Wie gestaltet man ein gutes Plakat?

Wie gestaltet man ein gutes Plakat?

Als Teresa Sdralevich das erste Mal ein Plakat entwarf, wusste sie sofort, dass sie ihr Lieblingsmedium gefunden hatte. Mittlerweile hat sie sich eine Siebdruck-Werkstatt eingerichtet, sie veranstaltet Poster-Workshops und Live-Print-Events in ganz Europa. Eine weitere Vorliebe der 47-Jährigen, die aus Italien stammt und mit ihrer Familie in Brüssel lebt, ist die Gestaltung von Bilderbüchern für Kinder und Erwachsene. Wir haben mit ihr über ihren Werdegang, ihre Plakat-Leidenschaft und den politischen Einfluss von Designern gesprochen.

Wie bist du Gestalterin geworden?

Teresa Sdralevich: Das war nicht geplant. Ich habe erst mal Politikwissenschaften in Bologna studiert, aber oft daran gezweifelt. Während des Studiums habe ich mich an der Kunsthochschule beworben und wurde sogar angenommen – war aber zu schüchtern, an den Kursen teilzunehmen. Es dauerte, bis ich meinen Weg gefunden hatte. In meiner Abschlussarbeit habe ich über die Geschichte der Illustration geschrieben. Ich fing an, mehr zu zeichnen. 1994 bin ich nach Brüssel gezogen, um an den Hochschulen ERG und La Cambre Illustration und Grafikdesign zu lernen. Als ich für die Aufnahmeprüfung Plakate entwarf, wusste ich sofort: Das ist es!

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Erinnerst du dich an deine ersten Plakate?

In den Neunzigern hatten in Belgien alle Angst vor der rechtsextremen Bewegung. Ich habe ein paar kleine antifaschistische Gruppen kontaktiert und angefangen, mit ihnen zusammenzuarbeiten und Plakate zu entwerfen. Außerdem war ich zu dieser Zeit halbtags für ein Studio tätig, für das ich sehr viele Poster designte.

Was macht für dich ein gutes Plakat aus?

Am wichtigsten ist die Idee. Dann geht es darum, diese Idee auf dem deutlichsten und einfachsten Weg zu vermitteln. Ein Plakat sollte einen Dialog zwischen Bild und Text abbilden. Das eine darf ohne das andere nicht funktionieren. Ich bin ziemlich streng, natürlich gibt es auch Ausnahmen. Ein gutes Plakat muss eine gewisse Spannung enthalten – zwischen Bild und Text, zwischen etwas Rationalem und etwas Unterbewusstem.

Welche anderen Gestalter haben dich in Bezug auf Plakat-Design geprägt?

In Deutschland waren es anfangs vor allem Sandy Kaltenborn von image-shift und Malte Martin, die einen sehr großen Einfluss auf mich hatten. Tomi Ungerer war ebenfalls sehr wichtig für mich. Ähnlich wie ich hat er eine Art Doppelidentität, weil er Kinderbücher und gleichzeitig Antikriegsplakate gestaltet. Und es gibt noch so viele weitere auf meiner Liste.

Wie nachhaltig hat dich dein Politikstudium beeinflusst? Interessierst du dich immer noch für Politik?

Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie einen Politik momentan nicht interessieren könnte. Hier in Belgien ist mir vor allem die Kommunalpolitik wichtig. Als Italienerin interessiert mich außerdem die verrückte Politik in meinem Heimatland. Und natürlich die internationale Politik. Manchmal denke ich, dass ich viel Zeit und Energie mit meinem Politikstudium verloren habe. Doch andererseits habe ich Hintergrundwissen gewonnen, das mir jetzt bei meinen Projekten hilft, zum Beispiel auch in Kundengesprächen.

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“Gestalter tragen Verantwortung, heute mehr als je zuvor.”

Inwiefern können Gestalter die Politik und die Gesellschaft beeinflussen?

