“Bello, nein, aus, pfui, lass das, hör jetzt auf!” Manchmal denke ich, dass einige Hunde glauben, ihr Name bestehe aus einer ganzen Armada von sinnlosen Wörtern. Und obwohl Bello diese Sätze den ganzen Tag hört, hört er trotzdem nicht auf und beißt fröhlich weiter in Hände, Hosen und andere Hunde. Woran liegt das? Und wie kann man das ändern?
Uns Menschen fällt es oft schwer, Grenzen zu setzen. Dabei wäre es so einfach. Wir könnten uns einfach anschauen, wie die Hündin mit ihren Welpen umgeht. Die Mama möchte ihre Welpen nämlich auf das spätere Leben vorbereiten. Dazu müssen die Welpen lernen, dass es Warnsignale von anderen Lebewesen gibt, die man ernst nehmen sollte. Wenn ein anderer Hund eine Beute hat, sich darüber stellt, mit gesenktem Nasenrücken fixiert und knurrt, sollte man nicht an die Beute herangehen. Das ist eine wichtige Lektion, die das Überleben des Welpen sichert.
Das Vorbild Mama
Eine Mutterhündin nimmt sich im Laufe der Erziehung immer wieder einen Gegenstand und beansprucht ihn für sich. Das kann zum Beispiel ein Spielzeug oder ein Knochen sein. Die Welpen werden neugierig werden und schauen, ob sie auch etwas davon abbekommen können. Wenn ein Welpe diese Botschaft noch nicht verstanden hat und trotz aller Warnungen näherkommt, wird die Mama einen sogenannten Schnauzbiss zeigen. Sie beißt dabei kurz über den Fang des Welpen – natürlich ohne ihn zu verletzen oder zu töten. Der Welpe wird sich das nächste Mal überlegen, ob er wirklich so nah an Mama herangehen soll, wenn sie gerade mit Beute beschäftigt ist. Und wenn er seine Lektion immer noch nicht verstanden hat und am nächsten Tag wieder sein Glück versucht, wird Mama konsequent bleiben und den Schnauzbiss wieder einsetzen. Mama gibt dabei keine Kompromisse ein. Sie lässt ihren Welpen auch nicht “nur ein bisschen” an die Beute gehen oder “dieses eine Mal”. Denn jetzt ist die Zeit, in der ein Welpe die Spielregeln des Zusammenlebens lernen muss.
Im Gegensatz dazu lassen wir Menschen uns oft von den Kulleraugen unseres neuen Familienmitglieds erweichen.
Grenzen setzen: Schnauzgriff und Nackenstoß
Oft reagieren wir Menschen erst, wenn es gefährlich wird oder wir verzweifelt sind, weil die Hände schon bluten. Dabei könnte der Welpe in dieser Zeit lernen, was er darf und was nicht, was Grenzen sind und was das Wort “Nein” bedeutet.
Es ist daher wichtig, dass wir Grenzen von Anfang an setzen, und zwar nicht erst, wenn der Welpe nicht mehr lernfähig ist, sondern genauso wie die Mama es mit ihren Welpen macht. Man nimmt zum Beispiel einen Kauartikel und legt ihn vor sich hin oder behält ihn in der Hand nah am Körper. Ein leichtes darüber Beugen, ein fixierender Blick zum Welpen sollte eigentlich genügen, tut es aber nicht, weil der Welpe noch nicht gelernt hat, dass strenge Blicke auch vom Menschen ernst genommen werden müssen. Der Welpe wird versuchen, an den Kauartikel zu gelangen. Wenn er einen Schritt zu weit geht, kann man, wie bei einem Schnauzbiss, kurz, aber deutlich über die Schnauze des Hundes fassen und dabei ein Wort verwenden, das der Welpe bald mit dem Abbruch einer verbotenen Handlung assoziieren wird. Es empfiehlt sich, ein anderes Wort als “Nein” zu verwenden, da dies im Alltag oft gedankenlos ausgesprochen wird. “Schluss”, “Tabu”, “Ende” oder “Basta” eignen sich besser.
In bestimmten Situationen, zum Beispiel wenn die Schnauze nicht erreichbar ist, weil der Hund sich gerade an der Zimmerpflanze zu schaffen macht, kann ein sogenannter Nackenstoß nützlich sein. Dabei stößt der Hund mit der Schnauze in den Halsnackenbereich des anderen Hundes. Wir Menschen können diese Geste mit unserer Hand nachahmen und unserem Welpen (in Verbindung mit dem Tabuwort) mit der zur Schnauze geformten Hand einen kleinen Schubser geben, idealerweise kurz vor oder während der unerwünschten Handlung. Achten Sie jedoch darauf, dass es ein Schubser ist und der Hund nicht nur geschoben wird. Ein Schieben würde eher dazu führen, dass der Hund sich animiert fühlt und weitermacht.
Da das Setzen von Grenzen auch für den Welpen eine Lernerfahrung ist, muss diese Übung wiederholt werden, an verschiedenen Orten, in verschiedenen Situationen mit verschiedenen Gegenständen.
Wenn es nicht funktioniert
In meinen Welpengruppen höre ich oft von verzweifelten Menschen, dass sie dieses Verhalten bereits angewendet haben, der Welpe jedoch nicht darauf reagiert und noch “wütender” wird und weiterhin in die Hände beißt. Dafür gibt es in der Regel zwei Gründe. Entweder wurde der Schnauzgriff / Nackenstoß zu sanft angewendet, sodass der Hund diese Handlung nicht als Maßregelung wahrgenommen hat, oder der Mensch hat den richtigen Zeitpunkt verpasst, um die Maßregelung sinnvoll zu setzen. Es macht keinen Sinn, den Schnauzgriff erst dann einzusetzen, wenn vom Tisch nur noch Späne übrig sind oder das Blut bereits die Hand hinunterläuft. Das Tabu sollte bereits beim ersten “Anknabbern” des Tisches oder beim ersten Zahn im Pullover gesetzt werden, damit klar ist: “Das darfst du niemals tun.”
