Ein Riese & Müller e-Bike, das nur 18 kg wiegt? Mit Fazua Motor und Singlespeed? Als ich das zum ersten Mal hörte, war mir sofort klar – das muss ich unbedingt Probefahren! Die Darmstädter Premiummarke war bislang nicht unbedingt für Leichtbau bekannt. Die UBN Line ist radikal neu und anders, als alles was man bislang aus dem Hause Riese & Müller gewohnt war. Ich kann es daher kaum erwarten, mich heute in Breisach am Rhein auf den Sattel eines Riese & Müller UBN Five zu schwingen, um eine ausgedehnte Probefahrt in der City und Umgebung zu machen.
Die wichtigsten Spezifikationen
- Motor: Fazua Ride 60
- Akku: Fazua Energie, 430 Wh, entnehmbar aus dem Unterrohr
- Steuerung / Display: Ring Control am Lenker / LED Hub auf dem Oberrohr, SP Connect optional für Mobile Phone
- Antrieb: Singlespeed Riemenantrieb
- Gabel: Starrgabel
- Rahmen: Aluminium
- Bremsen: TRP HD-EU817, hydraulische Scheibenbremsen 180 mm
- Reifen: Schwalbe Marathon 42-622 (28 Zoll)
- Gewichtsfreigabe: bis 135 kg
- Gewicht: 18 kg
- Farbe: Selva
- Preis: UVP 4.999 €
Ultraleicht und ein echter Hingucker
Angekommen in Breisach treffe ich mich mit Fotograf Wanja auf einem Parkplatz außerhalb der Stadt und bekomme schon beim Runterheben vom Radträger ein Grinsen ins Gesicht. Wow, ist das leicht! Dass ein e-Bike mit nur 18 kg Gewicht leicht sein würde, war mir schon im Vorfeld klar. Wie federleicht es sich tatsächlich anfühlt, merkt man erst, wenn man es selbst in der Hand hält. Mein Blick schweift nun zum ersten Mal über das UBN Five in der Farbe Selva – wunderschön und das Design definitiv preisverdächtig. Es wirkt so filigran und sportlich, clean und minimalistisch. Gleichzeitig aber auch edel und hochwertig verarbeitet. Allein die perfekt verschliffenen Schweißnähte des Alurahmens sind für Kenner ein wahrer Augenschmaus. Man glaubt fast, einen Carbonrahmen vor sich zu haben, was ich bei Riese & Müller bislang noch nicht gesehen habe.
Die UBN Line ist mittlerweile in drei Rahmenformen erhältlich. Das hier gezeigte UBN Five besitzt einen klassischen Diamantrahmen, das UBN Seven einen Trapezrahmen mit tiefer gezogenem Oberrohr. Und ganz neu im Programm ist das Tiefeinsteigermodell namens UBN Six. Als Farben stehen beim Five Selva und Mattschwarz zur Wahl, beim Seven Rose und Weiß und beim neuen UBN Six gibt es black matt und pure white zur Auswahl.
Der Slogan von Riese & Müller zum UBN Five lautet „gemacht für die Stadt“ – na dann auf zur Probefahrt in die Stadt!
Die Probefahrt
Endlich schwinge ich mich auf den Sattel und noch auf dem Parkplatz wird schon nach ein, zwei Pedalumdrehungen klar, das UBN Five fährt sich so agil und wendig wie kein anderes Riese & Müller. Dieses Light e-Bike schreit förmlich nach Gas geben und Spaß haben.
Und Zack – schon ist es passiert! Während ich mich mit der Ring-Control und LED-Hub vertraut mache und noch völlig geflasht bin von den ersten Fahreindrücken, verpasse ich die Abfahrt Richtung City und lande kurz darauf mitten im Rheinwald. Kamera-Mann Wanja hat auf seinem e-MTB Fully gut lachen, als der unbefestigte Naturweg immer mehr Richtung Trail mutiert und sich armdicke Wurzeln unter dem dichten Herbstlaub auftuen. Mit einem Urban-Singlespeed Bike mitten durch den Rheinwald pflügen? So hatte ich meine Testfahrt nicht geplant. Aber Umdrehen ist keine Option, dafür stecken wir schon zu tief im grünen Dickicht.
Dann schauen wir doch mal, welche Gravel-Gene im UBN Five stecken! Die Geometrie ist angenehm sportlich und zu meinen 183 cm passt Rahmengröße 51 wie ein Maßanzug. Obwohl das Bike ultraleicht ist, fährt es sich nie nervös und hält stabil die Spur, auch auf schwierigen Untergründen. Die 180 mm TRP-Scheibenbremsen vermitteln Sicherheit durch einen klaren Druckpunkt und ordentlich Biss, selbst unter nasskalten Bedingungen, wie heute. Begeistern tut mich die hohe Solidität. Da klappert nichts, da wackelt nichts. Das UBN Five ist eben doch ein echtes Riese & Müller.
