Wie wird man eigentlich Wissenschaftsjournalist? | Im Interview: Ranga Yogeshwar

Wie wird man eigentlich Wissenschaftsjournalist? | Im Interview: Ranga Yogeshwar

Den 26. April 1986 wird Ranga Yogeshwar niemals vergessen. Damals stand er am Flughafen von Delhi und war gerade auf der Heimreise von einer einjährigen Tour durch den Himalaja, als in der Abflughalle BBC World News Bilder eines Reaktorunglücks in einem Kernkraftwerk in der Ukraine zeigte, in Tschernobyl. Auswirkungen? Noch unklar.

Auf dem Flug nach Deutschland habe ich mir im Cockpit die Wettervorhersage geben lassen und berechnet, welche Belastungen auf Deutschland zukommen könnten, erinnert sich der heute 55-jährige. Zu Hause angekommen, sprach der junge Physiker mit Bekannten beim Fernsehen und bat ihnen seine Hilfe an – und war ab diesem Zeitpunkt regelmäßig in Interviews als Experte zu den Auswirkungen des Unglücks zu sehen. Mit seiner sachlichen Art und fachlichen Kenntnis stach er aus der oft panischen Berichterstattung der Kollegen heraus. Plötzlich war mir bewusst, dass ich über Wissensvermittlung einen echten Mehrwert für die Gesellschaft leisten kann, sagt er heute. Das war der Wendepunkt in seiner beruflichen Laufbahn.

Eine außergewöhnliche Karriere

Ranga Yogeshwar sitzt im Kölner Café im Funkhaus. Es ist Februar, auf der Domplatte liegt Schnee. Vor Yogeshwar steht ein Teller mit Bratwurst und Kartoffelpüree. Zur Feier des Tages. Immerhin hat es geschneit – im Rheinland, scherzt er. In diesem Café hat er während seiner Karriere beim Westdeutschen Rundfunk (WDR) viel Zeit verbracht. Nicht immer bei Bratwurst, dafür meistens bei Besprechungen. Denn seit 1987 arbeitet Ranga Yogeshwar für den WDR. In Wissenschaftsshows wie “Quarks & Co.” oder “Wissen vor 8” erklärt er den Zuschauern die Welt wie kein anderer.

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Dabei hatte alles ganz anders begonnen. Aufgewachsen in Luxemburg, studierte Yogeshwar an der Universität Aachen Experimentelle Physik. Aus zwei Gründen: Erstens seien physikalische Gesetze weder ort- noch zeitgebunden, sondern immer und überall gültig. Zweitens ist es eine Herausforderung, physikalische Phänomene zu ergründen. Und Herausforderungen treiben den Wahl-Kölner mit indischen Wurzeln an. Das Schlimmste im Leben ist die Routine.

Eine nicht-traditionelle Karriere

Um schon während des Studiums für Abwechslung zu sorgen, arbeitete Yogeshwar in vielen Forschungsprojekten: Am Kernforschungsinstitut CERN im Genf, im Forschungszentrum Jülich, wo er auch nach seinem Studium noch tätig war. Doch dass die klassische Physikerlaufbahn nicht in Frage kommen würde, wusste der politisch engagierte Yogeshwar schon damals. Stetig lernen, gesellschaftlich relevant sein, unaufhörlich Brücken zwischen den Welten bauen: Meine Prinzipien waren mit einer Karriere in der Forschung nicht vereinbar, sagt er. Deswegen habe ich mich dagegen gesträubt, einen vorgezeichneten Weg einzuschlagen.

Feste Strukturen und alltägliche Routinen sind bis heute nicht seine Sache. Yogeshwar mag keine Büroräume, keine Kaffeetassen-Ränder auf den Schreibtischen, keine Montagskonferenzen. Doch davon, sagt er, gebe es in Forschungszentren genügend. Deshalb kündigte er nach dem Studium den Job in Jülich und erfüllte sich einen Jugendtraum: Er reiste für ein Jahr durch den Himalaja. Eine Reise zu sich selbst, wie er sagt. Am Ende der Tour, an jenem 26. April 1986, stand die Erkenntnis: Journalismus passt sehr gut zu dem, was Yogeshwar mit seinem Leben anfangen möchte. Ich habe nie ein Volontariat oder eine Moderatoren-Ausbildung absolviert. Ich wusste nur: Ich will das machen! Ob er heute in der Routine angekommen ist? Nein. Nach gut 20 Jahren kündigte er 2008 seine feste Anstellung beim WDR. Jeder, sagt er, jeder sollte auf das hören, was er wirklich möchte. Und dann: Mach es einfach!

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Ranga Yogeshwar