Hunde sind übrigens nicht nachtragend. Nach dem Schnauzgriff wird der Welpe ignoriert, damit er das Erlebte verarbeiten kann. Wenn der Welpe jedoch beschwichtigend, zum Beispiel mit zurückgelegten Ohren und abgewandtem Blick, wieder näherkommt, sollte dies auch erlaubt sein. Der Welpe darf natürlich immer noch nicht an den Kauartikel, aber er darf die Nähe des Menschen suchen und wird sie auch bekommen.
Dies gilt für das gesamte Hundeleben: Eine Strafe wird nur verstanden, wenn sie genau dann eingesetzt wird, wenn der Hund das zu strafende Verhalten zeigt. Wenn der Welpe also ein Zierkissen zerkleinert und man die Überreste später findet, hat es keinen Sinn, den Hund zu bestrafen oder böse auf ihn zu sein. Er wird den Zusammenhang nicht verstehen und den Menschen als unberechenbar einstufen.
Erwachsener Hund – Chance verpasst?
Wie geht man jedoch mit einem erwachsenen Hund um, der diese Regeln nie gelernt hat – sei es, weil man es in der Welpenzeit versäumt hat oder weil man den Hund erst als erwachsenen Hund übernommen hat? Kann man trotzdem noch Grenzen setzen? Die Antwort lautet: Jein.
Oft nehmen unsere Hunde uns nicht ernst, weil wir uns im Alltag oft manipulieren lassen und uns viele kleine Respektlosigkeiten gefallen lassen. Wenn ich aber meinen Hund grundsätzlich nicht ernst nehmen kann, werde ich auch eine Maßregelung nicht ernst nehmen oder mir diese gefallen lassen.
Regeln im Alltag
Bevor man überhaupt über eine Maßregelung nachdenkt, sollte man sich fragen, wie der Hund einen wahrnimmt. Spielt man jedes Mal mit dem Hund, wenn er einen Ball vor die Füße wirft? Streichelt man den Hund jedes Mal, wenn er einen anstupst, an einem kratzt oder mit flehenden Augen ansieht? Öffnet man jedes Mal die Tür, wenn der Hund bellend davor sitzt? Lässt man sich anspringen, wenn man sich kurz “unerlaubt” entfernt hat, zum Beispiel beim Nachhausekommen? Weicht man zur Seite, wenn sich der Hund auf das Sofa legen möchte? Lässt man sich von seinem Hund den Weg versperren beim gemeinsamen Spaziergang? Rennt der Hund unentwegt in der Wohnung hinter einem her und beißt vielleicht sogar in die Hose, wenn man sich “zu schnell” bewegt?
All das sind kleine Respektlosigkeiten, die der Hund gelernt hat, entweder weil sie funktioniert haben oder weil er meint, Verantwortung übernehmen zu müssen und es einem nicht zutraut, das Leben alleine zu bewältigen. Das wuchtige Anspringen nach dem Nachhausekommen beispielsweise ist dann eine Maßregelung des Hundes, weil er meint, der Mensch hätte das Haus ohne Erlaubnis verlassen. Das Nachlaufen des Hundes bis auf die Toilette kann suggerieren, dass der Hund glaubt, der Mensch schafft es ohne ihn nicht.
Erst wenn der Hund diese Handlungen nicht mehr zeigt und man sich sicher ist, dass die Beziehung zum Hund geklärt ist und im Alltag klare Verhältnisse herrschen, kann man, falls erforderlich, eine Maßregelung in Betracht ziehen.
Auch hier gilt wieder: Man baut die Maßregelung NICHT erst auf, wenn der Hund in höchster Erregung ist. Benutzt man den Schnauzgriff das erste Mal, wenn der Hund vor Erregung tobt, weil 20 Meter weiter ein anderer Hund vorbeigeht, und man nun auch wütend auf den Vierbeiner ist, wird das nicht erfolgreich sein. Wie auch beim Welpen sollte man sich leichte Situationen aussuchen, in denen man Grenzen aufzeigt. Welche Situation gewählt wird, muss von Hund zu Hund unterschiedlich entschieden werden. Möglich sind zum Beispiel das Anspringen des Menschen, das Klauen eines Balles aus der Hand oder der Versuch, Fressbares vom Boden aufzunehmen. Wichtig ist dabei auf jeden Fall der Einsatz eines Tabuwortes, damit der Schnauzgriff oder der Nackenstoß nicht mehr oft eingesetzt werden müssen, sondern das Tabuwort ausreicht. Es sollte auch auf Distanz eingesetzt werden können, wenn der Hund zum Beispiel beim Spiel mit anderen Hunden zu wild wird.
Fazit
Wenn man seinen Hund als Welpen bekommt, sollte man die Chance nicht verpassen, ein Tabuwort einzuführen. Gründe, dieses einzusetzen, wird es bei dem kleinen Racker nämlich genug geben. Auch beim erwachsenen Hund ist es möglich, Grenzen zu setzen, allerdings sollten die Beziehung zwischen Mensch und Hund geklärt sein und der Hund eine gute Grundausbildung erhalten haben. Oft ist eine Maßregelung gar nicht mehr notwendig, wenn der Hund die Grundlagen der Hundeerziehung kennt. Für den richtigen Aufbau einer Korrekturmaßnahme beim erwachsenen Hund empfiehlt es sich in jedem Fall, einen Fachmann zu konsultieren.