Wir kaufen uns ein Krankenhaus

Wir kaufen uns ein Krankenhaus

Pfarrer Dietmar Auner aus der Kleinstadt Plettenberg im Sauerland ist ein ruhiger, besonnener Mann. Seit einigen Monaten zählen dazu allerdings vor allem sperrige Bürokratenbegriffe wie „Patientenströme“, „Konvergenzphase“ oder „Fallpauschalen bezogene Abrechnung.“ Das liegt daran, dass Auner zuletzt ungewöhnlich oft mit Unternehmensberatern und Krankenhausmanagern zu tun hatte. Gemeinsam haben sie über den Verkauf des Plettenberger Krankenhauses verhandelt. Die kleine evangelische Kirchengemeinde ist zu knapp 50 Prozent beteiligt, die andere Hälfte gehört der Stadt.

Der Verkauf des Krankenhauses

Seit 1894 war die Plettenberger Klinik im Besitz der Kirche. Doch jetzt kann sie ihre Beteiligung nicht mehr leisten. Anstatt dass ein expandierender privater Krankenhauskonzern das Krankenhaus kauft, ist es eine Plettenberger Bürgerinitiative, die sich ihr eigenes Krankenhaus kauft.

“Es geht darum, der Stadt eine ihrer wichtigsten Einrichtungen zu retten”, begeistert sich Ex-Bürgermeister Walter Stahlschmidt, Mitglied der “Initiative Plettenberger Krankenhaus”. Die Verkaufspläne lösten eine Welle der Empörung in der Stadt mit ihren 30.000 Einwohnern aus. Es gab zahlreiche Kaufinteressenten, darunter der börsennotierte Krankenhauskonzern Rhön. Rechnerisch betrachtet ist die Region sogar besser mit Klinikbetten ausgestattet als das völlig überversorgte Berlin. Doch die Plettenberger wollten die Sache nicht nüchtern betrachten.

Die Rettung des Krankenhauses

In wenigen Wochen gingen bei den Lokalzeitungen mehr als 1000 Leserbriefe ein, ein Förderverein sammelte Kleinspenden für den Erhalt des Krankenhauses. Schließlich griffen mittelständische Unternehmer tief in die Tasche und eine Stiftung wurde gegründet. Die Kirche erhält dem Vernehmen nach rund 1,3 Millionen Euro. Zusätzlich fließen weitere 600.000 Euro in einen “Zukunftsfonds”, um den Klinikbetrieb zu sichern.

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“Selbst eine kleine Stadt wie unsere braucht doch ein Krankenhaus”, betont der Ex-Bürgermeister. Das Krankenhaus sei auch ein Standortfaktor. Allerdings ist es auch teuer. Seit Jahren häuften sich in Plettenberg die Klinikverluste. Allein im letzten Jahr betrug das Defizit mehr als 300.000 Euro, obwohl die Belegschaft auf ihr Weihnachtsgeld verzichtete. Ein Gutachten der Klinikleitung prognostizierte bei gleichbleibender Belegung einen jährlichen Verlust von einer Million Euro.

Die Situation der deutschen Kliniken

Wie Plettenberg geht es vielen Klinikträgern. Experten schätzen, dass bis zu ein Viertel der 2200 deutschen Kliniken wirtschaftlich nicht überlebensfähig sind. Hinzu kommen verschobene bauliche und technische Investitionen in Milliardenhöhe. Laut der Deutschen Krankenhausgesellschaft erzielte 2004 nur noch die Hälfte der befragten Krankenhäuser einen Überschuss.

Für die kleine Klinik in Plettenberg sieht es düster aus. Um den Standort zu halten, wollten zwei Bieter – Rhön und die nahegelegenen Märkischen Kliniken – daraus eine Art Zulieferklinik für nahegelegene Krankenhäuser machen. Die schweren Fälle sollten an das größere Krankenhaus abgegeben werden. Der dritte Bieter, der süddeutsche Krankenhausbetreiber Deutsche Klinik, wollte nichts bezahlen, versprach jedoch die Sanierung. Mitten in den Verhandlungen wurde er dann selbst vom schwedischen Krankenhauskonzern Capio übernommen.

Die Zukunft des Plettenberger Krankenhauses

Die Bürgerinitiative hat auch ein Sanierungskonzept. Plettenberg soll in Zukunft eng mit umliegenden Krankenhäusern zusammenarbeiten. Die Hoffnung besteht darin, dass in drei Jahren schwarze Zahlen geschrieben werden können. Die Chancen dafür stehen gar nicht so schlecht, staunt Müller. In bisher ungekannter Solidarität haben die niedergelassenen Ärzte der Umgebung begonnen, ihre Patienten nach Plettenberg zu überweisen. Noch nie war die Bettenbelegung dort so gut.

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Sabine Rössing [Plettenberg]

Plettenberger Krankenhaus
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