Wie wissen Musiker, wie schnell sie ein Stück spielen sollen? Und warum sind die Begriffe auf Italienisch?

Wie wissen Musiker, wie schnell sie ein Stück spielen sollen? Und warum sind die Begriffe auf Italienisch?

Musikinterpretation ist eine der grundlegenden und wichtigen Aspekte beim Spielen eines Musikstücks und dabei geht es auch um das Tempo. Die genaueste Art und Weise für Komponisten, das gewünschte Tempo anzugeben, ist die Angabe der Schläge pro Minute (BPM). Das bedeutet, dass eine bestimmte Notenwert (zum Beispiel eine Viertelnote) als Schlag festgelegt wird und die Markierung angibt, wie viele dieser Schläge pro Minute gespielt werden müssen.

Mathematische Tempoangaben dieser Art wurden im ersten Halbjahr des 19. Jahrhunderts immer beliebter, nachdem Johann Nepomuk Mälzel das Metronom erfunden hatte. Ein Metronom ist ein Gerät, das regelmäßig einen Klang erzeugt. Musiker verwenden Metronome, um verschiedene Tempi zu üben. Beethoven war der erste Komponist, der das Metronom benutzte, und 1817 veröffentlichte er BPM-Tempoangaben für alle seine Symphonien. Frühe Metronome waren recht ungenau, aber moderne Elektronik macht BPM-Markierungen äußerst präzise.

Musikalische Stücke haben nicht immer eine mathematische Zeitangabe. In der klassischen Musik ist es üblich, das Tempo eines Stücks mit einem oder mehreren Wörtern zu beschreiben. Die meisten dieser Wörter sind italienisch, da viele der wichtigsten Komponisten des 17. Jahrhunderts Italiener waren und dieser Zeitraum der war, in dem Tempoangaben erstmals umfangreich verwendet und kodifiziert wurden.

Vor dem Metronom waren Wörter die einzige Möglichkeit, das Tempo einer Komposition zu beschreiben. Nach der Erfindung des Metronoms wurden diese Wörter weiterhin verwendet, oft mit zusätzlichen Angaben zur Stimmung des Stücks, wodurch die traditionelle Unterscheidung zwischen Tempo- und Stimmungsindikatoren verwischt wurde. Zum Beispiel kennzeichnen “presto” und “allegro” beide eine schnelle Ausführung (wobei “presto” schneller ist), aber “allegro” deutet auch Freude an (aus seiner ursprünglichen Bedeutung im Italienischen). Weitere italienische Wörter geben auch eine spezifische Stimmung an, die zur Interpretation beiträgt. Zum Beispiel hat eine Markierung von “Allegro agitato” sowohl eine Tempobezeichnung (schneller als ein gewöhnliches Allegro) als auch eine Stimmungsbezeichnung (erregt). Diese Wörter werden manchmal auch als Titel der Komposition verwendet, wobei das bekannteste Beispiel vielleicht Samuel Barbers “Adagio for Strings” ist.

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Einige der gebräuchlichsten italienischen Tempoangaben, von langsamstem bis schnellstem, sind:

  • Grave – langsam und feierlich (20-40 BPM)
  • Lento – langsam (40-45 BPM)
  • Largo – breit (45-50 BPM)
  • Adagio – langsam und feierlich (wörtlich übersetzt “in Ruhe”) (55-65 BPM)
  • Adagietto – ziemlich langsam (65-69 BPM)
  • Andante – im Schritttempo (73-77 BPM)
  • Moderato – mäßig (86-97 BPM)
  • Allegretto – mäßig schnell (98-109 BPM)
  • Allegro – schnell, schnell und hell (109-132 BPM)
  • Vivace – lebhaft und schnell (132-140 BPM)
  • Presto – extrem schnell (168-177 BPM)
  • Prestissimo – noch schneller als Presto (178 BPM und mehr)

Obwohl Italienisch in der meisten Zeit der klassischen Musik die vorherrschende Sprache für Tempoangaben war, haben viele Komponisten natürlich Tempoangaben in ihrer eigenen Sprache gemacht – insbesondere auf Französisch, Deutsch und Englisch. Gustav Mahler war wohl der Komponist, der die komplexesten kombinierten Tempo- und Stimmungsangaben gemacht hat. Zum Beispiel ist der zweite Satz seiner 9. Sinfonie als “Im Tempo eines gemächlichen Ländlers, etwas täppisch und sehr derb” markiert, was auf eine langsame Folkloretanzbewegung mit etwas Unbeholfenheit und grober Ausführung hinweist. Mahler kombinierte manchmal auch deutsche Tempoangaben mit traditionellen italienischen Angaben, wie im ersten Satz seiner sechsten Sinfonie, der als “Allegro energico, ma non troppo. Heftig, aber markig” markiert ist (Energisch schnell, aber nicht zu sehr. Gewaltig, aber kraftvoll). Man kann leicht erkennen, dass ein Orchestermusiker mit Anweisungen in so vielen verschiedenen Sprachen quasi zum Linguisten werden muss!