Dank dem neu gewonnen Wissen um die Offroad-Fähigkeiten des UBN, beginne ich allmählich Spaß zu haben an der unfreiwilligen Situation und fange an, das Vorderrad spielerisch über Wurzel zu heben. Mit Click-Pedalen für festen Halt und etwas griffigeren Gravel-Reifen wäre das UBN eine e-Gravel-Waffe für die Jagd nach Bestzeiten in der wilden Natur. Nach zwei, drei Kilometern spuckt uns der Trail auf dem asphaltierten Radweg am Rhein aber wieder aus.
Fazua Ride 60 Motor
Endlich ist das UBN wieder in seinem Terrain! Geradezu spielerisch leicht lässt es sich auf Asphalt bewegen. Ein kleiner Hüftschwung reicht aus und schon wirft es sich flink wie ein Wiesel in die nächste Kurve. Wenige Pedalumdrehungen genügen beim Beschleunigen mit dem Fazua-Motor und man fährt perfekt entkoppelt und mit Leichtigkeit über 25 km/h. Den Motor brauche ich eigentlich nur zum Beschleunigen, etwa beim Start an der Ampel oder an Steigungen. Kaum ein anderes e-Bike kommt dem Bio Bike-Fahrgefühl in Sachen Agilität so nahe wie das UBN und hat dennoch bei Bedarf genügend “Rückenwind”. Welche der drei Unterstützungsstufen man dabei wählt, ist zumindest in der Ebene nebensächlich. Die Leistungsunterschiede zwischen “Breeze”, “River” und “Rocket” fallen weniger groß aus, als man es von herkömmlichen Power-Antrieben gewohnt ist. Per App lässt sich die Charakteristik aber ganz individualisiert anpassen. Vermutlich würde ich mir Breeze dann doch noch etwas schwächer konfigurieren.
Die LED-Hub im Oberrohr ist minimalistisch gehalten und zeigt einem farblich die gewählte Unterstützungsstufe sowie den Ladestand des Akkus an. Praktisch: Sie verfügt auch über eine USB-C Ladebuchse, um z.B. ein am Vorbau befestigtes Smartphone zu laden. Die Ring Control am Lenker ist optisch gelungen, dezent. Die Haptik und Qualität wirkt hier allerdings nicht ganz so hochwertig. Ob dieser Controller Jahre der regelmäßigen Nutzung übersteht, muss sich noch zeigen.
Über die bayerische Firma Fazua, die sich innerhalb weniger Jahre vom kleinen Startup zum Porsche-Tochterunternehmen gemausert hat, wurde in der e-Bike Szene zuletzt viel gesprochen. Für viele gehört der Fazua Ride 60 Antrieb zu den wichtigsten e-Bike-Neuerungen des vergangenen Jahres.
Der Ride 60 ist der leiseste Motor, den ich je in einem e-Bike gefahren bin. Er ist spürbar stärker in seinem Durchzugsverhalten als der Ride 50 und hebt sich deutlich von den bekannten Minimal Assist-Antrieben ab. Mit seinen 60 Nm Drehmoment liegt er doch ziemlich genau in der Mitte, zwischen Minimalassist-Motoren mit 35 Nm und den bekannten Power-Motoren mit rund 85 Nm. Auch wenn 60 Nm nominell nicht nach besonders viel Leistung klingt – im Umfeld mit diesem leichten Bike ist es eine andere Dimension und gefühlt braucht es nicht mehr.
Motor und Akku wiegen jeweils nur um die 2 kg, was sensationell wenig ist. Doch es erklärt, wie das Riese & Müller UBN Five auf das niedrige Gewicht kommt. Anders als beim Vorgänger ist der neue Fazua Ride 60 Motor aber nicht mehr entnehmbar. Allerdings ist der 430 Wh Akku bequem aus dem Unterrohr entnehmbar und das finde ich persönlich viel wichtiger.
Über die mögliche Reichweite kann ich nur spekulieren, es dürfte mehr als bei jedem anderen e-Bike von der persönlichen Fitness und vom persönlichen Fahrstil abhängen. Wer bereit ist, sich moderat sportlich zu betätigen, dürfte damit ähnlich hohe Reichweiten erzielen, wie Fahrer von Power-e-Bikes mit großen Akkus.
Vollspeed mit Singlespeed
Singlespeed Antriebe werden im urbanen Umfeld seit jeher geschätzt für ihre reibungsarme Kraftübertragung und besitzen darüber hinaus ohne Zweifel einen hohen Coolness-Faktor. Fahrradkurierdienste fahren nicht umsonst gerne Singlespeed.
Die UBN Line lässt sich Riese & Müller-typisch konfigurieren mit drei verschiedenen Schaltungen und weiteren Ausstattungsoptionen, wie ein Suspension- und ein Komfort-Paket. Zur Wahl stehen eine 11-fach Kettenschaltung (touring), eine 8-fach Nabenschaltung (silent) mit einem leisen und wartungsarmen Riemenantrieb und die Singlespeed-Variante, ebenfalls mit Riemenantrieb.
