Die Bundesregierung hat angekündigt, eine mögliche Obergrenze für Gaspreise einzuführen, um die Verbraucher vor den explodierenden Energiekosten zu schützen. Doch wie genau könnte dieses Instrument aussehen? Was wären die Kosten für den Staat? Und welche Haken gibt es? In diesem Artikel geben wir einen Überblick.
Dank voller Speicher, rekordhoher Einfuhren von Flüssigerdgas aus den USA und neuen Liefervereinbarungen ist der Erdgaspreis in den letzten Wochen stark gesunken. Dennoch liegt er immer noch auf einem historisch hohen Niveau. Die Bundesregierung plant, in den nächsten Tagen eine “Gesamtlösung” für die Belastungen der Bürger vorzustellen. Ein möglicher Bestandteil dieses Plans ist ein Preisdeckel für Gas, den immer mehr Politiker fordern.
Was ist ein Gaspreisdeckel?
Ein Preisdeckel ist eine Obergrenze, die Verbraucher und Unternehmen vor überhöhten Energiekosten schützen soll. Bundeskanzler Olaf Scholz hat bereits Vorschläge zur Dämpfung der hohen Kosten angekündigt. Es geht darum, die viel zu hohen Preise sowohl für Strom als auch für Gas zu reduzieren. Eine Kommission hat bereits Beratungen aufgenommen und wird voraussichtlich schnell Ergebnisse liefern.
Wie könnte ein Gaspreisdeckel aussehen?
In einigen europäischen Ländern gibt es bereits regulierte Tarife, die den Preis an den Energiemärkten deckeln. Es gibt verschiedene Modelle. Eine Möglichkeit ist die Regulierung auf dem Großhandelsmarkt, wie es in Spanien und Portugal der Fall ist. Dabei wird der Preis an den Transaktionen zwischen Energieerzeugern und Unternehmen, die Strom mit Gas produzieren, festgelegt. Es ist den Unternehmen untersagt, über einem bestimmten Maximalpreis Geschäfte miteinander zu machen.
Ein weiterer Ansatz ist ein Modell, bei dem der Tarif für Endverbraucher gedeckelt wird. In Großbritannien beispielsweise legt die Regulierungsbehörde nicht den Erzeugern, sondern den Versorgern den Höchstpreis fest, den sie Haushalten und Unternehmen anbieten dürfen. Dieser Preis wird regelmäßig an die Kosten der Händler angepasst. Die jüngste Preisobergrenze für Haushalte mit zwei bis drei Personen lag bei durchschnittlich 3549 Pfund pro Jahr für Heizung und Strom. Händler, die ihre Jahrespreise über diesem Limit festsetzen, werden mit einer Strafe belegt.
Wie viel günstiger wird das Gas durch einen Preisdeckel?
Die Verbraucher in Deutschland müssen in diesem Jahr so hoch wie nie zuvor für Gas bezahlen. Laut dem Vergleichsportal Check24 muss ein Musterhaushalt mit einem Verbrauch von 20.000 Kilowattstunden derzeit im Durchschnitt 4371 Euro pro Jahr zahlen. Das entspricht einem durchschnittlichen Preis von fast 21,9 Cent pro Kilowattstunde. Im September 2021 lag der Preis für die gleiche Menge Gas noch bei 1316 Euro.
Wie viel die Kunden durch eine Deckelung der Preise sparen würden, hängt vom Verbrauch ab. Ein durchschnittlicher Familienhaushalt mit einem jährlichen Gasverbrauch von 20.000 Kilowattstunden würde etwa 200 Euro pro Jahr sparen, wenn der Preis um einen Cent pro Kilowattstunde gesenkt würde. Bei einem Single-Haushalt mit einem Bedarf von 5000 Kilowattstunden wären es rund 50 Euro im Jahr.
Zusätzlich könnten sich dämpfende Effekte auf die allgemeine Teuerungswelle in Deutschland ergeben. Die Stabilisierung der Inflationserwartungen könnte das Risiko einer Lohn-Preis-Spirale verringern, so Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung.
Wie teuer wäre eine Preisdeckelung und wer würde sie bezahlen?
Grundsätzlich müsste der Staat die Differenz zwischen einer definierten Obergrenze und dem Marktpreis übernehmen, um die Versorger nicht zusätzlich zu belasten. Laut einer Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums auf eine Linken-Anfrage wären für eine Senkung des Endverbraucherpreises für Gas um einen Cent pro Kilowattstunde 2,5 Milliarden Euro aus der Staatskasse erforderlich.
Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, geht von weitaus höheren Kosten aus. Er sagt, dass eine Größenordnung von 30, 40 oder 50 Milliarden Euro realistisch sei. Welcher Gesamtbetrag sich ergibt, hängt davon ab, wie hoch der Deckel angesetzt wird und wie sich die Endverbraucherpreise entwickeln. Die Frage der Finanzierung bleibt jedoch offen.
Finanzminister Christian Lindner hat angekündigt, dass er eine Vorstellung in diese Richtung hat, ohne Details zu nennen. Es ist sein zentrales Versprechen, im kommenden Jahr die Schuldenbremse wieder einzuhalten. Vertreter von Grünen und SPD fordern jedoch seit langem eine Aussetzung dieser verfassungsrechtlichen Regelung. Auch Rufe nach einer Übergewinnsteuer für Energiekonzerne wurden laut, mit der eine Gaspreisbremse finanziert werden könnte.
