WM in Katar: Einschalten oder boykottieren?

WM in Katar: Einschalten oder boykottieren?

Die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar steht vor der Tür und wir alle stehen vor einer schwierigen Entscheidung: Einschalten oder boykottieren? Die Meinungen sind gespalten und die Diskussionen hitzig. Doch was ist die richtige Wahl? Ist es moralisch vertretbar, trotz der politischen Kontroversen die WM zu verfolgen? Oder müssen wir ein Zeichen setzen und uns der Veranstaltung verweigern?

Heftige Kritik in Bundesliga-Stadien

In den deutschen Fußballstadien wurde die WM in Katar bereits vorab heftig kritisiert. Fans in ganz Deutschland machten mit Spruchbändern und Plakaten auf die Todesfälle unter den Arbeitsmigranten und die homophobe Gesetzgebung im Gastgeberland aufmerksam. Und sie haben damit recht.

Doch für viele Kritiker symbolisiert Katar noch viel mehr als nur diese Probleme. Das Land steht sinnbildlich für den gefährlichen Weg, den der moderne Fußball eingeschlagen hat. Korruption, windige Investoren und der Ausverkauf der Seele des Spiels sind nur einige der kritisierten Punkte. Ich kann diese Kritik nachvollziehen.

Allerdings stellt sich die Frage: Sollten wir den Fußball einfach ignorieren und so tun, als gäbe es das größte Sportereignis der Welt nicht? Bei der WM 2018 in Russland gab es auch Bedenken, aber Boykottaufrufe waren kaum zu hören. Dabei warfen russische Luftangriffe in Syrien und die Ausbeutung nordkoreanischer Gastarbeiter beim Stadionbau ebenfalls moralische Fragen auf. Wurde da nicht bereits eine rote Linie überschritten?

Kann ein TV-Boykott überhaupt etwas bewirken? Jeder von uns kann diese Frage für sich selbst beantworten. Schlechte Einschaltquoten würden auch den Weltverband FIFA treffen, aber wenn Deutschland und Nordeuropa weniger zuschauen, gleichen andere Regionen das wieder aus. Die FIFA ist längst dabei, neue Märkte zu erschließen – und das können wir ihr nur bedingt vorwerfen.

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Die arabische Welt hat eine WM verdient – nur wo?

Es ist längst überfällig, dass eine WM in der arabischen Welt stattfindet. Die FIFA hat mehr als 90 Jahre gebraucht, um dies zu erkennen. Die Kritik an der “Winter-WM” und der fehlenden Fußball-Tradition in Katar ist jedoch eurozentristisch und zeigt westliche Hybris. Die Region hat eine WM verdient.

Aber warum ausgerechnet Katar? Auch ich bin nicht glücklich darüber. Dennoch werde ich den Fernseher einschalten und die WM verfolgen. Schon jetzt gibt es Berichte von angeblich eingekauften “Fake-Fans”, die in Doha eine Party feiern. Das macht mich sprachlos. Ebenso die Aussicht, weitere Friedensbotschaften von FIFA-Präsident Gianni Infantino ertragen zu müssen.

Ich klammere mich an Erinnerungen aus meiner Kindheit. 1994 saß ich als kleiner Junge gespannt vor dem Fernseher und sah fasziniert zu, wie die Nigerianer famos aufspielten und der Brasilianer Bebeto seine Tore mit schaukelnden Armen als Baby-Gruß zelebrierte. Diese Bilder haben sich eingebrannt. Jeder Fan hat seine eigene Geschichte, durch solche Erlebnisse wird die Faszination Fußball-WM geboren. Und am Ende schalten wir doch ein, aus Liebe zum Spiel. Oder zumindest aus beruflichen Gründen.

Hinschauen und hinterfragen

Diesmal wird es ein Balanceakt. Wie weit kommt Afrikameister Senegal? Nutzt Messi seine letzte Chance? Wie schlagen sich Hansi Flick und das DFB-Team? All diese sportlichen Geschichten sind es wert, erzählt zu werden. Doch mich interessiert vor allem, was abseits des Platzes passiert.

Wo bröckelt die Inszenierung der FIFA, die das Turnier schon jetzt zur “besten WM aller Zeiten” erklärt hat? Wird es auf internationalen Druck hin einen Entschädigungsfonds für Gastarbeiter geben? Wie steht es um die Pressefreiheit in Katar? Sind südamerikanische und asiatische Fans genauso besorgt über das Thema Menschenrechte wie wir im Westen? Wird das DFB-Team eine Aktion starten, um “unsere Werte zu vertreten”, wie es Manuel Neuer angekündigt hat? Wird das Emirat diese “Chance” nutzen, wie Bastian Schweinsteiger im DW-Interview sagte? Und wie werden all die gut bezahlten PR-Figuren, wie zum Beispiel Katar-Botschafter David Beckham, auf Kritik reagieren?

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All das möchte ich wissen, hinterfragen und diskutieren. Am Esstisch, in der Kantine oder in der Kneipe. Diese Dinge verdienen unsere Aufmerksamkeit. Deshalb ist Wegschauen für mich keine Option.