht ist. Die meisten Hunde legen großen Wert auf Aufmerksamkeit und soziale Zuwendung von ihrem Besitzer, daher wird Ignorieren oft als effektive erzieherische Maßnahme angesehen. Allerdings ist Ignorieren nicht immer hilfreich, denn es kann sogar dazu führen, dass das unerwünschte Verhalten weiterhin besteht.
Wann ist Ignorieren sinnvoll?
Ignorieren funktioniert am besten als erzieherische Maßnahme, wenn:
- sich das unerwünschte Verhalten deines Hundes gegen dich persönlich richtet und
- dein Hund in der Vergangenheit keine langfristigen Erfolge mit diesem Verhalten hatte.
Bei einem Welpen kann kurzzeitiges Ignorieren bei unerwünschtem Verhalten, wie Anspringen oder Aufmerksamkeit einfordern, sehr effektiv sein, da er sein Verhalten noch ausprobiert. Du kannst während des Ignorierens zusätzlich die Arme verschränken und deinen Oberkörper und Blick demonstrativ abwenden. So lernt dein Welpe, dass Anspringen oder Aufmerksamkeit einfordern dazu führt, dass du ihm jegliche Aufmerksamkeit entziehst. Sobald er sich angemessen verhält, bekommt er wieder deine Aufmerksamkeit.
Wann hilft Ignorieren nicht?
Ein Hund, der bereits Erfolge mit Anspringen oder Aufmerksamkeit einfordern verzeichnen konnte, lässt sich durch Ignorieren nicht so leicht beeindrucken. Für ihn ist bereits das Ausführen des unerwünschten Verhaltens lohnend geworden. Achte genau darauf, ob das Ignorieren tatsächlich dazu führt, dass die Intensität des unerwünschten Verhaltens spürbar und zeitnah abnimmt. Wenn das Verhalten weiterhin besteht, gibst du deinem Hund während des Ignorierens unbewusst dein Einverständnis für sein rüpelhaftes Verhalten dir gegenüber.
Hund ignorieren beim Füttern?
Das Warten auf das gefüllte Fressnapf kann eine gute Übung sein, um die Geduld deines Hundes zu trainieren. Beim Hund ignorieren achtest du dabei nicht auf seine Unruhe und gibst ihm den Napf erst, wenn er kurz entspannt abgewartet hat. Es ist wichtig, dass das Ignorieren innerhalb weniger Minuten zu einer Entspannung bei deinem Hund führt. Wenn dein Hund jedoch immer unruhiger und ungeduldiger wird, ist das Ignorieren keine gute Wahl. Es gibt Fälle, in denen der Hund 30, 40 oder 50 Minuten ignoriert wurde und in dieser Zeit fiepend durch die Wohnung lief. Dies bedeutet nicht nur Stress für den Hund, sondern auch für die Ohren des Besitzers.
Fördere ruhiges Verhalten
In solchen Fällen solltest du auf das Ignorieren verzichten und stattdessen sinnvolle Regeln für die Futterübergabe einführen. Lass dich während der Zubereitung des Futters nicht von deinem Hund bedrängen und fordere schon hier durch Körpersprache Abstand. Halte den gefüllten Napf in der Hand und warte kommentarlos, bis dein Hund sich von alleine hinsetzt und abwartet. Erst dann stellst du den Napf auf den Boden und dein Hund darf fressen. Die Zeit, in der du den Napf in der Hand hältst, kannst du Tag für Tag etwas verlängern und damit die Geduld deines Hundes allmählich steigern.
Ignorieren fördert Selbstständigkeit
Phasenweises Ignorieren kann bei Problemen mit dem Alleinbleiben bei jungen und älteren Hunden sehr effektiv sein. Durch das Ignorieren lernt dein Hund, sich von dir abzunabeln und auch ohne deine direkte Nähe und Aufmerksamkeit klarzukommen. Es ist ratsam, sich parallel dazu unsere Beiträge über Trennungsangst zu Gemüte zu führen.
Ein Hund, der ständig Aufmerksamkeit von dir einfordern kann, sieht in dir eine Art Selbstbedienungsladen. Er entscheidet selbst, wann er Aufmerksamkeit haben möchte, wohin er dir in der Wohnung folgt und wann er körperliche Nähe und Streicheleinheiten einfordert. Auch wenn dich das nicht stört, hindert es deinen Hund daran, sich zu entspannen. Dein Hund sieht es als seine Aufgabe an, ständig mit dir in Kontakt zu sein und hat daher niemals Feierabend.
Fördere Entspannung
Damit dein Hund lernt, sich zu entspannen, solltest du deinen “Selbstbedienungsladen” schließen und deinen Hund langsam von deiner immer verfügbaren Aufmerksamkeit entwöhnen. Es ist nicht ratsam, ihm auf einmal alle drei Komponenten – Aufmerksamkeit, Nähe aufsuchen und Folgen können – zu entziehen, da dies überfordernd sein kann. Beginne stattdessen damit, deinem Hund durch Phasen des Ignorierens zunächst nur eine Komponente zu entziehen: deine Aufmerksamkeit.