Was sagen Experten dazu?
Ökonomen weisen in der Debatte neben der Finanzierung und dem hohen bürokratischen Aufwand auf zwei entscheidende Punkte hin. Erstens: Die Verwässerung der Sparanreize. Sie haben die Sorge, dass die Endverbraucher bei zu niedrigen Preisen zu wenig sparen. Der Preismechanismus habe eine ökonomische Lenkungswirkung.
Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm betont, dass Gas dringend gespart werden muss, um im Winter einen Mangel zu vermeiden. Ein Gaspreisdeckel wäre daher nur sinnvoll, wenn er mit starken Sparanreizen verbunden ist. Dies wäre der Fall, wenn er nur für ein Grundkontingent gelten würde. Zusätzlich könnten Prämien für diejenigen ausgezahlt werden, die wenig Gas verbrauchen.
Der zweite Knackpunkt ist die fehlende Zielgenauigkeit. Auch Verbraucher, die es sich eigentlich leisten könnten, würden von einer generellen Gaspreisbremse profitieren. Experten argumentieren, dass man sich auf die wirklich Bedürftigen konzentrieren müsse. Ein Preisdeckel für Gas trifft jedoch genau die Haushalte, die mit Gas heizen und in den nächsten Monaten besonders hohe Heizkosten haben werden.
Gibt es bereits konkrete Vorschläge in diese Richtung?
In den letzten Tagen wurden vermehrt Vorschläge diskutiert, die auf die Kritik der Ökonomen eingehen. Grünen-Chefin Ricarda Lang plädiert beispielsweise für ein Zweistufenmodell mit einem definierten Grundbedarf. Nur dieser Grundbedarf soll subventioniert werden, zusätzliches Gas soll zu Marktpreisen verkauft werden. Experten sind der Meinung, dass dieses Modell erfolgreich sein könnte, wenn der Grundbedarf nicht zu hoch angesetzt wird.
Ein konkreter Plan der Landesregierung von Mecklenburg-Vorpommern sieht vor, für private Haushalte einen Festpreis für 80 Prozent des durchschnittlichen Verbrauchs der Jahre 2019 und 2020 festzulegen. Die Festpreise sollen auf dem Niveau liegen, das vor dem Krieg in der Ukraine am Markt vorlag. Wer mehr Energie verbraucht, müsste diese zu aktuellen Marktpreisen zahlen. Das wäre ein vertretbarer Sparanreiz.
Auch die CSU hat einen Gaspreisdeckel für drei Viertel des Privatverbrauchs vorgeschlagen. Die Gewerkschaft ver.di fordert, die Kosten für den Normalverbrauch einer vierköpfigen Familie auf dem Niveau von 2021 zu halten. Der Deutsche Gewerkschaftsbund schätzt den Grundbedarf auf 8000 Kilowattstunden zu einem Preis von 7,5 Cent pro Einheit. Haushalte mit mehr Menschen sollten einen höheren Deckel erhalten. Vor einem Jahr lag der Preis pro Kilowattstunde noch bei knapp 6,6 Cent.
Gibt es weitere Haken?
Experten weisen auf weitere Nachteile eines Preisdeckels hin, je nach Ausgestaltung. Eine Regulierung auf dem Großhandelsmarkt könnte zu komplizierten Verwerfungen führen, da ein Eingriff in den Mechanismus von Angebot und Nachfrage dazu führen könnte, dass an anderer Stelle Gas fehlt und beispielsweise Öl verbrannt oder Industrieprozesse eingestellt werden müssten.
Haucap warnt zudem vor nationalen Lösungen, falls das subventionierte Gas auch für die Stromerzeugung verwendet wird. In Anbetracht der Verflechtung im europäischen Binnenmarkt müsse damit gerechnet werden, dass das subventionierte Gas auch in anderen Ländern gekauft wird. Daher sollte eine solche Subvention auf ganz Europa ausgeweitet werden. Wenn das subventionierte Gas nur für Privathaushalte zur Verfügung steht, wäre das kein Problem.
Und was passiert mit der Gasumlage?
Bislang ist geplant, dass die Gasumlage ab dem 1. Oktober erhoben wird, was zu einer weiteren Erhöhung der Gaspreise führen würde. Mit dieser Umlage sollen die in Schwierigkeiten geratenen Gasimporteure aufgrund des fehlenden russischen Gases unterstützt und letztendlich die Versorgung sichergestellt werden. Vertreter der Ampelkoalition haben jedoch deutlich gemacht, dass die Gasumlage für die Bürger nicht weiter verfolgt wird.
Ein Gaspreisdeckel würde wahrscheinlich das endgültige Aus für diese umstrittene Maßnahme von Wirtschaftsminister Robert Habeck bedeuten. Selbst aus Grünen-Kreisen wurde zuletzt gesagt, dass es keinen Sinn ergibt, die Preise zu deckeln und gleichzeitig die Umlage zu erheben. Auch Finanzminister Lindner ist fest entschlossen, die Umlage abzuschaffen und stattdessen einen Gaspreisdeckel einzuführen. Nach einer Sitzung des FDP-Präsidiums in Berlin drängt der Parteichef auf ein hohes Tempo.