Die Prozessquote bei Berufsunfähigkeitsversicherungen ist ein wichtiger Indikator, um die Leistungs- und Prozessfähigkeit der Versicherer zu bewerten. Doch wie wird diese Quote ermittelt und was verschweigt sie uns? Wir werfen einen Blick hinter die Kulissen und decken die Wahrheit auf.
Wie wird die Prozessquote bei Berufsunfähigkeitsversicherungen ermittelt?
Der Brancheninformations-Dienst “map-report” betrachtet die Anzahl der Leistungsprozesse im Verhältnis zu den regulierten BU-Schäden. Dabei bleibt jedoch unberücksichtigt, ob ein Prozess gerechtfertigt oder unberechtigt war. Es ist wichtig zu beachten, dass Versicherer unberechtigte Ansprüche ablehnen können müssen, auch gerichtlich, um die Integrität des Systems zu wahren.
Das Analysehaus “MORGEN & MORGEN” hingegen betrachtet die Anzahl der vom Versicherer verlorenen Prozesse im Verhältnis zu den abgelehnten Leistungsfällen. Interessanterweise werden nur rund 10% der BU-Leistungsprozesse vom Versicherer verloren, während rund 62% der Prozesse mit einem Vergleich enden. Es ist wichtig anzumerken, dass vereinbarte Vergleiche vor Gericht weder als gut noch als schlecht bewertet werden sollten, da sie unterschiedliche Gründe haben können. Dennoch kann es für Versicherte frustrierend sein, wenn sie nach langem Rechtsstreit nur einen Teil der ursprünglichen BU-Rente erhalten.
Diese unterschiedlichen Ansätze führen zu teils widersprüchlichen Ergebnissen und lassen Versicherer die für sie günstigere Variante für die Werbung wählen.
Was verschweigt uns die so ermittelte Prozessquote?
Es ist wichtig anzumerken, dass die meisten Leistungsanträge bezüglich einer Berufsunfähigkeitsversicherung schnell und zur Zufriedenheit der Betroffenen bearbeitet werden. Dennoch kann es zu Streitigkeiten bei der Erst- oder Nachprüfung der Berufsunfähigkeit kommen, die zu langwierigen Prozessen führen können. Wie werden diese Prozesse gewertet, wenn sie in der ersten Instanz vom Versicherungsnehmer gewonnen werden, aber auf Betreiben des Versicherers in die nächste Instanz gehen? Berücksichtigt die BU-Prozessquote auch Vergleiche, die nach langem Rechtsstreit abgeschlossen werden? Diese Fragen bleiben unbeantwortet.
Eine weitere Dunkelziffer sind die Versicherten, die auf eine gerichtliche Auseinandersetzung verzichten, weil die Aussicht auf Erfolg aufgrund verbraucherunfreundlicher Klauseln in den Versicherungsbedingungen gering ist. Ein solcher Verzicht mag die Prozessquote verbessern, aber er trägt nicht zur Verbesserung der Tarifbedingungen bei.
Die BU-Prozessquote berücksichtigt auch nicht, wenn die Leistung befristet anerkannt wird und es erst nach Ablauf der Frist zu Streitigkeiten kommt. Dies kann bei vielen Berufsunfähigkeitsversicherungen der Fall sein.
Wie beeinflusst der Versicherungsbestand die BU-Prozessquote?
Der Versicherungsbestand, sowohl das Alter als auch die Zusammensetzung der Berufsunfähigkeitsverträge, beeinflusst die BU-Prozessquote maßgeblich.
Wenn eine Versicherungsgesellschaft über Jahre hinweg vor allem BU-Versicherungen mit ungünstigen Versicherungsbedingungen anbietet, kann es sein, dass Versicherungsnehmer häufiger Leistungsablehnungen ohne Prozess akzeptieren. Es wäre unklug, aussichtslose Klagen gegen den BU-Versicherer einzureichen. Jede Leistungsablehnung ohne verlorenen Prozess verbessert jedoch die BU-Prozessquote.
Auch bei Versicherungsunternehmen mit einem relativ jungen Versicherungsbestand kann die BU-Prozessquote höher sein. Bei BU-Fällen innerhalb der ersten 5 Jahre nach Vertragsabschluss kann der Versicherer unter bestimmten Voraussetzungen die Leistungen verweigern. Da nicht alle Antragsteller die vorvertragliche Anzeigepflicht ernst genug nehmen, treten gerechtfertigte Leistungsablehnungen bei jungen Beständen häufiger auf.
Es ist wichtig zu betonen, dass diese Aufzählungen beispielhaft sind und keine vollständige Liste darstellen. Eine einzige Zahl kann nicht das gesamte Prozess- und Leistungsverhalten einer Versicherungsgesellschaft widerspiegeln. Dennoch möchten wir Ihnen die BU-Prozessquoten nicht vorenthalten.
BU-Prozessquoten 2015 – 2022 (Anzahl verlorener Prozesse zu abgelehnten Leistungsfällen)
Abschließend bleibt festzuhalten, dass die BU-Prozessquote nur ein Teil des Gesamtbildes ist und nicht alle Aspekte berücksichtigt. Es ist ratsam, bei der Wahl einer Berufsunfähigkeitsversicherung auch andere Faktoren wie die Versicherungsbedingungen und den Kundenservice zu berücksichtigen.