Aktiv den Hund ignorieren
Aktives Ignorieren bedeutet, dass du 2-3 Mal pro Tag Trainingseinheiten einplanst, in denen du deinem Hund keine Aufmerksamkeit schenkst. Diese Trainingseinheiten sollten zu Beginn nicht länger als 5-10 Minuten dauern, je nach Reaktion deines Hundes. Damit dein Hund langfristig versteht, warum du ihn gerade ignorierst, markiere den Beginn und das Ende der Übung. Dafür eignet sich ein Handtuch, das du zu Beginn gut sichtbar an eine Türklinke hängst. Sobald das Handtuch hängt, ignorierst du deinen Hund für einige Minuten. Um die Übung zu beenden, entfernst du das Handtuch von der Türklinke, legst es zurück in den Schrank und beachtest deinen Hund wieder. Mit der Zeit wird dein Hund lernen, dass seine Bemühungen um deine Aufmerksamkeit vergeblich sind, sobald er das Handtuch sieht. Er wird sich entspannt zurückziehen, noch bevor du das Handtuch aufhängst.
Aber Achtung!
Denke daran, deinen Hund auch außerhalb der Übung nicht ständig mit Aufmerksamkeit zu überschütten und forderndem Verhalten deines Hundes nicht nachzugeben. Nutze forderndes Verhalten, um deinem Hund eine erwünschte Alternative beizubringen. Wenn dein Hund zum Beispiel Streicheleinheiten einfordert, indem er an dir hochspringt oder an deinem Bein kratzt, blockiere ihn sanft im Brustbereich. Mit einer abwartenden Haltung und allen vier Pfoten auf dem Boden erhält er dann natürlich seine Streicheleinheiten.
Weitere Informationen und Tipps zum Umgang mit unerwünschtem Hundeverhalten findest du in unseren anderen Artikeln.
Handeln statt Ignorieren
Manchmal ist es besser, aktiv zu handeln und deinem Hund ein klares “Nein” zu kommunizieren. Es ist wichtig, gelegentlich Grenzen zu setzen, da Hunde im Gegensatz zu uns keine Demokraten sind. Dein Hund kann sich nur dann entspannen, wenn er dich als einen souveränen Partner erlebt, der ihm wichtige Benimmregeln vermittelt. Wenn du deinen Hund bisher nicht durch den Alltag geführt hast, wird er seine eigenen Entscheidungen treffen. Diese sind wahrscheinlich impulsiv und unüberlegt. Zudem wird er sich für Besucher oder andere Hunde verantwortlich fühlen und nur sehr wenig Rücksprache mit dir halten. Hier sind einige Beispiele, wann Handeln ratsam ist und Ignorieren kontraproduktiv sein kann.
Anspringen von Besuchern
Wenn dein Hund Besucher stürmisch begrüßt, ist Ignorieren nicht hilfreich. Dein Hund sieht die Fang-mich-Spiele mit dir und das Bedrängen des Besuchs als lohnende Aufmerksamkeit an. Wie du in dieser Situation am besten reagierst, erklären wir in unserem Beitrag “Orientierung durch Kommandos?”.
Rastlosigkeit in der Wohnung
Ruhephasen sind für das Wohlbefinden deines Hundes sehr wichtig. Jeder Hund sollte neben der körperlichen Auslastung durch Spaziergänge etwa 17 bis 20 Stunden täglich ruhen. Wenn dein Hund aufgrund seiner ständigen Beobachtung deiner Bewegungen nicht zur Ruhe kommt, muss er es lernen. Ignorieren ist in diesem Fall nicht zielführend, da er dadurch niemals richtig entspannen kann. Stattdessen solltest du feste Ruhephasen einführen, in denen du deinem Hund einen festen Platz zuweist, auf dem er sich entspannen kann. In unserem Artikel “So entspannt dein Hund auf der Decke” findest du detaillierte Trainingstipps.
Stürmischer Umgang mit Artgenossen
Wenn dein Hund anderen Artgenossen zu stürmisch und aufdringlich begegnet, ist Ignorieren nicht hilfreich. Durch deine Passivität gibst du ihm stillschweigend dein Einverständnis für sein übermäßiges Verhalten. In solchen Momenten solltest du eingreifen und deinem Hund durch körpersprachliche Präsenz zeigen, dass sein Verhalten nicht akzeptabel ist. Blocke ihn sanft ab und bleibe konsequent am Ball, bis er ruhig abwartet. Mit der Zeit wird er lernen, wie er sich angemessen verhalten kann. Wiederholung ist hier entscheidend. Anfangs ist es ratsam, sich in einem eingezäunten Bereich aufzuhalten, um Kontrolle über deinen Hund zu haben.
Aufgeregtes Bellen in der Hundeschule
Der Gruppenunterricht in einer Hundeschule kann für viele Hunde eine Herausforderung sein. Ignorieren ist in diesem Fall nicht hilfreich, da dein Hund unter starkem Stress steht. Du solltest ihm stattdessen helfen, mit dieser Situation umzugehen, indem du ihm außerhalb der Gruppensituation eigene Aufgaben gibst. Wenn er sich konzentriert und entspannt verhält, kannst du euch Stunde für Stunde näher an die Gruppe heranarbeiten.
Hund bellt Artgenossen an
Wenn dein Hund bei Sicht eines Artgenossen bellend in die Leine schießt, tut er dies nicht, um dich zu ärgern, sondern aus verschiedenen Gründen wie Frustration, Angst oder Unsicherheit. Ignorieren hilft ihm nicht aus der Aufregung heraus. Du solltest zunächst herausfinden, warum er andere Hunde anbellt, um erfolgreich daran arbeiten zu können. Unser Artikel “Ursachen einer Leinenaggression” gibt dir hierzu weitere Informationen.
Es gibt Situationen, in denen Handeln sinnvoller ist als Ignorieren. Durch klare Kommunikation kannst du deinem Hund wichtige Benimmregeln vermitteln und ihn dabei unterstützen, sich richtig zu verhalten.