Die Welt der Finanzprodukte kann manchmal trügerisch sein. Selbst als sicher geltende Anlagen können zu Verlusten führen. Dies ist auch bei den beliebten Stufenzinsanleihen der Fall, bei denen Anleger Kaufkraftverluste befürchten müssen, wenn die Rendite unterhalb der Inflationsrate liegt. Diese Problematik betrifft zwar auch Festgeldanlagen und andere Anleihen, doch die Zertifikatebranche sollte sich fragen, ob solche Papiere langfristig wirklich vorteilhaft sind. Daher sollten Emissionshäuser entweder keine strukturierten Papiere mehr herausgeben, bei denen die Rendite den Inflationsausgleich nicht sicherstellt, oder den Vertrieb verpflichten, auf die drohenden Kaufkraftverluste hinzuweisen.
Beliebte, aber riskante Papiere
Stufenzinsanleihen mit jährlich steigenden Kupons erfreuen sich seit Jahren großer Beliebtheit und werden von nahezu allen Banken angeboten. Obwohl der genaue Betrag in diesen Anleihen nicht bekannt ist, sind laut Statistiken des Deutschen Derivateverbands (DDV) über die Hälfte der in Zertifikate investierten 101,7 Milliarden Euro in strukturierten Anleihen angelegt. Dabei entfällt der Großteil auf Stufenzinsanleihen.
Diese Papiere sind einfach zu verstehen und lassen sich daher leicht verkaufen. Zudem bieten sie eine höhere Rendite als Festgeld oder Tagesgeld, die derzeit im Durchschnitt 0,84 bzw. 0,94 Prozent abwerfen. Eine neue Stufenzinsanleihe mit einer Laufzeit von fünfeinhalb Jahren rentiert beispielsweise mit 1,63 Prozent pro Jahr. Im ersten Jahr sind es 1,2 Prozent, danach steigt die Rendite um jeweils 0,2 Prozent pro Jahr. Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass mögliche Depotgebühren nicht berücksichtigt sind und das Ergebnis für den Anleger verschlechtern können, ebenso wie die Kosten bei einem vorzeitigen Verkauf. Viele Neuemissionen bieten derzeit sogar noch geringere Renditen, denn je kürzer die Laufzeit, desto niedriger die Rendite.
Das Problem der Kaufkraftverluste
Das große Problem bei all diesen Anleihen ist, dass die Verzinsung nicht ausreicht, um die Kaufkraft des investierten Kapitals zu erhalten. Bei einem Kupon von 1,2 Prozent bleiben dem Investor nach Steuern nur 0,90 Euro. Im Gegensatz dazu liegt die Inflationsrate derzeit bei über zwei Prozent. Die Kaufkraft eines Anlegers schwindet also im ersten Jahr um 1,1 Prozent – und noch mehr, wenn zusätzliche Kosten wie Depotgebühren anfallen. Dieses Risiko darf dem Kunden nicht verschwiegen werden. Auch wenn niedrige Zinsen generell das Niveau beeinflussen und die negativen Auswirkungen auch bei sicheren Anlagen wie Bundesanleihen, Tages- und Festgeld vorhanden sind, sollten Zertifikate im Vergleich zu diesen Produkten mehr bieten können.
Die derzeitigen Rahmenbedingungen machen es jedoch schwierig. Einerseits sind die Ausfallrisiken der Emittenten gesunken, was zu geringeren Zinszahlungen führt. Andererseits reduziert die gesunkene Volatilität an den Märkten die Renditechancen von strukturierten Papieren wie Bonus- oder Discountzertifikaten erheblich.
Der Ausweg: Mehr Rendite, mehr Risiko
Der einzige Ausweg für Anleger besteht darin, mehr Risiko einzugehen. Nur so können höhere Renditen erzielt werden, die den Erhalt der Kaufkraft gewährleisten. Jedoch sollte eine Verzinsung nach Steuern und Gebühren immer oberste Priorität haben und mindestens den Inflationsausgleich sicherstellen.
Es ist vor allem wichtig, risikoscheue Investoren angemessen zu informieren und aufzuklären. Obwohl die Branche die Inflationsproblematik beständig diskutiert, sind die Auswirkungen für Endkunden oft nicht klar. Anleger, die über Jahrzehnte hinweg mager verzinste Zertifikate kaufen, werden irgendwann feststellen, dass sie ein schlechtes Geschäft gemacht haben.
Die Emittenten sollten das Thema daher offen ansprechen und vermehrt Produkte auf den Markt bringen, die eine Rendite von drei bis fünf Prozent bieten. Die Anbieter sollten nicht in die Rolle eines Autoverkäufers schlüpfen, der behauptet, “nicht schuld zu sein, wenn der Kunde aufgrund eines schwach motorisierten Fahrzeugs in unwegsamem Gelände nicht ans Ziel kommt”. Nur wenn der Anleger ausreichend auf potenzielle Gefahren hingewiesen wird, kann er ihnen aus dem Weg gehen. Langfristig bleibt niemandem, weder der Bank noch dem Kunden, eine gute Erinnerung, wenn das Vermögen schrumpft. Hingegen bleibt ein gut funktionierendes Gefährt immer in positiver Erinnerung.
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