Gestalter tragen Verantwortung, heute mehr als je zuvor. Denn mittlerweile wird jeder von Bildfluten überströmt. Grafiken und Fotos prasseln oft ohne Kontext, ohne Hierarchie, ohne Wertung auf uns ein, beispielsweise bei Instagram. Es ist wichtig, sich darüber im Klaren zu sein und sich an gewisse Regeln zu halten. Bilder können Menschen bewegen und Verständnis vermitteln – deswegen sind auch Plakate nach wie vor so relevant. Sie sprechen laut und klar über bestimmte Themen.

Teresa Sdralevich in Aktion – bei einem Siebdruck-Workshop in Mailand

Welche Themen liegen dir besonders am Herzen?

Die Flüchtlingskrise ist extrem dringlich, sie bewegt mich sehr. Es ist nicht einfach, angemessene Motive zu finden. Gender Equality liegt mir ebenfalls am Herzen, insbesondere die Frauenbewegung. Wir müssen unbedingt daran festhalten, den Fortschritt voranzutreiben – mit Aktionen und mit unseren Werken. Sie können helfen.

Welches Projekt war bisher deine größte Herausforderung?

Jedes Projekt ist eine Herausforderung. Kürzlich habe ich eine neue Broschüre für Médecins sans frontières entworfen. Es erschien erst mal einfach, war aber sehr schwierig. Ich wollte weg von der typischen Textform mit ein paar Zeichnungen. Solche Broschüren landen ungelesen im Müll. Ich habe lange überlegt und beschlossen, den Text handschriftlich komplett neu zu schreiben, jedes Wort kombiniert mit eingebauten Zeichnungen.

Bist du Teil eines kreativen Netzwerks oder arbeitest du lieber allein?

Meine liebste Art der Zusammenarbeit sind Workshops. Sie werden immer wichtiger für mich. Was mir besonders gefällt: Ich helfe den Teilnehmern nicht nur, etwas zu kreieren, sondern konkretisiere vorher ihre Einfälle mit ihnen, um herauszufinden, wie sie sich ausdrücken möchten. Oft denken sie, dass sie gar keine Ideen haben, was natürlich nicht stimmt. Meistens geht es darum, etwas auf die Essenz zu reduzieren und schmückendes Beiwerk wegzulassen.

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Mit vielen deiner Workshops richtest du dich an Kinder oder Studenten. Was gefällt dir daran?

Kinder sind sehr schnell, sie verstehen Ideen sofort. Sie legen einfach los, ohne viele Fragen zu stellen. Gleichzeitig sind sie sehr aufmerksam, sie beachten die Regeln. Manchmal sage ich ihnen, dass sie nicht malen sollen. Dann fallen ihnen direkt neue Wege der Gestaltung ein. Studenten haben eine ganz andere Herangehensweise. Sie sind langsamer, denken viel mehr nach, haben einen eigenen Kosmos. Statt in Schulen unterrichte ich lieber in ungezwungeneren Umgebungen, das hilft ein wenig.

Welche Ratschläge gibst du Nachwuchsdesignern?

Viel arbeiten! Und nicht vergessen, dass Wege nicht immer geradlinig sein müssen. Viele junge Gestalter glauben, sie müssten sofort durchstarten. Das klappt in manchen Fällen. Es ist aber auch interessant, erst mal ein paar Kurven zu drehen und verschiedene Dinge auszuprobieren. Außerdem würde ich sagen: Solange ihr studiert, müsst ihr euch noch nicht auf den Berufsalltag vorbereiten. Später hat man genug Zeit für den Job. Während der Ausbildung ist es toll, einfach ganz viel herumzuexperimentieren.

Auf der diesjährigen see conference leitet Teresa Sdralevich einen Workshop zum Thema Plakat-Design. Die Konferenz mit dem Thema “Visualisierung von Information” findet am 22. April 2017 in Wiesbaden statt. Weiteres dazu ist hier zu finden: www.see-conference.org.