Bei Singlespeed hat man nur eine Übersetzung, die für alles passen soll. Kann das funktionieren? Mein Eindruck vom Fahren in der Ebene ist: Es passt ganz gut! Ich fahre neben Wanja her und selbst bei Tempo 30 ist meine Trittfrequenz nicht unangenehm hoch. Das funktioniert also. Die 11-fach Kettenschaltung hat eine Übersetzungsbandbreite von 2 Meter pro Pedalumdrehung im leichtesten Gang, bis zu 8,50 Meter im schwersten Gang. Mit der Singlespeed hat man immer rund 5,50 Meter pro Pedalumdrehung, was also gefühlt einem 7. oder 8. Gang entspricht. Anfahren benötigt deshalb etwas Kraft, aber dafür hat man ja den Motor.
Der Berg ruft
Komme ich mit dem Singlespeed einen Berg hoch? Um dies zu testen fahren wir nun ins Zentrum der historischen Altstadt von Breisach. Dort thront hoch oben auf dem Berg seit bald 1.000 Jahren das Breisacher Münster. Die einzige Straße hinauf zur romanisch-gotischen Kirche besteht aus altem Kopfsteinpflaster und hat über einen Kilometer lang eine Steigung im unteren zweistelligen Bereich.
Wie schon bei meinen ersten Erlebnissen heute im Rheinwald kann ich dem UBN auch hier auf Kopfsteinpflaster eine passable Dämpfung attestieren. Ich fahre die 42 mm breiten Schwalbe Marathon-Reifen mit ca. 3 bar und werde nicht über die Maßen durchgeschüttelt. UBN-Fans, die häufiger auf ruppigen Untergründen unterwegs sind, könnten zum optionalen Suspension-Paket greifen – mit Luftfedergabel und Sattelstützenfederung.
Wer cool sein will, muss eben auch mal auf die Zähne beißen! Auf dem nächsten Kilometer geht es nun wirklich ans Eingemachte. Diese Steigung mit dem Singlespeed, in Kombination mit dem schlecht rollenden Kopfsteinpflaster, verlangt vollen Körpereinsatz. Die letzten 200 Meter gehen nur noch im Wiegetritt. Mein Puls schnellt hoch trotz Rocket-Modus. Der Blick vom Münsterplatz über die Stadt bis hinunter zum Rhein entlohnt aber für die Strapazen des Anstiegs. Das war jetzt echter Sport! Wer unter solchen Bedingungen als Commuter täglich seinen Weg zur Arbeit bestreiten muss, sollte vielleicht doch besser zur Naben- oder Kettenschaltung greifen.
Hochwertige Ausstattung
Bevor wir uns wieder zurück ins Getümmel der Stadt werfen, bleibt noch Zeit einen Blick auf die Ausstattung des UBN Five zu werfen. Alles wirkt Riese & Müller-typisch hochwertig und gut durchdacht, aber auch gleichermaßen funktional und stylisch.
Als Frontlicht kommt die kleine, aber leistungsstarke Supernova mini 2 zum Einsatz, als Rücklicht eine formschöne LED-Leuchte von Busch & Müller, die die Rückansicht deutlich aufwertet. Der minimalistische Gepäcktaschenhalter rundet das durchdachte Design des UBN gelungen ab und bietet dennoch mit bis zu 15 kg Zuladung die nötige Alltagstauglichkeit für das tägliche Gepäck beim Pendeln zur Arbeit oder den kleinen Einkauf.
Natürlich ist ein modernes, urbanes e-Bike dieser Güteklasse auch voll vernetzt nutzbar. Wer ein Smartphone benutzen will, kann dies einfach über die SP Connect Schnittstelle am Vorbau befestigen. Mittels der RX Connect App verbindet man sich mit dem Bike und hat alle Fahrdaten im Blick, Zugriff auf Navigation und auch an Ortung (RX Chip) und Alarmfunktion hat Riese & Müller gedacht. Das schöne ist, man hat beim UBN die freie Wahl, ob man puristisch fahren will oder mit maximaler Konnektivität.
Fazit
Das Riese & Müller UBN Five Singlespeed ist kein Alleskönner und auch kein e-Bike für Jedermann / Jedefrau. Das muss und soll es auch gar nicht sein. Wer aber ein sportliches, ultraleichtes e-Bike sucht und Sinn für Ästhetik und Design hat, der wird es lieben!
Das Gesamtkonzept der Urban-Line ist bis ins letzte Detail durchdacht und stimmig, die Qualität auf gewohnt hohem Riese & Müller-Niveau. Und auch an Ökologie, Nachhaltigkeit und möglichst kurze Lieferwege haben die Darmstädter bei der Entwicklung gedacht. Der Fazua-Motor und das Busch & Müller Licht kommen aus Deutschland, Rahmen und Laufräder in Portugal produziert und die Griffe kommen aus Norwegen. Nahezu alle Teile werden ganz bewusst in Europa produziert – vorbildlich!
Wer sich für die UBN Line interessiert, sollte zum Riese & Müller Händler seines Vertrauens gehen und eine Probefahrt machen, um die Leichtigkeit des Seins selbst zu erfahren.
Herzlichen Dank an die e-Bike Experten von e-motion e-Bike Welt Freiburg Süd für die Bereitstellung des Testrades.
Euer Belchenradler